Arminia gegen Gladbach 6:5 i.E.

Arminia gegen Gladbach – Rundumbeobachtungen DSC14/15-24 von Jan-Hendrik Grotevent

Nun ist es also soweit: Arminia gegen Gladbach im Viertelfinale des DFB-Pokals. Laut NW ist eine ganze Stadt im Pokalfieber. Ein großes Spiel auf der ausverkauften Alm in einem Wettbewerb ohne Drittliga-Alltag. Ohne daß wir um ein böses A…Wort zittern müssen. Perfekte Abwechslung! Es herrscht …Vorfeude!

Das ganze Gemecker und Gezeter während des Vorverkaufs, das Warten auf die Tickets, das Übernachten vor der Geschäftsstelle, die Empörung über Schwarzmarktdealer, das Der-ganzen-Welt-per-Upload-zeigen-wie-eine-Almkarte-aussieht…Bei uns gehört das zur Vorfreude dazu! Wie schon beim Bremen-Spiel gesagt: Laßt uns einfach den Moment genießen und Spaß haben! Spaß ist lebenswichtig und man kann ihn unabhängig vom Ergebnis haben.

Arminia gegen Gladbach

Die Fohlen-Fans sind übrigens mit dem „Fußsonderzug“ angereist. Mit der Bahn wären sie auch nicht schneller gewesen. Stimme auf dem Bahnhof: „Hä? Ist heute irgendwie Fußball?“ (Soviel zur Stadt im Pokalfieber). Es kribbelt vor dem Spiel. „Na? Auch zum Spiel geschafft?“ – „Nee, wir waren nur zufällig in der Gegend.“. „Best of Pokal mit Uli Zweetz“ stimmt die Alm ein. „DSC allez!“ dröhnt von der Süd. Zum Einlauf der Teams gibt es eine einmal mehr schicke Choreo.

Gladbach ist erstmal feldüberlegen, spielerisch überlegen ist der CL-Anwärter sowieso. Die erste dicke Chance des Spiels hat Arminia. Sommer pariert einen Distanzschuß von Hemlein. „Auf geht’s, Jungs, Auf geht’s!“, überschlägt sich eine Stimme auf Block 3. Die Blauen haben auch die zweite Chance des Spiels, als Brouwers eine Hereingabe von Schuppan auf die eigene Kiste lenkt und Sommer wieder zur Stelle ist.

Kurz darauf geht eine Gladbacher Hand im Strafraum zum Ball. SchiRi Stark läßt weiterlaufen, was Junglas furchtbar aufregt und ihm eine Gelbe einbringt. Fabi beruhigt ihn. Oder vielmehr: Dreht ihm die Luft zum Schimpfen ab. Das will was heißen, wenn FABI jemanden vom Meckern abhalten muß. Man sieht: Die Jungs sind bei der Sache. Die Tribünen auch. „VfL! VfL!“ vom Gästeblock. „Bie-le-feld! Bie-le-feld!“ von Süd und West.

In der 26, Minute kommt Junglas an den Ball, schlenzt und…es explodiert. „No Limit“ donnert. Und dann geht das Zittern los. „…die werden doch nicht…die werden doch nicht…nein…nein…“. Nachher sagt es sich einfach: Doch! Falls wer das Resultat tatsächlich noch nicht weiß und jetzt beleidigt ist: Willkommen zurück aus dem Kälteschlaf! Sechs Minuten später geht Hemleins Hand im Strafraum zum Ball, diesmal gibt Stark den Strafstoß. Max Kruse verwandelt zum 1:1.

Die Alm hat daraufhin den Pfeifenmann richtig lieb. „Schieber!“, „Ohne SchiRi habt Ihr keine Chance!“, „Münsterschwein!“. Der Linesman vor der West hatte zumindest ein Knutsch-mich-ich-bin-süß-Gesicht wie die Tintenfische im Zoo hier in Münster. Der Elfer für Gladbach war korrekt.

