In der Tat sieht es für Frank Kramer alles andere als rosig aus. Das Potenzial, das in Arminias Kader steckt, wird kaum abgerufen. Die Startelf rotiert, es sieht nicht danach aus, als würde sich daran etwas ändern. Ebenso wenig an den Taktiken, die auf dem Platz zum Einsatz kommen, bzw. zum Einsatz kommen sollen. Die Blauen wirken verunsichert, die Fans sind verwirrt. Natürlich ist er nicht der, der die Torchancen versiebt. Aber an der Aufstellung, der Taktik knabbert, na ja, würgt er gerade.
Von 22 Ligaspielen hat Arminia unter Frank Kramer vier gewonnen, das stimmt nicht optimistisch für die unmittelbar anstehenden Spiele, in denen allmählich fast verpflichtend Siege her müssen. Auch die Historie spricht gegen Kramer: Dauerrotation, ständig wechselnde Spielsysteme, kopflos agierendes Team? Hat Jeff Saibene 2018 den Job gekostet. Nur fünf Punkte aus zehn Spielen? Bedeutete die Demission gleichwohl von Markus von Ahlen 2011 und Rüdi Rehm 2016.
Kramer raus..und dann? (Wenn es so ist wie immer)
Dass wir nach dem Gesehenen den Kopf des Coaches fordern, ist nachvollziehbar. Da ist der Wunsch nach konsequenter Handlung, da ist der Wunsch nach Veränderung. Da ist der Trainer die einfachste Variable – für uns und für die Verantwortlichen. Doch abgesehen vom fragwürdigen Effekt eines Trainerwechsels, wer soll es denn machen? Die Frage bezieht sich gar nicht mal auf Personen, da sind die Herausforderungen hinsichtlich der Finanzierung und der Attraktivität des „Standort Arminia“ hinlänglich bekannt.
Klar können wir uns jetzt einen Feuerwehrmann holen. Vielleicht schafft der es dann auch, die Blauen im Oberhaus zu halten. Aber ist das eine langfristige Perspektive? Wie hoch ist das Risiko, dass wir dann nicht in einem Jahr, einem halben Jahr wieder vor der Trainerdebatte stehen? Und was ist, wenn wir trotzdem absteigen? Da hätten wir auch – hahaha – bei Uwe Neuhaus bleiben können.
„Ausbildungsclub Arminia“ – so toll wie Freiburg?
Arminia hat beschlossen, ein „Ausbildungsverein“ zu sein/zu werden. Diese Entscheidung ist offenbar eine sehr grundsätzliche. Das belegt der Mut zu im schwarzweißblauen Umfeld unpopulären Maßnahmen wie dem Rausschmiss von Uwe Neuhaus im letzten Winter oder dem aktuellen Bekenntnis zu Frank Kramer. Okay, wir alle wissen, wie viel Jobgarantien im Profifußball wert sind. Wir wissen aber auch, wie Samir Arabi klingt, wenn er etwas ernst meint. Obwohl ich mir gar nicht vorstellen will, wie er mit Poren aus dem Körper denkt…
…Spaß beiseite. Wir sind also ein Ausbildungsdingens und ziehen das jetzt durch. Fein. Was ein „Ausbildungsverein“ genau ist, ist nicht näher definiert, als tolles Beispiel und Vorbild in dieser Hinsicht wird aber immer der SC Freiburg genannt. Auch bei uns. Dann schauen wir uns den SC Freiburg mal genauer an.
Eins vorweg: Bei der Einbindung von Jugendspielern ist uns der Sportclub von der Dreisam um einiges voraus – hier muss (und wird) der Ausbildungsverein Arminia noch intensiver arbeiten. Auch innerhalb der strukturellen „Vereinsgruppe“ gibt es einige Unterschiede. Arminia hat mit dem SCF aber jetzt schon gemeinsam, dass man vielversprechende Spieler langfristig bindet, um entweder von ihrer Entwicklung oder ihren Transfererlösen (oder beidem) zu profitieren sowie ein Grundgerüst aus eben diesen Perspektivspielern und ein paar alten Haudegen in der Mannschaft zu haben – beispielsweise waren beim letzten Aufstieg des SCF 2016 neben Talenten wie Tim Kleindienst, Marius Schleusener oder Jung-Armine Pascal Stenzel auch Recken wie Mike Frantz und Florian Schuster im Kader.
