Arminia gegen Halle 0:0 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Arminia gegen Halle- Endspiel für die Blauen. So wurde es kommuniziert. Dabei ist es eigentlich keins. Es ist so ein halbes. Denn selbst bei einer Niederlage würde der DSC überm Strich stehen. Dann gäbe es das andere halbe Endspiel nächste Woche in München. Das wäre dann ein volles Endspiel und Arminia wäre zum Siegen verdammt.

All diese Gedanken führen dazu, dass das Match gegen Halle vor allem als Endspiel gefühlt wird. Erste Frage, als Block 3 geentert ist: „Bist Du genauso nervös wie ich?“. Ja, verdammt, bin ich!

Auf der Alm herrscht Endspiel- Stimmung. Von Beginn an ist es richtig laut und in den ersten Minuten braucht das Team den Support: Gleich zweimal hat der HFC die Chance zur Führung, gleich zweimal wird der Gesang von Schnappatmung unterbrochen. Block3 verliert das Ziel nicht aus den Augen: „Stand jetzt haben wir den Klassenerhalt.“ Nach vier Spielminuten. Vor fünf Minuten war es noch ein ganzes Spiel.

Um die Situation noch einmal klar zu stellen: Ein Punkt reicht zum Klassenerhalt. Nach dem furiosen Hallenser Auftakt kriegen die Blauen die Partie in den Griff und spielen selbst nach vorne. Oder so was in der Art. „Und wir lassen Dich niemals allein, werden immer bei Dir sein!“, brüllt das Stadion. Oh ja, das stimmt! 25.000 Zuschauer, davon 23.000 für Arminia. Stand 11 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Auf dem Rasen ist viel Hektik und noch mehr Präzisionsdefizit. Bei beiden Mannschaften. Die Spielkultur folgt der Logik des Stimmgewirrs auf Block 3. „Sind die anderen weg?“ – „Wen meinst Du?“ – „Nicht so wichtig“ hört sich so an, wie ein Pass in die Offensive aussieht. Und „Halt die Schnauze, wenn Du mit mir redest“ ist fast ein Ausspruch gewordener Torschussversuch.

„Vor zwei Jahren noch erste Liga, ey, kannste keinem erzählen“, ergeht sich Block 3 in kurzzeitiger Bitternis. Ja, unseren Niedergang kennen wir. Und aktuell steht die Tür nach Röding oder Ober oder sonst irgendein Hausen noch offen. Und man braucht jetzt im (halben) Endspiel auch nicht schon wieder mit Hack oder Serra um die Ecke kommen. Die Aktualität ist fordernd genug. Und in der sind Arminias Freistöße und Halbfeldflanken schon seit ein paar Spielen grausam anzusehen. Soll im (halben) Endspiel aber nicht stören. Stand 30 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Oppie… aaaargh! Fabi… AAAARGH! Nochmal Oppie… AAAAAARGH! „Deutscher Sportclub Alleeez!“ und lauter Wechselgesang. Die Fans geben alles. Für die Dritte Liga 2024/2025. Und danach sieht es aus. Stand 45 plus 2 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Halbzeit. Wir Arminen stellen ja gerne Rekorde auf, bevorzugt negative. Hier einer aus der Kategorie „völlig unnützes Wissen“, so für die Halbzeit: Die polnische Nationalspielerin und frisch gebackene Pokalsiegerin Ewa Pajor ist die einzige Person, die es geschafft hat, innerhalb einer Saison sowohl für die erste als auch die zweite Mannschaft ihres Vereins gegen Arminia Bielefeld zu treffen. Arabi raus!

Zum Wiederanpfiff meint Block 3 mit aller zur Verfügung stehenden Sicherheit (also mit viel Zittern in der Stimme): „Jetzt wird’s besser“. Hey, es war nicht so schlecht, selbst wenn sich auch das bisher rundumbeobachtete so liest. Arminias Defensive war richtig stabil und sicher und nach vorne wurde gespielt, wenn man die Gelegenheit dazu sah und wahrnehmen wollte. Ja genau, wie eine Taktik, die sagt „0:0 reicht uns“. Gut fürs Ergebnis, aber seeehr schlecht für die Nerven. Stand 50 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Welche Taktik soll man auch erwarten, wenn es auf die Süd geht? Das letzte Tor vor Block 3 und Nachbarschaft ist exakt 231.752 Minuten her. Hinspiel gegen Aue. Mizuta. Dazwischen liegen Weihnachten, Silvester, Neujahr, die Handball- Europameisterschaft, die Meisterschaft von Bayer Leverkusen (Männer), eine komplette Drittliga- Serie, der Pokalsieg des VfL Wolfsburg (Frauen) und das Rückspiel in Aue. Ist dann überhaupt mehr als ein 0:0 drin? Jedenfalls- Stand 55 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Aber Halle spielt jetzt etwas forscher. Arminia nicht so, wenn auch ruhig und sicher. Aber insgesamt tut das den Nerven nicht gut. „Macht mal watt“, fordert Block 3 und stellt fest „Der kann noch nicht so richtig“. Okay, wer kann was noch nicht so richtig und wann ist es soweit? Im Rückblick auf die Saison keine einfachen Fragen…

