Brot und Salz – Arminia gegen Bayern II 1:2

Arminia gegen Bayern II 1:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Die Linie 1 steht zwischen Hauptbahnhof und Jahnplatz im finsteren Tunnel und wartet auf Einfahrt in das Untergeschoss des Bielefelder Verkehrsknotens. Ein armes Mitlebewesen, das die letzten Stunden offenkundig mit vorsätzlicher Hirnvernebelung verbracht hat, versucht, trotzdem auszusteigen. Muss wohl Sonntag Morgen sein.

Arminia gegen Bayern

Ja, so ist das ab jetzt, wenn man zu Blauinnens Heimspielen will. Der Weg zur Postheide mit Öffis ist etwas länger. Aber machbar. Und es lohnt sich. Ein nettes, neues Zuhause haben sich die Mädels da zusammengebastelt. Und wenn sie dann noch zur Einzugsparty laden, ist auch das bisschen Regen egal.

Hierzulande ist es Tradition, Brot und Salz zum Einzug zu schenken. Brot, das Grundnahrungsmittel, als Symbol dafür, dass das Lebensnotwendige vorhanden ist. Salz, um dem „neuen“ Leben die nötige Würze zu verleihen. Brotspenden gab es reichlich – Kuchen von vielen fleißigen ehrenamtlichen Händen, Eis vom ASC, Grillspezialitäten und Kartoffelstäbchen vom Catering. Im Vers „Brot und Salz, Gott erhalt’s“ wurden Brot und Salz durch Hopfen und Malz ersetzt. Gut so, passt eh besser zum Anlass. Was das Salz, die Würze betrifft – dafür mussten die Blauinnen selber sorgen.

Zur Heimpremiere wartet ein tüchtiger Brocken. Der Meister der Vorsaison. Und der heißt – sowas kommt bei Meistern vor – FC Bayern München. Auch, wenn es nur die Zweite ist. Die Münchnerinnen können kicken, vor allem im Offensivdrittel sind sie recht kombinationsstark. Dem setzen die Blauinnen ihre bekannten Tugenden entgegen – ihre Zweikampfstärke und ihren Kampfeswillen. Und so entwickelt sich in den ersten Minuten eine höhepunktarme, aber sehr intensive und unterhaltsame Partie Fußball.

Stocherei im Bielefelder Strafraum- irgendwie klären sie den doch? Leider nein…Eigentlich ist die Kirsche schon weggestochert, aber Münchens Nicole Woldmann liegt noch fies (clever?) im Weg und kann zur Führung einschieben- Doofes Gegentor, zur Freude einiger Bayernfans aus Lippstadt. Da kommen doch Erinnerungen auf an den St.Pauli-Fan, der einst in einer Regionalbahn „Wir komm‘ aus Hamburg, und nicht aus Ahlen“ trompete und in Rinkerode wohnte. Wer nicht weiß, wo Rinkerode ist: Stadtteil von Drensteinfurt.

Übrigens auch vor Ort: Die Red Munichs, mitsamt ihrer aus dem Fernsehen berühmten Zaunfahne. Champions League-Flair an der Postheide. Mittlerweile fängt es derbe an zu regnen. Auf der Stehtraverse gehen die Regenschirme auf. Das ostwestfälische Wetter motiviert die Blauinnen. Sie machen jetzt tüchtig Dampf. Fast im Gegenzug nach dem 0:1 jubelt der Rundumbeobachter, und von hinten wird der CanCan eingespielt. War aber nicht. Gentiana Fetaj hat zwar das Tornetz zum Beben gebracht, aber von der falschen Seite. Schwer zu sehen zwischen der Regenschirmparade. Mist! Es folgt die Schilderung der dämlichsten Reformidee, die ich rund um Fußballspiele jemals habe Hören müssen (und ich stehe auf Block 3).

Wenn in einem Fußballspiel weniger als drei Tore fallen, soll der Sieger nur zwei statt drei Punkte kriegen. Dann wird nicht mehr so defensiv gespielt wie jetzt und der Fußball wird attraktiver. Ja, sowas wird einem erzählt. Einfach so. Ohne Aufforderung. In aller Ernsthaftigkeit. Bei Regen, unterm Schirm, während die Blauinnen weiter kämpfen und ein paar dicke Chancen haben.

