Arminia gegen Freiburg 0:0 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
„Happy Places“ sind Orte und Situationen, die wir mit Glücklich sein assoziieren. Gestern, nach fast einem Jahr, haben wir Arminen begeistert feststellen dürfen, wie viele Happy Places es rund um unsere ostwestfälische Gloria gibt. Die Tatsache, dass ich endlich wieder Rundumbeobachtungen schreiben kann, ist nur einer davon. Genießen wir Arminia gegen Freiburg!
Da ist der Siggi, der voll ist mit Leuten in schwarzweißblau.
Da ist die Straße vom Siggi zum Kreisverkehr, wo die Baustelle immer noch da ist. Sie war vor der Pandemie schon da und wird noch drei Epsilon- Sigma- und Gamma-Wellen, ostwestfälischen Regen und vier Atomschläge überdauern.
Und dann ist da die Alm. Und dann ist da Block 3. Da steht man wieder zwischen anderen Arminen. Man hört die Musik, man riecht diese Mischung aus Qualm, Schweiß, Bier und Glückshormonen. Man sieht die Tribünen, das Grün, begrüßt die Jungs mit Applaus und dem ersten „Bie-le-feld!“. Man erlebt, wie sich Leute auf Block 3 nach langer Zeit wieder herzlich begrüßen („Oa nööö, Du auch wieder hier. Arschlöcher raus!“). Wir. Sind. Wieder. DAAAAA!!!!! Und so gerührt wie gestern waren wir bei der Hymne vermutlich noch nie.
Und das Almpublikum haut sich – wie auch die Blauen auf dem Platz – richtig rein. Ein donnerndes „BIE-LE-FELD! BIE-LE-FELD!“. Zum ersten Mal „Immer dabei“.“Aufstehen!“ und alle stehen. Lauter Wechselgesang. Man könnte meinen wir hätten ein Jahr Entzug gehabt. Haha. Und wie wir den hatten. Bezahl-TV gucken, online erzählen, dass Klos den machen muss und sich Normalität einreden ist eben doch kein Almauftrieb. „Oh, wie ist das schööööön!“. Happy Place.
Wir sind auch weiter laut, obwohl der Gast aus Freiburg langsam aber sicher das Kommando auf dem Hybrid übernimmt. Erst saust ein Distanzschuss links an Tegos Pfosten vorbei, dann fliegt unsere Nummer Eins und schnippt einen Kopfball über den Balken. Block 3 hat es derweil mit dem SchiRi. Der eigentlich ja recht sympathische SC Freiburg ist ein ganz schlechtes Vorbild für die Kinder im Stadion. Schmeiße Dich oft in den Dreck, irgendwann wird Papa, äääh, SchiRi dann schon weich. Mache weiter, wenn Du merkst, es klappt. Und wenn Papa, äääh, SchiRi nicht spurt, dann beschwere Dich so lange bei ihm, bis Laursen seine Gelbe kriegt. Kinder, guckt weg.
Macht lieber bei der Stimmung mit, die ist nämlich immer noch toll. Die Süd hat, wenn auch ohne aktive Fanszene, die Initiative. Aber manchmal kommt auch ein Auftakt aus Einzelecken, wie der Nordtribüne. Die Mannschaft wird von allen Seiten versorgt. Eine Alm in Dolby-Surround! „Das ist man fast nicht mehr gewohnt, aber ich könnte mich schnell wieder daran gewöhnen.“, sagt Kramer nach dem Spiel. Na ja, auf der Alm ist Frank Kramer das ja eigentlich noch gar nicht gewöhnt. Generell stehen die Chancen stehen nicht so schlecht, dass er sich an eine wohlgesonnene Alm gewöhnen wird. Schneller als Kramny bestimmt!
„Stefan Orteeega!“ brüllt das Publikum. Unser Keeper rettet zweimal sensationell und hat sich die Ovationen verdient. Huiuiui, wir könnten gut in Rückstand liegen, zumal Unsere aus ihrer guten Spielanlage nach vorne kaum etwas machen. Muss Kramer nochmal mit der Feile bei, wie wir Ostwestfalen sagen.
Block 3 studiert derweil die Mannschaftsaufstellung des badischen Kontrahenten. „Jeong?“ – „Japp.“- „Wo kommt der her?“ – „… … Asien?“. Ja, ist jetzt nicht falsch, ich weiß, Aber meinereiner stellt sich dann gleich eine asiatische Nationalmannschaft vor, in der Jeong mit Ali Daei zusammen spielt. Oder mit Okugawa, der gerade die fetteste Arminia-Chance bisher vergibt und für die ersten im Kollektiv fassungslos aufgesperrten Münder sorgt seit Vogi in Wiesbaden den Elfer verschossen hat. Flekken einmal gut gegen Okugawa, Tego ein paar Mal gut gegen ganz Freiburg. Torlos nach 45 Minuten.
