Arminia gegen FC Saarbrücken – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Bei Arminia gegen FC Saarbrücken muss endlich mal Schluss sein! Schluss mit wackliger Abwehr, Schluss mit unkreativer Defensive, Schluss mit Geiere, Schluss mit spielsystemischen Diskussionen, Schluss mit Freiburg-II-Spielen. Schluss mit seltsamen Verhaltensweisen wie aus einer stehenden Linie 4 am Hauptbahnhof in Richtung einer einfahrenden Linie 4 sprinten (völlig chancenloses Unterfangen), Schluss mit merkwürdigem Smalltalk an den Haltestellen („..und?“ – „Nee, ich weiß nicht, wie es ausgeht“)…
Nee, bitte kein Schluss mit den letzten beiden, die sind charmant und unverzichtbarer Teil mit Almbesuchen im Allgemeinen und Rundumbeobachtungen im Besonderen. Aber Schluss mit dem Rest!
Vor dem Spiel kommt der Kader vor die Süd. Gemeinsam wird sich eingesungen, gemeinsam wird sich eingeschworen. Der ganze Steherbereich (und sicher auch der Rest des Tempels) singt mit, klatscht mit, zieht mit. Nochmal unterstrichen und verstärkt durch die Choreo.
Und das beflügelt die Stimmung in den ersten Spielminuten. Wir-Gefühl! Arminia-Gefühl! „Vom Wahnsinn angetriebääään“, „Deutscher Sportcluuuub, Allez Allez Allez Alleeeeeeez!“, „Immer dabei in Ewigkeit“. Die Alm singt eine Viertelstunde durch und feiert sich. Und genießt sich, was selten vorkommt. Dazwischen gibt es ein bisschen Block 3 („Der Gohlke wird mal ein Großer“ – „Jau, 30 Millionen.“) und unten etwas Fußball, der ein bisschen chaotisch wirkt. Egal, wir sind erstmal vom Wahnsinn angetrieben.
Und das ist auch gut so, weil es auf dem Rasen wirklich ein bisschen chaotisch ist. Block 3 hat so gute Laune, dass ein ohne Not parallel zum Tor vorbei gespielter Querpass ins Toraus kichernd zur Kenntnis genommen wird. Man stelle sich vor, was los gewesen wäre, hätte Prietl in der letzten Saison so etwas fabriziert. Auch Kerskens wilden Sprint zur Mittellinie, an dessen Ende er den Ball fast noch neben die Seitenauslinie vorlegt, wird eher belächelt. Man male sich aus, das hätte Wer-war-da-noch-Torwart in der letzten Saison gewagt.
Saarbrücken? Die spielen forsch und sicher. Sie haben eine fette Die-hast-Freiburg-II-reingemacht-Chance. Und sie machen aus jedem Eckball ein halbes Wochenendseminar.
Arminia? Die Blauen kommen allmählich ins Spiel und bekommen ein paar Viertel- und Halbchancen. Das Offensivspiel sieht zu diesem Zeitpunkt im Ansatz ganz passabel aus. Allerdings ist das Saarbrücker Zentrum so dicht wie der Ostwestfalendamm bei Schnee, so dass Arminia oft dort steckenbleibt. „Mann, ein so ein Pass muss doch mal klappen“, wünscht sich Block 3 ein perfektes Anspiel.
Ansonsten goutiert Block 3 das aufkommende Spiel des DSC mit den handelsüblichen Gutturallauten: „Oah!“, „Joorrgh!“, „Ja, ja…nein“. Und Block 3 kommentiert. „So wie der Wörl heute Spiel, macht er ja tatsächlich mal Sinn.“. Oh ja, das tut er. Kurz vor der Halbzeit geht er durch’s Mittelfeld, schickt Mizuta nach links, der flankt, da ist die Birne… JAAAAAAAAAAAAAAAA! „Fabian?“ – „KLOS! FUßBALLGOTT!“, brüllt die ganze Alm. Auch in seiner 456637. Saison für Arminia trifft Fabi ins Schwarze.
Da war es wieder, das Arminia kämpft und ist effektiv-Gesicht. Leider haben unsere Blauen auch das bräsige Abwehr-Gesicht. Normalerweise zeigen sie das in zwei Spielen, heute in zwei Minuten. Ausgleich, Frust auf Block 3, 1:1 zur Pause.
Halbzeit. „Stefan, Dein Portemonnaie wurde gefunden und Du kannst es auf der Westtribüne abholen“. Hektische Griffe an diverse Taschen auf Block 3. Boah, gibt das viele Stefans hier.
Der Saarbrücker Torwart, der gekleidet ist wie ein japansicher Dauerlutscher, kommt vor die Süd. Arminia spielt auf unser Tor.
Hat das Spiel jetzt durch die zwei Tore kurz hintereinander eine neue Dynamik? Wer die Blauinnen gegen Fortuna Köln am letzten Sonntag gesehen hat, der weiß: Kann, muss nicht. Block 3 ist jedenfalls überzeugt: „Jeeeeeetzt!“.
Und was „Jeeeetzt!“ passiert hat in der Tat eine gewisse Dynamik. Nur nicht die, die die Postheide-Besucher letzte Woche erlebt haben und ganz sicher nicht die, die Block 3 prognostizieren wollte. Zur 15.Minute hatte der Rundumbeobachter tatsächlich „Abwehr okay“ auf seinem Kritzelblock stehen. Hat er beim Abfassen dieses Textes als erstes wieder durchgestrichen.