Tore wollen jedenfalls nicht auf die Kiste vor der Süd fallen. Halles Keeper Müller fummelt einen Schneider-Kopfball über die Stange, AAAAARGH! Wörl scheitert ebenfalls am Tormann. Klos – „Komm, FABI!…“… auch.

Block 3 hat Vertrauen in Klos. Und seinen Status. „Ey, das is’n Fußballgott, Du Wixer“, heißt es bei einem Foul gegen Klos. Ob der HFC- Kicker das nicht gewusst hat? Ob er es gewusst hat und trotzdem den Ball erobern wollte? Hach, immer diese schwierigen Kontexte… Wie das wohl wird, wenn der Fußballgott und schwarzweißblaue Avatar für alle ostwestfälischen Emotionen abtritt? Dem Abschied unserer Nummer 9 wird der Rundumbeobachter demnächst ein paar Extra Zeilen widmen, hier geht es um den Klassenerhalt. Stand 70 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

„Hattest Du nicht 2:0 gesagt“ – „Nee, das war die Mama, ich hab’ 1:0 gesagt“. Hätte Block 3 am besten „0:0“ gesagt, denn es sieht nach nichts anderem aus. Halles Fans haben die Parole „Kämpfen bis zum Ende“ ausgegeben. Und die Herren aus Sachsen- Anhalt strengen sich an, finden aber kein Mittel gegen Arminias aufmerksame Defensive. Und können keine Distanzschüsse. Und „Ey, Ihr macht unsere Bande kaputt“, wie Block 3 gesehen haben will. Stand 77 Minuten haben wir den Klassenerhalt.

Gohlke und Özkan kommen bei Arminia ins Spiel. Beton angerührt, Bus geparkt, in lübischem Stil Stacheldraht gezogen. Was Chemie Halle natürlich eine gewisse Feldüberlegenheit beschert. Und Block 3 einen erhöhten Pulsschlag. „Jetzt macht mal wat!“, „Fangt an zu laufen“. Nicht mehr wirklich. Stand 86 Minuten haben wir den Klassenerhalt…

…aber „Wird noch spannend“. Richtig, Block 3. Man sieht von der Süd, wie der Angreifer von rechts in den Strafraum zieht. Und abschließt. Man sieht, wie Kersken nicht mehr rankommt. Man denkt, „Das war`s“… und dann ist das Ding am Pfosten. Da war der Pulsschlag nicht mehr erhöht, da hat er kurz und gewaltig ausgesetzt. Mannomannomannomannomann…

Aber Stand 90 plus vier Minuten haben wir den Klassenerhalt. Sicher, fest. Kurzer, lauter Jubel beim Schlusspfiff, eher ein Aufatmen. Wat sacht Block 3? „Ein 0:0 der besseren Art.“. Nun denn.

Arminia hat es mit einem blauen Auge nach Hause gebracht. Das Endspiel ebenso wie die ganze Saison. Ob man jetzt die Tatsache feiern soll, dass der Absturz nicht so radikal weiterging wie die letzten beiden Jahre sei dahingestellt. Freude ist da, aber mir ist wenig nach Feiern, das soll aber jeder fühlen, wie er oder sie möchte.
Eins ist aber symbolisch: Nach Fabis Verabschiedung wird nochmal die Hymne gespielt. Die Alm ist immer noch voll. Alle sind immer noch da. Und wir empfinden uns, wir empfinden unsere Arminia und wir empfinden uns alle als Arminia. Auch nach den letzten Jahren. Schwarzweißblau schweißt zusammen. Unser Herz schlägt nur für Dich, Arminia Bielefeld! Mag dieses Gefühl auch eine Heilung für die Seelen derer sein, die schon jetzt den Abstieg 2025 prognostizieren und Arminia eine „Bedeutungslosigkeit“ andichten wollen. Solange das eben geschilderte Gefühl da ist, ist Arminia niemals bedeutungslos!

Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit jeder Menge schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?