Halbzeit. Noch gibt es keine wesentlichen Erfolgsberichte von der neuen Bezahlungsmittel-Front, außer dass der EC-Kartenleser am Wurststand funktionierte. Wie ich uns kenne, wird da aber noch reichlich kommen. Übrigens ist das einzig wahre Arminia-Zahlmittel immer noch die Weeeertmarkäää von der Postheidääää…
Stattdessen etwas Werbung in eigener Sache: Wie Ihr seht, haben die Rundumbeobachtungen/hat der Rundumbeobachter jetzt eine eigene Webseite. Die Idee mit dem schwarzen Hintergrund hatte ich übrigens noch vor Arminia, Arminia war nur schneller fertig. Jedenfalls seid Ihr herzlich eingeladen, die Seite zu teilen- die Spielzeiten und Texte seit 2018 stehen hier. Der Rest davor (seit 2012) wird auch noch nachkommen. Stöbert gerne herum und falls Euer Lieblingstext nicht dabei ist, kommt wieder. Er wird entweder noch hochgeladen oder noch in dieser Saison geschrieben.
Block 3 stellt sich zur zweiten Halbzeit auf. „Du warst drei Minuten schneller als ich“ – „Hättest ja noch eine rauchen können“. Ja, auf die alte Tradition des Drei-Minuten-zu-spät-zur-Zweiten-Halbzeit-kommen wollen wir auch in der Zeit nach Fußball-Corona nicht verzichten.
Sebi Wieses Mikro ist heute sehr leise eingestellt. Nicht, dass mich das groß stört, aber so hört man auch nicht, was da gerade gefunden wurde und wer es sich in der Stadionregie abholen kann. Und vor allem wie. Wir kennen doch unsere Ordner. Nur, weil sein Kind in der Stadionregie abgegeben wurde, machen die einem doch die Sektorentrennung nicht auf. Alldieweil werden, klassisch, klassisch, die Freiburger Auswechselspieler geschmäht, die sich vor der Süd warm machen dürfen. Auffällig: Bei ihnen ist ein hochwichtig agierender Typ mit Headset. Security? Ein Spielerberater, der den Anruf aus Barcelona nicht verpassen will? Ein Betreuer, der nebenbei badische Lotterielose am Telefon verscherbelt? Der Hubschrauberpilot der Freiburger?
An dieser Stelle bauen wir einfach mal Okugawa auf. Unser Japaner wuselt, rast und fightet wie verrückt und vergibt noch zwei dicke Chancen. Dann muss er angeschlagen raus. Kopf hoch halten, Okugawa-San! Fabi (in den Okugawa gefühlt sechsmal reinpasst) schmiert ihm bestimmt ein tolles Butterbrot!
Danach bekommt der SC Freiburg wieder ein bisschen Oberwasser und jede Menge Freistöße. Weil das mit dem Papa, ääh, SchiRi immer noch klappt. Nachdem man endlich wieder „Der hat schon gelb!“ gebrüllt hat, lässt Block 3 ein tonloses, atemloses, laaanges „Aaaaarschloch!“ hören. So richtig gespensterschlossmäßig. Ey, Geisterspiele sind vorbei.
Jetzt schwimmen sie aber doch ein bisschen hinten…es gibt jede Menge Ecken für Freiburg, Jonathan Schmid auf rechts (der, dessen Frisuren selbst Keanu Staude-hooii- als zu radikal abgelehnt hätte) kriegt viele zweite Bälle…aber unterm Strich geht alles gut. Der erste Punkt der Saison ist im Lager. Nehmen wir mit, es hätte ohne Tego durchaus anders ausgehen können. Was wir haben, brauchen wir später nicht mehr holen.
Wir feiern unser Team, bis die Alm ihre endgültige Parkposition erreicht hat und wir unsere Auslassphase bekommen. Schließen möchte ich die ersten Rundumbeobachtungen seit Anno Flattermann mit einer während der Block 3-Auslassphase gestellten sehr ostwestfälischen Frage „Und? War’s gut, mal wieder hier gewesen zu sein?“ und einer sehr ostwestfälischen Antwort: „Jou.“. Schon okay, ne.
Das Wort des Tages ist: „Auslassphase“. Ein Wort, mit dem man herrlich herumspielen kann. Gleich mal ins Büchlein kritzeln für später: „Für die nächsten zehn Minuten hat Block 3 seine Auslassphase und lässt sich über den SchiRi aus“. Und die ganzen anderen Bilder, die mir bei „Auslassphase“ einfallen und die man nicht mal auf schwarzem Hintergrund schreiben kann.
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