Arminia gegen Magdeburg 1:3 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
„Samstag 15 Uhr 30… die Zeiten sind vorbei, nä?“ – „Dat war schööön…Heute ist ja quasi wie Montagsspiel, nä?“. Nein, meine Herren. Samstag 15 Uhr 30 ist seit 22 Stunden vorbei. Und Montag ist es auch nicht, dann wäre es dunkel und nicht mehr so schön sonnig. Wobei sonnig auch relativ ist. Der Winter kommt bestimmt nochmal heftig wieder und…ich schweife ab. Also Arminia gegen Magdeburg…
22 Stunden nach Samstag 15 Uhr 30, Alm, 19.586 Zuschauer, bisher ist nichts Spektakuläres passiert (außer das Übliche: „Nächster. Halt. Oetkerhalle. Austieg. Links.“ – „Wo isn links?“). Elektrisierendes Gefühl bei der Hymne. Ordentlicher Almroar in den ersten Spielminuten, an dem die 2.600 Magdeburger voll mitmischen. Der Herdenspirit auf den Rängen überträgt sich auf die Blauen, mit munter nach vorne spielen.
Auf Block J trifft derweil die Herde der Zu-Spät-Kommer ein. Wir kennen das vom Busfahren. „Pünktlich an der Haltestelle sein“ klingt auf dem Papier nach einem vernünftigen Konzept, aber irgendwas kommt ja immer dazwischen und man muss sprinten. So ist das auch mit der Alm. „Zum Anstoß aufm Block klingt auch nach einem vernünftigen Konzept. Auf dem Papier.
Eine abgefälschte Flanke senkt sich auf Tegos Aluminium (Nein, ich schreibe nicht „Tegos Latte“, ich kenne Euch doch!). Und aus irgendwelchen Gründen wechselt der Trieb in die Herde von der Elbe. Die schwarzweißblaue Stollenträger-Herde wird unsicher. Nicht nur auf dem Rasen. Der Rundumbeobachter kriegt eine Karte unter die Nase gehalten. „Wo isn mein Platz?“.
Ich bin kein Ordner, aber auch kein Arschloch. „Hmmm…ungefähr da.“ – „Ja, was heißt denn hier ungefähr, ich muss das schon genau wissen…“. Leider habe ich meinen Kompass zu Hause vergessen. Dumm gelaufen… „Jetzt setzt Euch oder haut ab!“. Tststs…Früher hat man vorher noch „Guten Tag“ gesagt. Nääänää, auch wenn ich wieder im Aufgang stecken bleibe, ab auf Block 3.
Auftritt unparteiische Herde, die erste. Die Spielentscheidende. Ihr habt die Szene alle gesehen und wisst, dass sie im Duden bei den Definitionen von „Fehlentscheidung“ ziemlich weit nach vorne gehört. Block 3 kriegt das erstmal nicht mit und schimpft über Lord Börner, der vorher schon etwas leichtfüßig unterwegs war und ziemlich ungestüm in den Zweikampf ging.
Mit dem Abstand eines Tages mal folgender Gedanke: Hat Börner Abseits gestellt und kam deswegen nicht mehr ran? Hätte er bei gleicher Höhe den Steilpass entschärft? Dass die Antwort wahrscheinlich in beiden Fällen „ja“ lautet, schiebt den SchiRi-Pfiff im Duden noch ein bisschen höher. Rot, Freistoß, 0:1, Ihr habt es gesehen, Herde. Der SchiRi traf nicht die richtige Entscheidung, aber die Sollbruchstelle im Arminenspiel. „Dat is nich schön!“, sagt Block 3. So geht’s auch.
