Arminia gegen Lübeck 0:0 – Orientierungsfragen

Arminia gegen Lübeck 0:0 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Es ist Freitag Abend, die Partie heißt Arminia gegen Lübeck, ab 17 Uhr mehren sich die schwarzweißblauen Stammeskleidungsstücke im Stadtbild. Und wie immer die schlaue Frage in der Stadtbahn: „Spielt Arminia heute?“ Nee, die laufen immer so rum. Meine Fresse…

Arminia gegen Lübeck

Immerhin, für eine derart orientierte Region haben die, die immer so rumlaufen, erstaunlich differenzierte Vorstellungen von Verlauf und Ausgang des Spiels. Faksimile aus dem Stimmengewirr auf Block 3 kurz vor Anstoß: „Wir müssen früh in Führung gehen, dann wird es was!“ – „Das wird einer der härtesten Gegner heute!“ – „Wenn wir in Rückstand geraten, ist das Ding verloren!“. Davon passte am Ende alles und keins… ist schwer, sich im Fußball zu orientieren.

Arminia gegen Lübeck

Das stellen auch die schwarzweißweißblauen Stollenträger auf dem Rasen fest. Nachdem die ersten Angriffe verpufft sind und die ersten Ecken nichts eingebracht haben, wird kalr, dass sich alle 22 aktiv am Spiel beteiligten Menschen sich in Richtung Lübecker Tor orientieren. Gerade einmal zwei Torschüsse geben die Gäste von der Ostsee laut Spielstatistik auf Kistens Kerske ab – wann auch immer die passiert sein sollen. „Gegen die darfste nicht zurückliegen“, hadert Block 3. Beim Stand von 0:0.

Arminia gegen Lübeck

Im ersten Viertel des Kicks ist Block 3 sprachlich eher knapp orientiert. „Neunzehnter… warum, Jungs, waruuuum!?“ – versteht man auch nur im Kontext. Und falls die Lesenden rätseln, wer mit dem „Neunzehnten“ gemeint ist und welche Kausalitäten hier in Frage gestellt werden- lasst Euch damit ruhig Zeit. Auf dem Feld rennt Arminia gegen den Lübecker Strafraum an. Das ist wörtlich zu verstehen.

Lübeck hatte über ein knappes halbes Jahrtausend eine der gewaltigsten städtischen Befestigungsanlagen Nordeuropas. Mit Stadtmauer, Stadtgraben und vorgelagerten Forts. Die fußballerischen Vertreter der Hansestadt zeigen sich traditionsbewusst, bauen die Befestigung vor dem eigenen Tor nach und ergänzen sie durch – bildhaft gesprochen – Stacheldraht, Panzersperren und ausgestreute Legosteine, die beim Drauftreten wehtun. Kaum ein Durchkommen für Arminia. „Die tun sich schwer“, stellt Block 3 folgerichtig fest, hat aber auch schon eine Lösung parat: „Ich geh’ pinkeln, Bier holen und alles ist schön!“ Na denn, hau rein!

Arminia Bielefeld leidet zur Zeit an der heftigsten Elfmeter- Pest seit Manfred Lonnemann 1989. Die Wahrscheinlichkeit, dass der DSC einen Elfmeter (regelkonform) verwandelt, liegt bei 42,86 Prozent. Jetzt besagt Statistik nichts über den Einzelfall, nicht über den Handelfmeter in der 42. Minute und erst recht nicht über die Orientierung in der schwarzweißblauen Gefühlswelt. Nehmen wir zum Beispiel Philip Klewin. Ja, den gibt es noch, hat mich auch gewundert.

Jedenfalls, dieser Philipp Klewin hat zum Beispiel in fünf Startelf- Einsätzen für Arminia sieben Gegentore kassiert und steht damit besser da als, sagen wir mal, ein Stefan Ortega zwei Jahre später im gleichen Zeitraum (neun Gegentore). Was von ihm in Erinnerung bleibt, ist das hier:

…und dass er Putaros Elfmeter hält. Nun liegt die Statistik, dass der DSC einen Strafstoß (regelkonform) verwandelt, bei 37,5 Prozent und sagt immer noch nichts über den nächsten Elfmeterpfiff aus. Falls es beruhigt: Die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Schütze beim Anlaufen vom Blitz getroffen wird, liegt bei 0,0000075 Prozent, habe ich an anderer Stelle mal ausgerechnet. Falls das beruhigt.

