Arminia gegen Westfalia Soest 3:1 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Westfalenpokal unter der Woche, bei ostwestfälischem Wetter. Liest sich das nicht wie eine unglaublich attraktive Sache?
Auch wenn nicht alle die Ansicht des Rundumbeobachters teilen- Doch, tut es! Endlich mal entspannt auf einem Mittwoch Abend Fußball gucken, ohne Hektik kurz vor knapp auf die Alm kommen, sich gemütlich in eine Sitzschale fläzen und Arminia schauen. Das hat doch auch mal was.
Jetzt kommt der Rundumbeobachter so kurz vor knapp, dass das Spiel schon ein paar Sekunden alt ist. Vor dem Fläzen ist also erstmal ein kritischer Blick aufs Spielfeld angesagt, um durchaus überrascht festzustellen, dass die Blauen heute mit Doppelspitze antreten. Kania als spielender, Becker als rammender Stürmer. Fast wie Kuntz und Reina, Nostalgie, Nostalgie… und das nächste, was vor dem Hinfläzen kommt, ist Becker, der per Kopf eine Ecke zur frühen Führung in die Maschen wuchtet. JAWOLLA!
So, nun aber rauf auf Block J und gemütlich machen. Die Platzwahl ist angesichts des übersichtlichen Zuschauerandrangs kein Problem. Zumindest für die meisten. Die paar, die trotzdem Reihe und Sitz suchen und die gähnend leere Tribüne mit den Positionsangaben auf ihrem ausgedruckten PDF (was früher mal Eintrittskarte hieß) vergleichen- nun, die gehören zum Fußball dzu. Ebenso wie die, die dann fragen, in welche Richtung denn „Oben“ sei. Tipp: Schau auf Deine Schuhe und gehe dann in die andere Richtung.
Wenn wir schon beim Thema „Richtung“ sind: Auf dem Rasen geht es nur in eine. Richtung Nordtribüne. Da, wo das Tor der Gäste aus Soest steht. Die frühe Führung motiviert Arminia und im Gegensatz zu den letzten Ligaspielen kriegen die Blauen einige überlegte Spielzüge in des Gegners Box hin. „Mach’ krumm!“ fordert die Tribüne bei einem schnellen Angriff über links. Aber krumm ist es nicht, was Arminia anbietet. Schon ganz okay.
Ach ja, die Tribüne. Es mögen heute nicht viele sein, aber die, die da sind, nehmen das Spiel ernst. Auch die eingespielten Mechanismen funktionieren, etwa „Der hat schon Gelb!“ oder „Oppiiie“, wenn Arminias Nummer Vier am Ball ist und zweifellos etwas Spektakuläres damit veranstalten wird. Block 1 und 2 sorgen für organisierten Support, die Westtribüne geht mit. Und das ist alles auch gut und richtig so.
„Wird nichts, brauchst nicht schießen“, heißt es bei einem Angriff der Soester. Hui, der Spruch ist neu. Und der angesprochene Schuss der Gäste lässt Oppermann das erste Mal fliegen. Der Spielverein Westfalia Soest ist zur Zeit Tabellenneunter der Westfalenliga I und misst sich im Alltag unter anderem mit Borussia Emsdetten, Preußen Espelkamp oder dem SC Peckeloh. Doch anders als Arminias letzter Pokalgegner aus Versmold igelt sich Soest nicht ein, sondern versucht, nach vorne zu spielen. Und das ab und an auch durchaus ansehnlich.
Allerdings steht die Spielrichtung weiterhin vor allem auf Nordtribüne. Und da gibt es nach 20 Minuten Elfmeter, als Wörli heftig einen vor die Birne kriegt. Becker läuft an,…
CanCan. „Auswärtssieg, Auswärtssieg!“, skandiert jemand auf Block J. Der Rundumbeobachter sinniert. Ist das nicht sogar korrekt? Soest richtet das Spiel aus, es findet nur eben auf der Alm statt? Bis ihm einfällt, dass das Heimrecht getauscht wurde. Okay. Heimsieg! Heimsieg!
