Arminia gegen Hannover 96 2:0 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
„So. sind alle da?“, fragt Block 3. Moment, wo? Ach ja, ein schöner Samstag Nachmittag auf einer ausverkauften Alm, mit knisternder, aufgeregter Atmosphäre. Wie schon im letzten Jahr eine wunderbar angerichtete Tafel für ein fettes Pokalmahl. Heute ist es Arminia gegen Hannover 96. Und der Tempel ist ausverkauft, also sind tatsächlich alle da. „Na, denn könnwa ja anfangen!“. Richtig, Block 3.

Der Pokal soll ja seine eigenen Gesetze haben. Auf jeden Fall hat er sein eigenes Gefühl. Man ist „der Unterklassige“ und hat die Möglichkeit des Ausscheidens immer im Hinterkopf. Aber da ist dieses Gefühl, dieses „Vielleeeeeicht, wenn… oder…“, dieses „die sind an einem guten Tag machbar“. Diese Mischung sorgt für eine besondere Anspannung, die sich im kleinen in nervöser Artikulation auf Block 3 (erste Offensivaktion der Blauen => „Mmpf… AAAH… dddidfljkb“), im Großen in lauten Chants auf der Süd Bann bricht. Es geht ab!

Und auch Arminia auf dem Rasen geht gut ab. Wenn man als „der Unterklassige“ eine Chance haben will, zeigt man am besten sofort die Zähne. Arminia zeigt heute Zähne, zwischen denen ein Messer steckt. Selbstbewusst, bissig, mit viel Schwung gehen die Stürmer in dem blauen Hemd nach vorne. Unsere Freunde von 100 Kilometer die A2 hoch kommen kaum zur Entfaltung. Und wenn, stellt die schwarzweißblaue Defensive sie zu, läuft sie ab, gewinnt die Zweikämpfe.

Ein knappes Viertelstündchen ist rum, als Arminia über die rechte Seite angreift – da hinten vor der Nordtribüne. Wörli holt sich den Ball, rennt,… „EEEEY, FOUL…. JAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!“. Wie André Becker den Ball eingeschoben hat, sieht Block 3 nicht genau (nachher gibt es sogar die Theorie eines dämlichen Hannoveraner Eigentores, weil die Roten einen ihrer Mannen nachher trösten), aber wir sehen das Netz wackeln und das recht zum Abgehen! Neuer Spielstand?

Und die Alm geht weiter ab. Und die Blauen auf der Wiese gehen weiter ab. Hannover hat zwar die erste gefährliche Chance, aber dieses Spiel ist eine Einbahnstraße. Oppie am Ball. „Oppie, hlat’ draaaauf!“, brüllt Block 3. Tut Oppie prompt. „JAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!“, brüllt Block 3 und vollzieht die bei Toren üblichen Veitstäntze, Freudentränen und Herzereien. „Was ein Strahl!“, schwärmen wir, als wir uns entknäult haben. Und mit was? Mit Recht!

Wirklich klasse, was Arminia da zum Pokal- Mahl serviert. Da hängt Block 3 in bester Homer- Simpson- Manier die Zunge raus. „Ist das geeeeeil!“. Sogar die Schnappatmung, als Kersken zweimal kurz hintereinander retten muss, fällt klein aus. Block 3 feiert, goutiert und genießt. „Wieso is’n in Deinem Bier noch was drin? Mach’ alle und hol’ neu!“, „Hach, die Sonne kommt raus!“

„Oppie, von da!“, fordert Block 3 den nächsten Einsatz des feinen linken Füßchens unserer Nummer Vier. Als der in Höhe der Mittellinie ist. Und einwirft. Nicht ins Tor. Nun ja. Das gehört zu den wenigen Dingen, die heute nicht klappen. Muss auch sein. Zum Pausenpfiff gibt es Applaus. Und nichts anderes, wirklich nichts anderes hat Arminia sich verdient.

Halbzeit. „Wer holt Bier?“ – „Du.“ – „Nee. Ich bin doch hier.“ – „Ach so…tja…“. Wenn man die Bierbuden in der Pause nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, könnte man die Selbstversorgung mit Gerstensaft angesichts solcher Dialoge für ein Mysterium halten.