Natürlich eröffnet diese These ungeahnte Blickwinkel: Wenn Arminia in der Nachspielzeit mit 2:0 führt und im Ballbesitz sind, müssen sie sich ein Eigentor reinhauen, um den Dreier mitzunehmen. Stellt Euch mal vor, wie wir entweder auf der Alm oder der Postheide stehen und das Eigentor fordern. Oder wie wir diskutieren, wenn sie 1:0 führen und sich mit dem sicheren „Zweier“ zufrieden geben. Ich will diese Idee wie folgt bewerten: Am Sonntag Mittag wird wohl alles und jeder an die frische Luft gelassen. Jetzt brauche ich Brot…

Halbzeit. Vor dem Spiel bekam der Rundumbeobachter von El Presidente himself ein gelbes Leibchen in die Hand gedrückt, mit der Aufforderung, für Ordnung zu sorgen. Gucken, dass keiner aufs Spielfeld rast und so. Was nicht passierte: Jemand raste aufs Spielfeld und niemand war darüber glücklicher als der Rundumbeobachter. Was auch nicht passierte: Uniform darf frei fressen. Also ließ der Rundumbeobachter eine dreiviertel Wertmarke am Kuchenbüffet. Übrigens: Man schwitzt tierisch unter diesen gelbem Leibchen. Wie haltet Ihr Profi-Ordner das aus…?

So, jetzt aber, Ihr Blauinnen! Der Ausgleich ist dran. Soph rechts einmal quer über den Platz zu Soph links, die zu Bella (Wuckel: „Anna“) Jäger, Bella (Wuckel: „Anna“) Jäger mit Schmackes ins Netz. Geht doch! JAAAA! Das Publikum kündigt daraufhin den Siegtreffer an…

…sagt aber nicht, für wen. Nicole Woldmann haut eine Flanke von links Richtung Vivi „Sparrenburg“ Brandt. Der Ball eiert durch den Regen und fällt irgendwie ins Tor. Eiertor, Kacktor, kein Vorwurf an die Sparrenburg.

Im Regen wird der Spiel jetzt zur Rumwutzerei. Im Fernsehn hätten sie was vom „seifigen Boden“ daher gefaselt. Ob der Hybridrasen des Spielfeldes seifig ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wohl aber, dass der Rasen rund um das Spielfeld – noch so eine TV-Faselei – wird tief. Und extrem matschig. Die Chants überbieten sich derweil an Originalität: „Ostwestfalen Idioten“ (14. Jahrhundert) wird gekontert mit „Zieht den Bayern die Lederhoden aus“ (Kreidezeit). Irgendjemand will Karl-Heinz Rummenigge gesehen haben. Jaja, der guckt, ob sich seine Mädels den Zweier holen.

Die Münchnerinnen spielen ihren taktischen Stiefel herunter und kommen zu einigen Konterchancen. Aber an der Sparrenburg ist kein Vorbeikommen. Die Blauinnen kämpfen und hauen alles rein. Unfreiwillig lustig: Eine gelbe Karte wegen SchiRi-Beleidigung. „Mann, Sie sollten echt mal ??§&%…oh…äh…’tschuldigung…“ Zu spät.

Einstellung stimmt bei den Blauinnen der Kampf auch. Die FCB-Zwote spielt ihren taktischen Stiefel runter und gewinnt 2:1. Hat das Salz zum Brot-und-Salz-Spiel gefehlt? Nein. Eine bessere Chancenverwertung, weiniger Gammelgegentore, und das Ding geht beim nächsten Mal anders aus. Arminias Frauen sind als Aufsteiger dem Vorjahresmeister auf Augenhöhe begegnet und haben, wie Wuckel sagt „bravourös gekämpft“. Da setzen wir den Stempel der Zustimmung drunter und holen uns das Salz auf der Stadionfeier…zumindest heute.

Brot und Salz schenkt man, um Sesshaftigkeit und Wohlstand zu wünschen. Die Sesshaftigkeit heißt „Postheide“, Wohlstand heißt „Kuchenbuffet“ und sportlich muss es einem um die Blauinnen bei solchen Leistungen nicht bange sein. Und dass trotz des Regens etwa 700 Zuschauer zu Spiel kommen, ist sensationell!

VAR (Visuell aufmerksamer Rundumbeobachter):

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