Nun, Block 3 beruhigt es nicht. „Die hätten den schießen lassen sollen!“. Wer auch immer „der“ ist. Biankadi, der sich auch nicht durch Sicherheit auszeichnete? Klos? Boujellab? Manfred Lonnemann? Der Rundumbeobachter? Ich habe über mich beim Spiel gegen Essen die charmante Feststellung gehört, ich habe eine „gute Bewegung und Blick für die Situation“ (weil ich immer den Biertransport im Gewühl auf der Süd ausweiche). Wenn ich jetzt noch erzähle, dass ich es schonmal durch Lübecker Befestigungen geschafft habe, qualifiziert mich das doch weitaus mehr für dies Spiel als die aktiven Stürmer im blauen Hemd. Also Mitch, kannst gerne fragen kommen. Verschießen kann ich auch super!

Halbzeit. Wer fragt hier nach Karten? Wie oft hat man schon „Eine Bratwurst bitte!“ gehört? Wer bestellt „Zwei Akkreditierungen und eine Fanta?“? Wetten, keine Zahl ist da bei Null? In einer Landsmannschaft, die so orientiert ist wie die ostwestfälische?

Zweite Hälfte und nun wird es nun aber wirklich mal Zeit, sich in Richtung Torjubel zu orientieren! Obwohl die taktischen Überlegungen von Block 3 etwas merkwürdig sind: „Man wünscht sich ein Tor für Lübeck, damit die aufwachen“. Jupp, weil das ja so gut klappt gegen ein Abwehrbollwerk. Jedenfalls ruft Arminia zur Belagerung der Lübecker Festung auf.

Ohne sichtbare Fortschritte. Daran wird auch nichts besser, als Mirko Boland Momuluh abflext und völlig zu Recht unter die Dusche geschickt wird. Mirko Boland? Ja, den gibt es noch, hat mich auch gewundert. Und der wird die Alm nie in guter Erinnerung behalten.

Oppie sieht die fünfte Gelbe und wird in Aue fehlen. Block 3 hat schon in der ersten Halbzeit gewitzelt, ob Klos den fünften Karton kriegt. „Wenn, dann muss er die Karte heute kriegen“. Nach langen aktiven Bemühungen kriegt die Sturmtanne dann die fünfte Gelbe, wird in Aue fehlen, aber sein Abschiedsheimspiel gegen Halle bekommen. Hoffen wir, dass das kein Abstiegsendspiel wird, weil Fabi in Aue gefehlt hat. Block 3 jedenfalls feiert die Strafkarte. Bemerkenswert, was wir für Probleme haben.

Lübeck hatte über ein knappes halbes Jahrtausend eine der gewaltigsten städtischen Befestigungsanlagen Nordeuropas. Der VfB Lübeck, offenbar nicht am letzten Strohhalm des Klassenerhalts interessiert, baut das nach. Mit Stadtmauer, Legosteinen, siehe oben. Napoleon hat es geschafft, im Jahre 1806 die Stadtbefestigungen Lübecks zu überwinden, mit Angriffen von drei Seiten auf die Stadttore und Nachstürmen auf die lübischen Truppen, die in die Stadtmauern zurückwichen.

Arminia ist nicht Napoleon. Von den drei Seiten wird bestenfalls eine bedient. Das ist die Mitte und die ist bei einem zugemauerten Strafraum nicht die aussichtsreichste. Vom Nachstürmen ganz zu schweigen. Napoleons Truppen haben sich auch auf Straßenkämpfe in den Lübecker Gassen eingelassen, Arminia kommt nicht mal in die Nähe von Zweikämpfen im Strafraum. Es sind Flanken aus dem Halbfeld, die, wären sie napoleonische Kanonenkugeln, von den Verteidigern mit der Mütze gefangen worden wären. Das Bild auf das Spiel übertragen: Der VfB hat kein Problem, die schwarzweißblauen Hereingaben wegzuballern.

Wie knacken? Die Blauen sind schlecht orientiert, auf der Süd ist es auch nicht besser. Faksimile aus dem Stimmengewirr auf Block 3 in der Schlussphase: „Wer hat hier 4:0 gesagt?“ (niemand mehr) – „Macht die 3:0 weg“ (oder 1:0, würde reichen) – „Mal einen drauffackeln!“ (wird versucht und abgewehrt, aber geiles Wort. Drauffackeln!). Wenn der Rundumbeobachter richtig gezählt hat, gibt es zwei Chancen, bei denen wir die Hände ansatzweise hoch reißen. Bis Block 3 feststellt: „Der will heute einfach nicht rein!“. Macht er auch nicht.

Tja, Arminia macht es mal wieder länger spannend in der Saison. Hoffen wir mal, dass wir uns nicht doch noch in Richtungen orientieren müssen, die in den letzten Wochen so schön dabei waren, sich eigentlich zu erledigen. Wat sacht Block 3? „Aber selbst das wird reichen.“. Joa, denke ich auch.

Fotos zum Spiel

Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit jeder Menge schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?

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