Zweiter Durchgang. Arminia spielt auf die Süd. Das Toreschieß- Verbot in die Kiste vor den Steher- Rängen ist ja im Westfalenpokalfinale gekippt worden, spätestens mit Mizutas Tor gegen Doofmund Zwo. Das weiß auch Block 3 und verkündet, zusätzlich angestachelt durch die gute Leistung der Blauen in Durchgang Eins: „Hier sehen wir noch drei Tore!“. Und wenn Arminia heute überhaupt noch ein Gütesiegel braucht, dann die Tatsache, das die sonst übliche „Das hamwa noch nicht gewonnen“- Gegenrede komplett ausbleibt.

Arminia hat die Sache im Griff. Hannover hat vielleicht etwas mehr Ballbesitz, kommt aber gegen die konzentriert verteidigenden Bielefelder kaum zum Zug. Eigentlich gar nicht. Mit ein bisschen Suchen kann man fußballerisches Potenzial bei den Roten erkennen, einen Matchplan scheinen die Mannen von der Leine aber nicht zu haben. Was die Leistung der Blauen aber nicht schmälern soll. Der Rundumbeobachter glaubt, als Arminia das letzte Mal so gut gespielt hat, war Corona noch ein schales mexikanisches Bier.

Hach ja, was hätte man für tolle Sachen schreiben können über die Rückkehr des Andreas Voglsammer an seine bisher erfolgreichste Wirkungsstätte. Oder über das Bruderduell der Kunze-Twins… allerdings werden sowohl Vogi als auch der rote Kunze ausgewechselt, ohne groß aufgefallen zu sein.


Was meint Block 3 zu der Thematik? „Eeeey, Braunschweig ist viel schöner als Hannover!“. …ui… heftige Ansage. Einigen wir uns darauf, dass es nirgendwo hässlicher ist als an einer Bushaltestelle an der B61 vor Heidekamp am Montag morgen im Regen.

Mitte der zweiten Hälfte hat Hannover 96 dann doch eine Druckphase, in der die Gäste mehrere Standards und Ecken, aber keine Gefahr herausspielen. Arminia steht heute wie eine Eins. Und die Alm geht ab wie eine Eins. Jede Grätsche, jeder Befreiungsschlag, jeder gewonnene Zweikampf wird mit Brüllen und Anfeuerung begleitet. „Ja Mann, Ja Mann, JA, MANN!“

Offensiv tut Arminia eher wenig. Irgendwann verkürzen die Blauen das Eckenverhältnis auf 2:7, der Ball geht ins Nichts. „Was sind das für Ecken“, mosert Block 3. Nun ja. Das gehört zu den wenigen Dingen, die heute nicht klappen. Muss auch sein.

75 Minuten sind gespielt. Die Alm ist laut, die Alm brüllt und nicht nur Block sagt „Fast wie damals gegen Gladbach.“ Die ganze Hütte ist 2015 und stimmt nicht nur nach dem 2:0 „No Limit“ an, sondern lässt jetzt den donnernden Gänsehautentzündungssong hören. Block 1 stimmt an, Block J stimmt an. Und sportlich? „Die hamwa, Jungs, die hamwa“, jauchszt Block 3, als Hannovers kurzer Schub denn auch folgenlos vorüber ist.

Irgendwer brüllt tatsächlich „Absteiger! Absteiger!“ in Richtung Gästeblock. Warum auch immer. Zu oft gehört die letzten Jahre? Jetzt endlich mal selber brüllen wollen?

Neun Minuten hat das Pokal- Mahl zum Nachtisch. Und obwohl die Anzeigetafel im Wettbewerbsdesign des DFB- Pokals daher kommt, kann sie immer noich keine Nachspielzeit anzeigen (kann sie im Ligabetrieb nämlich schon nicht). Also müssen wir schätzen, wie lange noch ist. Was der Nervenanspannung niemals gut tut. Heute aber wird sie nicht runtergezittert, sondern runtergefeiert. „Allez Alleeeez, Deutscher Sportclub, Allez!“. Und dann ist es vollbracht.
Feieeeeern!
Wieder ein schöner Pokalabend! Inwieweit der sonnige Saisonstart, die stark verbesserte Defensive oder das selbstbewusste Auftreten #Momentaufnahmen sind, soll jetzt einfach mal egal sein. Wir alle haben es verdient, dies gute Spiel, diesen schönen Momen einfach mal zu genießen. Wir kommen selten genug dazu. Und wie lautet nicht die alte Weisheit? „Ooooh, wie ist das schööööööön!“

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