Arminia gegen SV Wehen Wiesbaden 1:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Arminia gegen SV Wehen Wiesbaden muss ja noch gespielt werden. Der Abstieg, der Abschied, der Abgesang, der Abtritt, der Abort aus der Zweiten Liga. Warum soll man da überhaupt noch hingehen? Nun, wenn sich das aktuelle Team nicht mit Anstand als Arminia Bielefeld präsentieren kann – ich kann das und ich werde das. Ich war vor denen da, ich werde nach denen da sein. Also auf zur Alm.
Dass es nicht mehr werden wird als Abgesang und Abort merkt man schon vorher. Eigentlich ist es wie immer: Auf dem Heimweg von der Arbeit sieht man die ersten Schals und Trikots in der Stadt, die ersten offenen Bierflaschen. Auf dem Weg zur Alm ist die Linie 4 voll wie immer. Es ist nur…stiller als sonst. Wir gehen gedrückt zur Abschiedsfeier, nicht hoffnungsvoll zum Spielritual.
Nicht jeder Abschied fällt schwer. Bis auf Consbruch, Arne Schulz, Henry Koch und natürlich Fabi Klos wird die komplette Mannschaftsaufstellung ausgepfiffen. Block J stimmt „Immer dabei“ an, und der Gänsehautentzündungsgesang wird gut aufgenommen. „Was singen die?“, fragt Block 3. Ernsthaft jetzt? „Wir sind immer dabei, ob blau oder weiß“. Hör doch hin!
Ein paar Zeigerrunden sind gespielt, als Klos ordentlich hinlangt. Applaus von Block 3, der unserer Sturmramme dann auch gleich mal einen Blankoscheck ausstellt: „Klos darf alles!“. Vor allem darf er das hier: Den Ball in die Maschen donnern! JAAAAAAaaaa (<= Torjubel mit ehrlicher, aber verhaltener Freude).
Nach fünf Minuten 1:0…und jetzt (ja, gebt es zu!) hoffen wir doch ein bisschen. Da Block 1 das Spiel über demonstrativ schmollt, stimmen andere Ecken der Alm an. Und nach der Führung kommt das „Bie-le-feld! Bie-le-feld!“ gut laut. Block 3: „Ich hab das Gefüüüüühl…“, jaaa?, „…dass ich pissen muss.“. Auch Block 3: „Noch vier Tore!“ – „Du bist aber ironisch.“. Quatsch. Wisst Ihr, was ironisch wäre? Wenn es nach 90 Minuten 3:0 steht und in Minute 90+4 von irgendwo her Arne Feick auftaucht und an den Pfosten köpft. Das ist ein Ironie-Level, den selbst Arminia erstmal schaffen muss.
Die Mannschaft habe sich ausgesprochen, haben Klos und Koschinat zu Protokoll gegeben. Und Arminia kämpft. Und jede Grätsche, jeder gewonnene Zweikampf, jeder geklärte Ball wird vom Publikum anerkannt. Dat wollnwa sehn! Was Aussprachen so bewirken. Und warum hat man sie dann nicht schon im Januar gemacht? Oder im März 2022?
Kampf stimmt. Spielerisch, hmmnnnjaaa, geht so. Block 3 ist unschlüssig. „Nur lange Bälle“- „Zu kurz, der Abwurf“, ja was denn nun? Immerhin bei „So ein Scheißpass“ ist man sich einig. Hüsing trifft die Latte, Consbruchs Kopfball wird entschärft…aaaargh! Sollten wir wider Erwarten hoffen müssen?
Nee, keine Sorge. Unter der Woche habe ich gefragt, wie lange Hoffnung zum Sterben braucht. Ich habe jetzt nicht genau mitgestoppt, aber die Hoffnung ist definitiv tot, als Wehen das 1:1 erzielt. Durch Hollerbach, so einem Absolventen der Kevin-Großkreutz-Akademie für Intellektualität und höfische Sitten. „Jetzt reagieren!“ brüllt eine verzweifelte Stimme irgendwo vorne links. Macht die Alm. Reagiert mit konsterniertem Schweigen.