Die Sache ist, daß ein Elfer für Arminia vorher genauso berechtigt gewesen wäre. Wird Zeit, daß das mal konsequent aus- am besten festgelegt wird. Hand im Strafraum => Elfer. Fertig, aus. Die Stimmung auf der Alm wird durch den Ausgleich nicht getrübt, im Gegenteil.

Die Gladbacher singen, wir singen. Ist geil laut heute. Süd, West, Ost, Berichten zufolge sogar die Nord, gehen voll mit, klatschen, singen, brüllen. Der Zaun vibriert. Toll, im Seitenblick die Wogen auf der West zu sehen, wenn sie alle miteinander aufstehen. Geil! Debatten, die man in dem Moment nicht hören will, aber trotzdem hören muß: „Das Kind kann nichts sehen, mach bitte Platz“ – „Neee!“ – „Aber das Kind ist…“ – „Neeee!“ uswuswusw. Die Begegnung auf dem Acker ist intensiv, was Wildes passiert aber nicht mehr.

Halbzeit. Es kribbelt. Pokal-Feeling. Aber an der Wurstbude ist alles wie immer. „Fünf Bratwurst bitte!“, brüllt jemand in der siebten Reihe, „Fünf Bratwurst bitte!“. Beschleunigungseffekt durch diesen Zuruf: Nullkommanull. Dummerweise sagt der Wurstverteiler hinter der Theke zum Bestellungsbrüller, als der dann tatsächlich an der Reihe ist: „Ja, ist gut, ich hab‘ Dich gehört.“. Na toll. Jetzt meint der, er hätte alles richtig gemacht.

Währenddessen bekomme ich einen Grundkurs in Wurstkunde: „Das heißt eigentlich gar nicht ‚Bratwurst‘, sondern ‚Grillwurst‘. Die werden ja nicht in der Pfanne gebraten, sondern auf Holzkohle gegrillt!“. Hm, stimmt. Dann hätte man den „Fünf Bratwurst bitte!“-Brüller wegschicken müssen. Seine Bestellung war nicht ordnungsgemäß. Auf dem Schild über der Bude steht übrigens „Rostbratwurst“. Was heißt das jetzt? Ich bin verwirrt und werde eine Woche lang schlecht schlafen.

Die Alm ist – tatsächlich? – ausverkauft. 2.500 bis 3.000 Gladbacher waren da. Sofern sie überhaupt nach Bielefeld durften. Da die Partie als hochriskant eingestuft wurde, sprach man im Vorfeld Betretungsverbote aus. Obwohl sich beide Lager seit Jahren nicht begegnet sind und auch vorher kaum etwas miteinander zu tun hatten.

Sottocultura und Lokal Crew äußerten sich im Vorfeld, heute gibt es Transparente von beiden Seiten. Hieß es nicht mal, daß die Auflagen gelockert würden? Ja. Außer bei Risikospielen. Was das ist, entscheiden die Zuständigen nach Tageslage. Die Entscheidung „Risiko oder nicht“ scheint der Hebel einer Strategie zu sein, nach außen locker zu wirken, aber trotzdem jeden Sicherheitswahn durchziehen zu können.

Gladbach ist mal sowas von feldüberlegen…Aber Arminia kämpft. Brinkmann scheitert an Sommer. Hemlein und Fabi versuchen es mit Kopfbällen. „van der Ven hätte den gemacht!“, weiß man auf Block 3. Studti auch. Seit wann gibt es Erbsensuppe auf der Alm? Und kommt die vom Rost, vom Grill oder vom Brat? Mann, bin ich nervös…

„Ein Tooor, ein Toor…“. Sieht aber nicht danach aus. Arminia hat im letzten Viertel des Spiels die Offensive eingestellt. Schade eigentlich, Räume wären da gewesen und mit ein bißchen Konzentration…Aber das ist nicht der Abend, um das Offensivspiel zu kritisieren. Vielmehr muß man die Defensive loben. Super aufmerksam, jedem Ball hinterher, immer richtig gestellt.

