Arminia gegen Dortmund U23 1:0 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Haaaaach Kinners! Eeeeendlich wieder Saison, eeeeendlich erstes Heimspiel! Und soooo fühlt sich der erste Heimspieltag an:

Endlich wieder in die Linie 4. Da wird der Rundumbeobachter Zeuge des folgenden Dialogs: „Hi!“ – „Hallo…“ – „Aaarch, sorry, ich dachte, Du wärst Kalle.“-„Oh… sorry, ich dachte, Du wärst Kalle.“ – „Nee, tut mir leid“. – „Weißt Du, wann Kalle kommt?“ – „Ich kenne keinen Kalle…“ – „Okeeeh.“. Nichts gegen Kalle, aber manchmal ist es besser, Kalle nicht zu kennen.

Eeeendlich wieder der Weg von der U-Bahn zur Alm. Die Sonne scheint. Liegewiese! Fahrrad zur Alm! Kaputt!

Und eeeendlich wieder Block 3! Eeeendlich wieder das erhebende Panorama! Eeeendlich wieder gesammelte Weisheit. „Hier isses doch ganz angenehm.“ – „Ja. Noch…“.

Warten…

In Ostwestfalen würden wir so einen Countdown bis Null durchhalten. Stur, hartnäckig kämpferisch die Minutenanzeige abwarten. Aber wir haben ja Programm zur Unterhaltung. Mannschaftsaufstellung. Hymnääääää!

Und los.

Der „kleine BVB“ ist zu Gast, der unsere Blauen bei seinem Gastspiel in der letzten Saison ganz schön beschäftigt hat. Die Schwarzgelben kommen mit vierstelliger Anhängerschaft und als amtierender Tabellenführer. Na ja, Tabellenführer nach dem ersten Spieltag. Das heißt genauso wenig wie Arminias mit gefühlt zwei Dutzend anderen Teams geteilter dritter Platz. Entsprechend neblig sind die Prognosen von Block 3 zum Spiel: „Wenn die heute gewinnen, dann mache ich, … ähhh… öhm… tjoah…“.

Und Arminia macht auch „ähhh… öhm… tjoah…“. Die Blauen haben Ballbesitz und Ballbesitz und Ballbesitz. Spielen Quer. Und nach hinten. Über die Mittellinie? Okay, wir gucken mal kurz, wie es da so aussieht. Hm, doof, Ball zurück. Und dabei ist schwarzweißblaue Spielkontrolle doch eigentlich Frühjahrsmode und damit out…

Ist der DSC jetzt schon so gut, dass man sagen kann: „Wir spielen ruhig auf, unsere Kiste werden wir machen“? Vorsicht, ein verführerischer Gedanke angesichts des späteren Ergebnisses und der Tatsache, dass sich die deutschen Fußballfrauen bei Olympia so ähnlich zu Bronze und die amerikanischen Fußballfrauen zu Gold geeiert sind. Bei Arminia sollte man da grundsätzlich vorsichtig sein.

Jedenfalls herrscht erstmal eine spielerische Ödnis. Es gibt in den Wüsten des Mars mehr Pusteblumen als Offensivaktionen auf dem Rasen der Alm. „Torchancen habe ich noch nicht gesehen“, fasst Block 3 die ersten paarundzwanzig Minuten zusammen. Und fordert das, was alle sich wünschen: „Na’ foanääää!“ („Spielt offensiver“ auf ostwestfälisch).

Einmal gibt es ein bisschen Aufregung, als Kersken einen Angriff wegfischt und Dortmunds Nummer 20 den sterbendsten aller Schwäne macht. Der Dortmunder Coach grummelt nachher ein bisschen, von der Süd sah es sauber aus. Was ein VAR gesagt hätte, weiß man ohne VAR nicht. Und mit VAR hätte man es wahrscheinlich auch nicht gewusst.