Der Rückstand wiegt in den Köpfen der Blauen so schwer wie ein Mettigel in einem veganen Zwölffingerdarm. Die Herde geht durch. Im Kopf. Vorne kaum was Nachvollziehbares, hinten unsicher. Die Ränge machen aber trotzdem Alarm. Tapferes „Immer dabei“. Als der FCM das Abseits-0:2 erzielt, setzt auf Block 3 der Herdentrieb zur Nahrungsver- und Entsorgung ein. Als der FCM das tatsächliche 0:2 erzielt, nicht so. Trotzdem thematisiert Block 3 die Nahrungsentsorgung: „Scheißeverdammtekackenommaaaa!“
Halbzeit. „Wenn die das noch gewinnen, exe ich alles!“. Spricht es aus und tut Mayonnaise auf die Bratwurst. Ob er die auch ext?
Es sieht allerdings nicht so aus, als würden noch irgendwelche Schnellbiere ins Haus bzw. ins Stadion stehen. Zur Einstimmung auf die zweite Halbzeit bemüht der Vorsänger der Süd das Spiel in Dresden. Da sah es ja ähnlich mau aus und wurde dann eine Hochdruckbefüllung. Block 3 ist aber nöhlig: „Ach halt’s Maul“.
„Der hat wat am Kopp“, wird in der 54. Minute gemeckert, als Hartherz an der Seitenlinie in einen Zweikampf gerät, fällt, und sich die SchiRi-Herde nach längerem Hin und Her und einem ganzen Roman an Flaggensignalen einen Einwurf für Magdeburg ausdenkt. Hatte die Börner-Szene noch keiner so richtig mitgekriegt, wird das Mentalschlingern der Unparteiischen im Folgenden mehr und mehr nervig. Fahnengewedel hier, Rumgepfeife da. Wer Chaos auf einem Flugzeugträger haben will, der lasse den Linesman an der linken Seite (von Block 3 aus) die Kampfjets einparken. Wer Chaos auf dem Adenauerplatz will, der stelle alle Ampeln ab und platziere den Referee mitten auf der Kreuzung und lasse ihn vor sich hin trillern.
Die Blauen ärgern sich zwar sichtlich, kommen aber jetzt ins Spiel. Jajajaaa, ob das wohl noch was bringt? Block 3, wat sachste? „Jajajaaaa“. Danke. Bitte. Und es geht tatsächlich was. Prietl rennt und rennt und rennt. Spielt nach außen, Flanke kommt, Fabi versenkt. Beim Torjubel hat die Süd das Messer zwischen den Zähnen. Lauter Support, Herdentrieb! Eben war es ein tapferes „Immer dabei!“, jetzt ist es ein kämpferisches! „Kommt, Jungs“, brüllt Block 3, „Ein! Scheiß!! Tor!!!“
Ein kurzer und ungemütlicher Exkurs in die Welt der Fußballfloskeln: Der FCM verlegt sich aufs Kontern. Oder was er dafür hält. Arminia rennt mit dem Mut der Verzweiflung, Magdeburgs Suche nach dem Kontertor ist in etwa mit der Platzsuche eines Zu-Spät-zum-Anstoß-Kommers vergleichbar. Block 3 ist prophetisch. „Eins fällt noch. Bei uns oder bei denen. Isso.“. Es fällt bei denen, als Salger bei einem riskanten Tackle den Ball nicht trifft. Der Elfer, das 1:3 durch Magdeburgs Drittliga-Held Türpitz macht den Deckel drauf. Schwarzweißblaues Herden- „Ach Manno!“. Vorbei.
„Ich setze mich jetzt in die Sonne und ziehe mir 30 Bier rein“, kündigt jemand auf dem Weg zur Stadtbahn an. Alle exen? Ach nee, Arminia hat ja nicht gewonnen. Keine Erinnerung mehr an den gebrauchten Nachmittag haben. Auch’ne Idee. Sowieso finde ich, dass bierseliges Herdensaufen in den Trainingsplan einer jeden Profimannschaft gehören. Mal richtig zusammen einen brettern und dann ans nächste Spiel denken…ich schweife ab.
Das Bielefelder Glückshormon ist auch schon beim nächsten Spiel.
Rundumbeobachters neues Buch – bei Amazon, Thalia und im Fanshop. Hier gibt’s Leseproben