„Zieh ihn wech!“, brüllt Block 3, und auch den Klassiker: „Hau’n um da!“. Exemplarisch sei Florian Dick genannt, der eine unglaubliche Übersicht hat und immer, wirklich immer richtig steht. Insgesamt ist die taktische Leistung der Blauen überragend. Mit der Einwechslung von Raffael kommt noch einmal Schwung ins Spiel der Fohlenelf. In der Schlußphase geht ein Ball ans Aluminium, kurz darauf muß Schwolow sich auszeichnen. Die reguläre Spielzeit geht unter Applaus zu Ende.

Verlängerung. Der Achtungserfolg ist uns, den ostwestfälischen, drittklassigen Außenseitern, schonmal sicher. Ab jetzt ist alles egal…oder alles drin. Dick eröffnet die Extra Time mit einem Distanzschuß. Auf Block 3 steigt der Alkoholpegel. „Schullijung, i‘ bin besoffen…“, sagt einer. Zum Zaun. Der Rest der Ränge hat noch Kondition, die Stimmung ist weiter phantastisch, von beiden Seiten.

Bei den Aktiven auf dem Rasen läßt die Kondition merklich nach. Müller ist kurz davor, mal wieder auf den Rasen zu kübeln, für ihn kommt Ulm. Letztes Highlight der Verlängerung ist die Ankündigung, daß der Fußsonderzug der Gladbacher das Ende des Spiels abwartet. Na, wer hätte wohl damit gerechnet? Diese unfreiwillige Pointe überspielt den spontanen blasphemischen Gedanken „Wie komme ich eigentlich wieder in die Stadt mit Linienrichtern im Zoo?“ (Es wurde ein Fußsonderbus, aber das ist eine andere Geschichte). Schluß, Ende, aus, Elfmeterschießen.

Es gibt richtig coole Säue auf Block 3. „Aaaah, endlich hinsetzen! Da warte ich schon den ganzen Abend drauf! Hab‘ extra’ne schlechte Hose angezogen.“. Wow! Wie stelle ich mir das vor…Da steht jemand morgens auf und zieht eine schlechte Hose an, damit er sich zwischen Verlängerung und Elfmeterschießen auf die Süd setzen kann. Nerven wie Panzerglas! Die brauchste auch beim Shoot-Out. Das Feeling, die eigene Mannschaft im Elfmeterschießen zu sehen, kann man kaum beschreiben. Selten war ich dem Zaun so dankbar für seine Existenz, hat er sich doch zum Festkrallen zur Verfügung gestellt.

ZitternZitternZittern! Frust nach Lorenz‘ Fehlschuß. Dann sehe ich Schwolow nach rechts fliegen…an die nächsten Minuten kann ich mich nur schemenhaft erinnern. Irgendjemand liegt mir in den Armen, heult wie ein Schloßhund und brüllt: „Berlin ist egal…aber…geil, nein, geil, Waaaaahnsinn…“. „Alle auf den Zaun“ habe ich wohl auch fotografiert. Oh Mann. Die deutschen Meister der letzten sechs Jahre sind im Halbfinale. Und…WIR!!! Jeder kann an diese Stelle eigene Superlative ergänzen, Arminia hat sie sich alle verdient! Welches Organ filtert eigentlich Endorphine aus dem Blut? Auf jeden Fall hat es gut zu tun.

TerrorSittich…lasst gerne ein Abo bei ihm!

Das war also das Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Mönchengladbach. Das Pokalfieber geht weiter. Es gibt noch mindestens ein „Bonus-Spiel“ (Sebastian Wiese). Es war geil, super, unfaßbar! Der Countdown läuft zur nächsten Vorverkaufshysterie. Fehlt eigentlich nur noch das böse A…Wort. Und bis das nicht eingefahren ist: Laßt den Bonus einen Bonus sein. Laßt uns einfach alle Spaß haben! Und gemeinsam mit Turbine Potsdam gegen Radkäppchen und den bösen Golf ins Gefecht ziehen!

Danke für den geilen Abend, liebe Arminen, liebe Alm, liebe Jungs in schwarzweißblau!

Lohmann hat nicht gesungen. Weil es nicht in das Marketingkonzept des DFB-Pokals paßte. Oder weil er keine Hymne hat. Die er in diesem Falle bekommen sollte.

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