Mannomannomann, was’n öder Kick. Jedes Mal, wenn freie Wege da sind, nimmt Arminia das Tempo raus. Man will sich gar nicht vorstellen, so ein Spiel auf der A33 vor sich zu haben. Diese Freude, die das machen würde… diese Freude, die Block 3 hat: „Hätte ich auch zu Hause gucken können, den Scheiß. Zäh wie Kaugummi“.

In der 26. Minute findet Biankadi eine Lücke in der gut organisierten Dortmunder Abwehr und schickt einen flachen Halbkullerball auf die Kiste – kein Problem für den BVB- Keeper. Erster Torschuss! In der 26. Minute! Woah! Und gleich hinterher bolzt Corboz den Ball in Richtung Gästeblock. 1 ½. Torschuss. In der 27. Minute! Woah! Herzinfarkt! Oder wie heißt das, wenn man aus dem Halbschlaf so leicht hochschreckt?

Die Fußballberichterstattung ist bekanntermaßen nicht arm an Phrasen, Metaphern, bildhaften Vergleichen und Stilmitteln. Da auf dem Platz da unten immer noch nichts passiert, nun eine weitere Folge aus der beliebten Reihe „Rundumbeobachter erklärt Fußballsprache“. Heute: Das Klimax bei Langeweile.

„Klimax“ ist eine rhetorische Steigerung, die man beim Fußball auf viele schöne Arten anwenden kann. Hier zwei Beispiele zum heutigen Leder- Rumgeschiebe. Erstens; Arminias Spielbericht: „Von Beginn an bemüht, Ruhe auf den Platz zu bringen“ => [Steigerung] => „Geschehen durch einen geordneten Spielaufbau zu kontrollieren.“ => [Steigerung] => „Zwar hatten die Schwarz-Weiß-Blauen dadurch mehr Ballbesitz, für die gefährlichen Zonen im gegnerischen Strafraum sollte es aber noch nicht reichen.“. Zweitens: Block 3: „’N Brüller ist das noch nicht“ => [Steigerung] => „Laaangweilig“ => [Steigerung] => „Man kann sich alles schön saufen, hier muss man“. Eignet sich ideal, um Webspace zu füllen und Zeit zu überbrücken, wenn ein Kick so unterhaltsam ist wie die Wüsten des Mars, die die linke Spur auf der A33 nicht frei machen.

Letzte Saison sind solche Spiele übrigens gern durch brotige Abwehr- oder sonstige Spielaktionen verloren worden. Heute lassen die Nachwuchs- Borussen die Chance liegen, als Arminia einen Freistoß direkt zum Gegner ausführt, Kersken die Broterei aber ausbügelt. Nicht mal zum Tore verschulden eignet sich dieses Match. Meh.

In der Nachspielzeit der ersten Hälfteschießt Biankadi dann nochmal dem Dortmunder Torwart in die Flossen. Juhuuu, 2 ½ Torschüsse bisher. Die einen tun nichts, die anderen erreichen nichts. Aber wenigstens scheint die Sonne.

Halbzeit. Die letzten beiden Wochen beschäftigte Olympia die Sportwelt. War auch in diesen Rundumbeobachtungen schon Thema und wird es später nochmal. Von Olympia kann man viel lernen. Unter anderem, dass es nicht „Trinkpause“ sondern „Cooling Break“ heißt. Ist die Halbzeitpause nicht auch ein „Cooling Break“? Trinkpause? Oder doch eher ein „Fooling Break“? Ostwestfalen Idioten und so? Für „Pooling Break“ ist die Alm ja leider nicht ausgestattet.

Mizuta ist jetzt im Spiel . Was erstmal nicht an der Richtung des nicht stattfindenden Marsches ändert. Machen wir es bis zur 60. Minute kurz, indem wir nochmal die Langeweile- Rhetorik aufzeigen. Erstens: Arminia: „Am Spielerverlauf sollte sich vorerst aber nichts ändern.“ Zweitens: Block 3: „Ein Gegurke hier…“

Block 3 hat Olympia geguckt und weiß die Eindrücke mit auf die Alm zu nehmen. Dortmunds Schwan Nummer 20 liegt wieder am Boden. „Das ist Fußball, nicht rhythmische Sportgymnastik!“, erklärt Block 3. Nein. Da würde es extrem schlechte Ausführungsnoten geben. „Okay, dann ist das Ringen!“. Auch nicht. Beim Ringen gibt es Körperkontakt.

