Arminia gegen Duisburg 0:3 – Fußballgott geht nicht ans Telefon

Arminia gegen Duisburg 0:3 – Rundumbeobachtungen von Jan- Hendrik Grotevent

„Deswegen bist Du nicht beim Training.“ – „Was?“. „Von wegen, Du bist krank und kannst heute nicht ins Studio. Auffer Alm biste!“. Ja, das ist er. Und der Trainingspartner, der offenbar keine elegante Ausrede hatte, auch. Neunzehntausendundganzpaar andere auch.

Der Rundumbeobachter auch, obwohl der mit einem beginnenden Grippo-Infekt durchaus eine Ausrede gehabt hätte. Aber Ausreden gelten nicht, genauso wenig wie Dauerkarten, und so verschlägt es den Rundumbeobachter bei Arminia gegen Duisburg in eine Ecke von Block J, in der er noch nie war. Gilt das noch als Südtribüne?

Arminia gegen Duisburg

Die Antwort gibt Sebi Wiese. Oder besser: Wir geben Sebi Wiese die Antwort mit dem obligatorischen „Hey!“ auf sein „Hallo Südtribüne“. Gut, das wäre geklärt. „Deutscher Sportclub olé“ erschallt mehrere Minuten lang. Als die Teams dann auf den Platz gehen, wird der Chant richtig schön laut. Die Blauen kommen flott ins Spiel, versuchen, die Zebras zu knacken, die Tribünen gehen mit. Aufstehen, Hinsetzen, Aufstehen, Hinsetzen – wenn das so weitergeht, gehen wir heute mit Oberschenkeln wie Vogi nach Hause.

Folgerichtig fordert die Süd: „Steht auf, wenn Ihr Arminen seid!“. Wir stehen auf, das 0:1 fällt, und alle setzen sich wieder. Nach seinem ersten Standard erzielt der MSV das 0:1 – damit war nicht unbedingt zu rechnen. In der Folge geht es hin und her, Arminia hat hunderttausendmilliarden Ecken, was brauch- oder verwertbares (lies: Ausgleich) kommt aber nicht dabei rum. Block J grenzt die Antipathen des Spiels beim Gegner ein: „Immer die 6, die 8, die [füge hier beliebige Nummer ein]“.

Mit weiterem Spielverlauf grenzt sich das auf die 6, die 7, die 17 ein. Nebendran ein formidabler Streit der Variante „Hinsetzen, ich sehe nix“ – „Dann geh doch zu Bayern“. Die Kontrahenten legen ihre Standpunkte auch den unbeteiligten Sitznachbarn dar, ohne auf größeres Interesse zu stoßen. Leute, unten spielt die Liebe unseres Lebens und ist dabei, nach dem Rückstand auch noch das letzte bisschen Faden zu verlieren.

„Die Liebe unseres Lebens kann uns keiner nehmen, aus der Kurve schallt es laut“, singen wir gerade, als Duisburg einen Konter ausspielt und auf 2:0 erhöht. Die Chants haben heute ein tragisches Timing. Wobei… aus der Kurve schallt es schon laut. Es gibt einige, die für sich und vor sich die „Liebe unseres Lebens“ in Frage stellen und sie damit nur bestätigen. Wenn ich Arminia nicht lieb hätte, würde ich mich nicht so aufregen.

„Ich hätte zu Hause entspannen können“, heißt es auf Block J, „Ich hätte auf’ne geile Halloweenparty gehen können“ heißt es auch. Und der Rundumbeobachter hätte die Rüsselpest kurieren können. Haben wir aber alle nicht. Wir sind hier. Liebe unseres Lebens. Die mit dem Halbzeitpfiff das 0:3 kassiert und mit einem donnernden Pfeifkonzert in die Gewölbe verabschiedet wird.

Halbzeit. Spiel wegbringen. In den Wegbringeinrichtungen wird ostwestfälisch kommuniziert. „Iwwa-e draußen“ – „Hä?“ – „Iwwa-e draußen“. – „Du warst draußen?“ – „Ich warte draußen.“ – „Is mir doch egal.“.