An der Richtung ändert sich weiterhin nichts. Und da ist festzustellen, dass Arminia zwar vor das Tor kombiniert, das Runde aber nicht im Eckigen unterbringt. Halten wir als vorgezogenes Fazit fest, dass die in der letzten Zeit nicht ganz zu Unrecht kritisierte Abschlussschwäche sich ein paar Meter nach vorne verlagert hat und überbrücken die restlichen Minuten bis zur Pause mit ein paar Torwart-Impressionen.
(Entgegen weitverbreiteter Ansicht ist das, was Oppermann da macht, kein Stretching, sondern der verweifelte Versuch, dem Regen auszuweichen. Sach’ dem ma’ wer, dass dat meiste daneben fällt).
Halbzeit. Joah. Der Sommer ist vorbei.
1:0 in der fünften Minute. 2:0 in der 20. Minute. Passiert heute das, was sich sicherlich viele erhofft haben? Die Blauen haben früh den Kopf frei und üben Tore schießen? Na ja… Spielerisch war bestimmt das eine oder andere dabei, dass man für die weitere Arbeit verwenden kann. Allerdings: In der zweiten Halbzeit ist die Marschrichtung immer noch eindeutig (nach dem Seitenwechseln nach Süden), allerdings schafft Arminia das letzte schlaue Zuspiel vor das Tor nicht mehr ganz so oft. Wobei es nicht an Einsatz mangelt. Sinnbildlich sei Kaito Mizuta genannt, der wir irre auf der rechten Seite rennt und fummelt. Jedoch genauso fruchtlos wie damals die wilden Dribbler auf dem Schulhof.
„Schießt Euch mal den Knoten aus dem Kopf“ wäre auch eine dem Gegner gegenüber unfaire Parole. Westfalia Soest spielt weiterhin tapfer und hat mit einem Pfostenschuss die erste richtig Fette im zweiten Durchgang. Der lässt der Westfalenligist noch ein paar weitere schnelle Angriffe folgen und erzielt schließlich den Anschlusstreffer.
Großer Jubel beim Soester Anhang, der recht zahlreich auf Lohmanns Acker erschienen ist. Zu recht, und es sei von Herzen gegönnt. Zumal es Arminias Spielkontrolle nicht wirklich gefährdet.
Kurz vor der Schlussphase bringt Sebi Wiese die Phrase des Tages: „Schon jetzt bedanken wir uns bei 2.973 Zuschauern“. Schon jetzt. Heißt dass, das ab jetzt noch ganz viele kommen, um Arminias heiße Schlussphase mit Last- Minute- Toren zu erleben? Verstehen könnte ich es ja…
Wenigstens André Becker übt heute Toreschießen. Zehn Minuten vor Ende netzt „Becks“ zum dritten Mal und macht den Deckel drauf. Wie muss man heißen, um als Spitznamen nicht „Becks“, sondern „Ur-Krostritzer“ zu bekommen?
Ja, solchen dummen Gedanken kann man sich hingeben, wenn man hingefläzt auf Block J sitzt, ein bisschen mitfiebert, ab und an was reinbrüllt und Arminia die nächste Pflichtaufgabe im Westfalenpokal recht locker nimmt. Respekt an Westfalia Soest für einen wirklich couragierten Auftritt und viel Glück in der Westfalenliga!
Und was Arminia betrifft- Das Fazit steht im wesentlichen schon im Vorhergegangenen und die alte Weisheit lautet immer noch: Mit den Blauinnen macht Westfalenpokal irgendwie mehr Spaß. Vielleicht kriegen wir es ja bei den Kerls auch in unsere Köpfe (meinen eingeschlossen), dass der Westfalenpokal zur Dritten Liga gehört und ein respektabler Wettbewerb ist. Schon jetzt bedanken wir uns bei den Zuschauern.
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