Muss man drauf hinweisen, dass die Defensive etwas flügellahm war? Nein. Muss man die verbliebenen Chancen auf Elversberg in der nächsten Saison ausrechnen? Ja, wenn man Block 3 ist. „Im Prinzip gleiche Situation, nur sind es jetzt 35 Minuten weniger Zeit. Aber gegen Darmstadt hat Arminia in einer Viertelstunde drei Tore geschossen.“ – „Wir brauchen für die Verlängerung vier Tore.“ – „…[längerer Prozess des Nachdenkens]…wird nicht einfacher, stimmt.“
Muss man drauf hinweisen, dass bei den Blauen nach dem Gegentor mal wieder der Schwung so ziemlich weg ist? Nein. Zwar hat Arminia ein paar Chancen, aber die fühlen sich irgendwie nach Alibi an. Fast so, als hätte das Team die Eintrittskarten in Wiesbaden gezahlt. Muss man darauf hinweisen, das die Abwehr manchmal bräsig unterwegs ist? Ja, wenn man Professor Hollerbach ist. Der bringt Wehen Wiesbaden kurz vorm Tee mit 2:1 in Führung.
Halbzeit. Middendorp, Middendorp, Middendoooorp findet auch alles blöd.
Nicht blöd: Wenn Ihr das hier lest, ist noch Zeit genug, auf die Postheide zu kommen!
Koschinat hat der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben, dass man die sportliche Herausforderung annehmen wolle. So, wie es schon drei seiner Vorgänger gewollt haben und wie Arminia es am besten seit Januar oder am allerbesten seit März 2022 getan hätte. Gespielt wird in Halbzeit Zwei das Übliche, (zu) oft Gesehene. „Ich bin mit dem Vorsatz hierhergekommen zu pöbeln“, verkündet Block 3, aber selbst dazu hat niemand mehr wirklich Lust.
Hier und da wird das Sportliche kommentiert. „Man, sind das Pässe, ey…“ oder „Ging das Ding aufs Tor? Echt?“ – „Und gehalten. Höchststrafe.“
Oder man hat anerkennende Worte für den Gegner. Und hier sollten wir uns „Fairplay“ nicht nur unter großkreutz…großherzigem Sponsorenverzicht aufs Trikot bügeln, sondern wirklich feststellen, dass Wehen am Taunusstein guten, geradlinigen Fußball spielt. „So, wie Wehen das macht, habe ich es bei Arminia das ganze Spiel nicht gesehen“, sagt Block 3. Haste die ganze Saison nicht gesehen. Oder seit März 2022. Glückwunsch zum verdienten Aufstieg, SV Wehen Wiesbaden.
Was gibt es denn heute Abend noch so zu entdecken (das Gekicke interessiert nun wirklich niemanden mehr)…Witzig: Dass es einen online-Dachteile-Handel gibt (Bandenwerbung). Demnächst gibt es noch wasserhaehne24.de, ruecklaufkruemmer24.de oder spieleraufleihemit10prozentrabattgeilnehmeich24.de (Geschäftsführer Samir A.). Und falls jetzt jemand ernsthaft diese Links angeklickt hat: Schau mal nach, ob Du Deine Unterhose auf dem Kopf trägst.
Block J vertreibt sich die Zeit mit weiteren Gänsehautentzündungsversuchen. Ist im Ansatz keine falsche Idee, aber so recht will keiner mehr. Gefühl wie beim Spiel in Magdeburg– muss ich da jetzt echt noch’ne Viertelstunde zugucken? „Nicht mal’nen Abstauber kriegen sie rein“, kommentiert Block 3 und fasst damit die Offensivszenen der taumelnden ostwestfälischen Gloria recht treffend zusammen. Bei ein paar Distanzschussversuchen reicht es gerade noch für ein pflichtbewusstes „oouuh“. Nur Klos darf alles – Fabi wird bei jedem Ballkontakt gefeiert. Fabi wird bei Krämpfen gefeiert. Fabi wird zur Auswechslung gefeiert.
Und dann ist Arminia tatsächlich drittklassig. Schlusspfiff. Noch ein Gänsehautentzündungsversuch. Koschinat bekommt Applaus, Fabi Jubel und Sprechchöre. Der Rest Pfiffe und „Wir sind Arminen und Ihr nicht.“.
Ich habe -zigmal rauf und runter mit dem DSC erlebt. Einen Durchmarsch von Liga Drei bis Liga Eins. Nun steht auch der selbe Weg retour in meinem schwarzweißblauen Lebenslauf. Ich spare mir die Abschiedsbilder vom Spiel (könnt Ihr im Fotoblog begucken) und zitiere mal die Stadionhymne mit dem Hinweis, dass auch wieder bessere Zeiten kommen werden.
Applaus gibt es für „A dying God coming into human Flesh“ von Celtic Frost.. Passt zu den Arminia-Profis derzeit und zum schwarzweißblauen Gefühl derzeit. Und ist auch sonst ein geiler Song.
In der „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ steht die ab heute zweitschlimmste Relegationsgeschichte. Und andere Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon?