Arminia gegen Saarbrücken 0:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Diese Videoclips zu norwegischen Songs…nasse Kälte, Nebel, Raureif und Frost überall. Dann ein Feuer im nördlichen Himmel, man tritt aus dem Nebel, und vor einem liegt…in besagten norwegischen Songs sind es irgendwelche frostigen Königreiche, wo Raben und viel schlimmere Unzeitgenossen wohnen. Das ist in Ostwestfalen natürlich nicht so. Hier ist es bloß Arminia gegen Saarbrücken, keine Sorge.
Wenn das Intro der norwegischen Songs (in dem man aus dem Nebel tritt) vorbei ist, geht es sehr laut, sehr schnell und sehr gebrüllt zur Sache. Hoffen wir, dass das im ostwestfälischen Fußballspiel genau so ist – ein Sieg über den Tabellennachbarn würde einen ziemlichen Befreiungsschlag für die abstiegskämpfenden Blauinnen bedeuten.
Doch schon nach wenigen Minuten versemmeln die Saarbrückerinnen ihre erste dicke Torchance. Arminia wirkt ein bisschen kopflos. Zwar zeigen sie wie immer eine Menge Einsatz, aber außer ein paar Halbchancen von Fetaj und Thiemann kommt nicht viel bei rum. „Wenigstens nicht so ein Spektakel wie Paderborn immer“, witzelt das Publikum. Was für ein gemeiner Vergleich.
Saarbrücken an den Pfosten, die Blauinnen bleiben hängen. Die Blauinnen spielen einen Fehlpass, Saarbrücken knapp daneben. Die Blauinnen spielen zu lang. Heute haben sie das Pech an den Töppen. Oder wie im norwegischen Lied: Die Sonne geht nicht auf. Das gilt nicht für vier unerschrockene und sehr witzige FCS-Fans, die neben dem Rundumbeobachter an der Bande stehen. Irgendwann heißt es aus Arminenreihen: „Geeelb ist nur die Müllabfuuuhr!“. Konter: „Ist orange, aber egal!“. Wer jetzt? Müllabfuhr oder FCS-Kickerinnen? Später echot dann noch „Saarland asozial“ rüber. „Lustig, das singen wir selbst“. „Stimmt doch mal ‘Ostwestfalen Idioten’ an“, schlägt der immer um Fandialog bemühte Rundumbeobachter vor. „Nee, Ihr könnt uns was anstimmen, nicht umgekehrt!“. Lachflash in der Runde. Touché, mon ami!
Nächster Pfostenschuss des FCS. „Los Mädels, wieder in die Ordnung!“. Wenigstens Wuckel ist der norwegischen Songatmosphäre angemessen laut und gebrüllt bei der Sache. Das „schnell“ fehlt aber heute auf dem Platz. So fragen sich einige, welche Ordnung Wuckel meint. Einsatz stimmt. Doch zeigt sich das bittere Emblem der Auflösung (Songtitel aus Norwegen) spätestens beim 0:1 kurz vor der Halbzeit, als sich Saarbrücken durchkombiniert und Chiara Loos ohne viel Fackeln versenkt. Sichtbarer Nackenschlag für unsere Damen, der Pausenpfiff kommt im richtigen Moment.
Halbzeit. Entspannung für Arminia. Und ein unwiderstehliches Entspannungsangebot für den Rundumbeobachter. Ein Arminia-Liegestuhl. Doch die Entspannung endet noch bevor ein Platz nehmen ernsthaft in Erwägung gezogen werden kann. Ich muss ein grauenhaftes Cover von „Jolene“ hören. Dolly Parton tut mir in dem Moment genauso leid wie die Blauinnen. Wann ist es soweit, dass die Pop-Heulbojen norwegischen Bands Gewalt antun?
„Mit aller Macht wollen, Mädels!“, gibt Wuckel seiner Mannschaft auf den Weg in Runde Zwei. „Alle eine Schüppe drauflegen“, fordern die Postheide-Lautsprecher. Ist zu empfehlen. Die Stimmung legt ein Schüppchen drauf, ein bisschen Trommel, lautere Chants. Und auch die Blauinnen hauen sich ein bisschen mehr rein.
Normalerweise brüllt man als Zuschauer bei einem Laufduell „Durchlaufen!“. Oder bei einem Sprint durch’s Mittelfeld „Spiel nach links!“. Es gibt Laufduelle, es gibt Sprints durchs Mittelfeld. Aber das ist heute ein Spiel, wo es irgendwie nie Gelegenheit gibt, das Brüllen zur Ausführung zu bringen. Es bleibt nur die traurige Alternative, „Die weiß nicht, wohin“ zu murmeln.
Doch, es gibt ein paar Torchancen. Aber etwa um die 70.Minute herum sinkt die Moral in der Zuseherschaft. Wenigstens bleibt genug Zeit, um Gesprächsfetzen aufzuschnappen. „Vor mir kriegst Du keine Leine!“. „Der hat 40.000 Erbsen gebunkert.“. Da will man doch die ganze Geschichte hören. Und man will sie sich noch viel lieber ausdenken. Viel Spaß dabei, liebe Leserinnen und Leser!
0:2, Saarbrücken macht den Deckel drauf. Wieder Chiara Loos. Jetzt braucht es ein Wunder, aber danach sieht es nun wirklich nicht aus. Sturz in den tiefen Abgrund, wie Norweger (so was ähnliches wie) singen würden. Genta Fetaj checkt eine Gegnerin in die Absperrung. Frust. „Das geht noch“, stellt das Publikum fest, stell’ Dir mal Klos in der Situation vor!“. Viel Spaß beim Vorstellen, liebe Leserinnen und Leser. Bei der letzten Ecke der Blauinnen kommt Torhüterin Vivi „Sparrenburg“ Brandt mit nach vorne. Aus Gründen. Irgendwelchen Gründen.
Abstiegsplatz und ein Spiel gegen die Konkurrenz verhauen. In norwegischen Songs frieren die Engel zu Eis und sie liegen kalt unter dem Raureif. Die Blauinnen sind noch lange nicht gefroren, aber es wird schon etwas kälter. Hoffen wir mal, dass sie im letzten Spiel des Jahres ordentlich Feuer entfachen. Ihr dürft sogar Cover von Dolly Parton hören, wenn es hilft, Ladies!
VAR (Visuell aufmerksamer Rundumbeobachter):
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