Die U23 von Borussia Dortmund trägt übrigens auch nicht wirklich zur Spannung bei. Ob die jetzt auf schwarzweißblaue Fehler spekulierten oder sich einfach dem schläfrigen Samstag Nachmittag angepasst haben, sei dahin gestellt. Jedenfalls sind Arminia- Fehler die einzigen Gelegenheiten, bei denen man die schwarzgelben Gäste sieht. So etwa als sie nach einem Ballverlust der Blauen das Außennetz treffen. Auf Block 3 ist man zu diesem Zeitpunkt so vom Spiel betäubt, dass einen der Gedanke „Das wär’s gewesen“ auch nicht mehr hochschreckt.

Trotz des apathischen Kicks ist die Stimmung übrigens gut. Knapp 20.000 sind da. Sowohl die Dortmunder als auch die Südtribüne brüllen ordentlich. Und so ganz ist der Optimismus auf Block 3 auch nicht verklungen, obwohl man die Ansage „Wir ham noch 20 Minuten“ auch als Drohung verstehen kann.

Wörli kommt bei Arminia ins Spiel und sorgt für ein bisschen mehr Bewegung. Und haut gleich mal einen an den Pfosten. „Wooooah!“, macht Block 3. Jetzt schreckt der Gedanke „Das wär’s gewesen“ schon ein bisschen mehr hoch. Boujellab und Julian Kania (der ganz Neue- der vielversprechende ganz Neue) kommen dann auch noch auf die Platte und nun ist deutlich mehr Leben drin. „Auf geht’s Arminia, Kämpfen und Siegen!“, brüllt die Süd. Zeit wird’s.

Corboz drüber. Mizuta weit vorbei. Jetzt sind wir bei etwa sechs Torschüssen. Lannert vor Block 3, flankt, abgewehrt, Lannert nochmal, hoch, JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Brüllen, Knäul, Herzen auf Block 3! MIZUTAAAA! Da isses! Mensch, wer hätte damit noch gerechnet? Wenigstens hat Block 3 die alten Reflexe noch nicht verlernt. „Für ein 5:0 reicht es nicht mehr“ – „Sollten aber schon noch was für die Tordifferenz tun…“

Kaito Mizuta hat die Marswüste mit der Lichthupe von der linken Spur der A33 gescheucht. Jetzt Vollgas bis zum Ziel! Konnte man die ersten 88 Minuten der Partie getrost zum Mars schießen, sehen die letzten zwei Minuten und die fünf Minuten Nachspielzeit tatsächlich nach Fußball aus. Bei Arminia und auch beim BVB, der Kersken noch einmal prüft. Jetzt hat Block 3 tatsächlich Schnappatmung beim Gedanken „Das wär’s gewesen“. Boujellab läuft auf den Dortmunder Strafraum zu. Ein Dortmunder hat sich in sein Trikot verbissen. Leider ist der trafraum nicht nah genug, um sich glaubwürdig in seinem Inneren fallen zu lassen. Sei’s drum, Arschkarte und Freistoß gibt es trotzdem. (Macht Boujellab übrigens echt clever in der Szene).

Und dann ist es vollbracht. Die Mannschaft feiert mit der Süd, Mizuta spielt seinen Mannschaftskameraden noch ein paar Mal seinen Kopfball vor (Knuffig!).
Arminia hat ein 0:0 gewonnen! Spielerisch ist da noch viel Luft nach oben, aber auf die darf man durchaus gespannt sein. Jedenfalls haben die Blauen nach Cottbus und Dortmund die maximale Punktausbeute. Und wie sagt nicht ein weises Wort? „Punkte, die wir jetzt haben, brauchen wir später nicht mehr holen.“
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