Der Rundumbeobachter fasst den Entschluss, auf die Ost umzuziehen. Ich finde, das darf ich. Wenn ich mir die zu erwartende Katastrophe schon angucke, will ich dabei bequem sitzen. Was sich prompt erledigt, da ich keine Beinfreiheit habe. Also die Haxen halb aufm Aufgang. Erste spontane Eindrücke aus der neuen Perspektive: Spiel: Arminia in 3-4-3, Kopfballchance Fabi, sonst Stochereien und kleine Fouls, die Luft ist erwartungsgemäß raus. Tribüne: Papa geht mit Kiddi Pipi, einer sagt zum anderen: „Ich habe gerade den Fußballgott angerufen, höhöhö…“. War die Mailbox dran, oder?

Pipi mit Kiddi, Bier holen, halbseidene schwarzweißblaue Offensivbemühungen, die Zebras auf dem Platz verwalten, die Zebras auf den Rängen feiern. Der Abend schleicht matt dahin. Wenn feuert Brian Behrendt denn da so leidenschaftlich an? Und warum? Fabi Klos hat sich ja nachher für die (Nicht)Leistung der Mannschaft entschuldigt. Er wäre als Fan nach der ersten Halbzeit gegangen. Okay, Entschuldigung und Selbstkritik sprechen einmal mehr für seinen Anstand.

Andererseits… Wenn jemand bei Dir zu Besuch ist, mit Deinem Lieblings-Arminia-Bierglas jonglieren spielt, es zerscherbt und sich nachher geknickt entschuldigt, spricht das auch für dessen Anstand, macht das Glas aber nicht mehr heile. Und irgendwie fühlt es sich merkwürdig, die Entschuldigung von jemandem zu hören, der die Glasscherben (mit) verursacht hat. Ohne Not.

„Oh Gott, jetzt hat Arminia den Ball“. Ruf doch nochmal an. Wenigstens ist auch hier der Zynismus Mittel zum Zweck: „Wo geht es nur lang mit Arminia?“ – „Weiß Arminia auch nicht“. Die Süd ist unfreiwillig zynisch: „So stehn wir hier auf unsere Alm, um jeden Gegner wegzuknalln.“. Fast jeden. „Steht auf, wenn Ihr Arminen seid“, und die Alm steht auch auf. Mit bleischweren Gliedern. Vereint in Tristesse, aber auch in großer, tragischer Tapferkeit. An den Fans liegt es nun wirklich nicht. Die Duisburger singen in einer Tour, dass sie die Zebras seien, aus Duisburg kämen und ihre Heimat das Wedaustadion sei. Gut, so finden alle der etwa 2.000 Zebras nach Hause. Oder können zumindest nach dem Weg fragen.

Spielhighlights: Prince an die Latte, Edu mit’nem schicken Distanzschuss. Sonst Stückwerk. „Nieten!“, heißt es pragmatisch, als mal wieder nix vorne ankommt. Fußballgott hat seine Mailbox immer noch nicht abgehört. Und das braucht er jetzt auch nicht mehr machen. Die Süd stimmt ins „Oh, wie ist das schön“ der Duisburger ein. Der SchiRi erspart uns die Nachspielzeit.

Pfiffe, Frust. Nach ein paar Augenblicken stellen sich die Jungs der Süd. In leicht unpassender Cowboy-Pose. Fabi kommt zu den Fans und entschuldigt sich vermutlich für Bierglas-Scherben. Die anderen kommen dann nach. Hartherz verschenkt sein Trikot. Ist auch anständig. Ist aber auch kein Lieblingsbierglas. Tja. Reaktion zeigen, bitte. Klebt die Scherben wieder zusammen. Ein paar Gläser haben die Fans noch übrig. Aber nicht mehr viele.

Bielefelder Glückshormon,,,wo biiiiist Duuuuu?

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