Fünf Gegentore in einer Halbzeit, sechs in einem Pflichtheimspiel insgesamt, ich weiß nicht, ob ich das schonmal erlebt habe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, aber bei Arminia sollte man niemals „Nie“ sagen. Los geht’s mit einer eingeköpften Ecke. Wochenendseminare scheinen was zu bringen. Block 3 reagiert mit noch relativ entspanntem Sarkasmus: „Zwei Siege hintereinander, das wäre mal was gewesen“,
Was macht die schwarzweißblaue Kapelle so in Richtung Tor, während sie demontiert wird? Wenig bis gar nichts. Es ist ein Spiel wie ein Freitag Abend: Leicht träge, leicht planlos, alles auf das Füße hochlegen am Ende ausgerichtet. Block 3 fordert „Fallrückzieher, Fallrückzieher!“, aber nicht mal „Ball anstoppen“ klappt. „Ist halt Liga 3“, stellt Block 3 kurz darauf lakonisch fest. Ist richtig, aber es ist auch die Liga 3, in der ein 1.FC Saarbrücken sechs Tore schießen kann.
Weiter geht’s mit einem Ballverlust im Mittelfeld, bei der ein öffnender Pass zwei FCS-Kicker frei spielt. Brünker, der das dritte Saarländer Tor erzielt, ist so allein in der Bielefelder Hälfte als wäre er nachts um Drei an einer Bushaltestelle in Wallenhorst-Rulle. Wie hätte Schuppan das verteidigt?
Ungläubiges Staunen (Entsetzen) auf Block 3: „Ich war nur kurz Piüi und jetzt das…“ – „Was? Du warst eine halbe Stunde weg.“. Das muss diese Schnelllebigkeit des Fußballs sein. Block 1 beginnt zu singen „Wenn Du spielst ist es so wunderbar“- bis zum Ende. Moralisch nachvollziehbar, aufbauen, hinter dem Team stehen und so, inhaltlich aber falsch.
Weiter geht der Mist mit einem frei stehen Saarbrücker, der nach einer Ecke locker einschießt. Und dabei so frei ist wie der Schiffbrüchige im Bierfass auf dem Pazifik. „Wie scheiße kann man sein?“, wütet Block 3, um kurz darauf zu dozieren: „Alles hier lassen, keinen Ärger mit nach Hause nehmen“. Das agtt sich leicht, wenn man Rundumbeobachtungen schreiben und den ganzen Mist dieses Spiels, den man wirklich schnell abhaken sollte, nochmal literarisch durchkauen muss. Bei welchem Gegentor war ich jetzt? Ach ja…
Was kam dann nochmal? Ach ja, Yildirim macht das 2:4. Tooooor. „Da geht noch was.“, fabuliert Block 3. Aus Prinzip. Mit einem dicken, sehr hörbaren Fragezeichen.
Denn natürlich geht nix mehr bei Arminia. Was geht, ist dies: Ein Saarbrücker hat mal wieder mehr Platz im Arminia-Strafraum als eine Marssonde im Weltall. Er fragt Kersken, wo er denn Ball hinhaben will, Kersken sagt „Da!“, der Saarbrücker schießt als erstes wirklich da hin, sagt dann „Jetzt darf ich aussuchen“ und erzielt Gegentor Nummer Fünf.
Kann übrigens auch Gegentor Nummer Sechs gewesen sein, mit zeitlichem Abstand komme ich da etwas durcheinander. Zumal es bei den letzten beiden Gegentreffern eh vergleichbare interstellare Abstände zwischen DSC-Abwehr und FCS-Angreifern waren. Tipp für die nächsten Trainingseinheiten: Wenn man „fußball defensives umschaltspiel“ bei Google eingibt, liefert das 53.900 Treffer. Da sind mindestens 50.000 gute für Euch dabei. Bei „Heimklatsche“ ist es übrigens gut die Hälfte. Einer davon ist DSC gegen FCS 2:6.
Wir gehen zu Arminia, „egal welche Liga“, sagt die Choreo. Wie auch schon vor dem Spiel sucht die Süd den Schulterschluss mit dem Team und feiert die Mannschaft minutenlang. Die Sache wird heute in allen Färbungen diskutiert, von „tolle Geste“ über „ich pfeif die aus“ bis hin zu „total überflüssig“ diskutiert. Ich kann nur von meinem Eindruck berichten: Es fühlte sich sehr skuril an- wir haben das halbe Dutzend kassiert, nicht geschossen.
Aber es fühlte sich auch gut an. Wir-Gefühl! Arminia-Gefühl! Ein Gefühl, das vor dem halben Dutzend da war und das halbe Dutzend lange überdauern wird. Und wir alle sollten so ehrlich zu uns sein, dass es das Wir-Arminia-Gefühl ist, das uns alles, was unsere ostwestfälische Gloria uns bietet, ertragen lässt und uns aneinander bindet. Und es ist keinesfalls falsch, das zu beschwören.
Fabi macht noch den Kinski…
…was genau passierte, war im toten Winkel. Wat sacht Block 3? „Nein“ in allen Facetten, Klangrichtungen und frustrierten Spachfärbungen. „Alles hier lassen, nix mit nach Hause nehmen“ (außer dem Wir-Gefühl)- das scheint das beste zu sein. Also enden diese Rundumbeobachtungen so, wie sie begonnen haben: SCHLUSS DAMIT! Ganz schnell. Und in Verl gewinnen.
Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit jeder Menge schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten. Auch zum Thema „DSC und Derbys“. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?