Der SC Freiburg wird zu Recht für seine konsequente Vereinsstrategie gelobt- das gilt auch für die langfristige Arbeit mit Trainern. Volker Finke kam 1991 als No Name vom TSV Halvese. Er baute den Freiburger Weg für 16 Jahre mit auf, stieg dreimal auf und dreimal ab und führte die Badener zu ihrer ersten Europapokalteilnahme. Danach kam Robin Dutt. Der blieb vier Jahre und stieg einmal auf. Christian Streich hatte im Sommer zehn Bundesligajahre voll. Er stieg einmal ab und direkt wieder auf und klopft gegenwärtig wieder an das Tor Europas.
Kramer raus..und dann? (Wenn wir so ein FreiburgAusbildungsdingens sind)
Man erkennt darin durchaus ein Schema: Der SC Freiburg bleibt nicht nur konsequent bei seiner Vereinsstrategie, sondern auch konsequent bei seinem Trainer. Und so denken nun auch die Poren von Samir Arabi bei Arminia. Was aber nun, und das ist im Moment meine größte Sorge (werde aber gern vom Gegenteil überzeugt), wenn Frank Kramer kein Dutt, kein Streich, kein Finke ist?
Das Potenzial des Kaders auf die Straße bringen – seinem gerade im Konzept FreiburgAusbildungsdingens eigentlichen Job – scheint im Moment schwierig. Wer soll das FreiburgAusbildungsdingens dann als passender, am besten langfristiger Trainer übernehmen? Wer hat da Erfahrung, Meriten und schon Erfolge vorzuweisen? Spontan fällt mir da neben Streich nur Julian Nagelsmann ein. Die dürften beide eher schwierig aus ihren Verträgen zu reden sein. Und wenn Arminia nach einem Volker Finke sucht wie Freiburg vor 30 Jahren, dann können sie auch bei Frank Kramer bleiben.
ArminiaAusbildungsdingens
Wie viele Arminentrainer waren länger beim DSC als Robin Dutt bei Freiburg? Ganz genau zwei. Der eine hieß Frantisek Zoubek und kommt auf neun Jahre (zwischen 1922 und 1933). Der andere ist Power-Ernst mit sechseinhalb Jahren. Und beide nicht am Stück, sondern aufgeteilt auf jeweils drei Amtszeiten. Christian Streich hat gegen drei verschiedene DSC-Trainer gespielt (Meier, Neuhaus Kramer).
Was heißt das nun, wenn Arminia einen auf Freiburg macht? Dass es im Fall der Fälle mit Frank Kramer auch wieder in die Zweite Liga geht. Die Hoffnung ist, dass der Ausbildungsverein dann auch sportlich Früchte trägt, unabhängig davon, wie lange Kramer und sein Kader brauchen, um das Optimum bis Maximum aus sich zu holen und zu Punkten zu machen. Die Gelegenheit, das durchzuziehen, ist im Moment günstig. Arminia hat auch bei Durststrecken die Rückendeckung des Bündnisses Ostwestfalen und durch „konservatives Rechnen“ (O-Ton Markus Rejek) weniger Corona-Finanzballast an den Hacken als die meisten anderen Proficlubs.
Keiner will absteigen, aber…!!??!…
Für uns Fans ist es im Moment natürlich alles andere als nett. Wir werden uns umgewöhnen müssen. Bisher kennen wir Arminia nur als einen Club, der den Stall nicht reparieren kann, weil er mit Hühnerfangen beschäftigt ist. Mehr oder weniger erfolgreich, in 116 ½ Jahren. Nun müssen wir uns einstellen auf eine Arminia, die ein neues, noch nicht da gewesenes sportliches Konzept hat und das umsetzt. Das heißt, auch Durststrecken und Abstiege durchzustehen, um später Früchte Ernten zu können. Es ist ungewohnt und fühlt sich irgendwie komisch an – ist dieser für uns neue Weg tatsächlich der Weg in den sportlichen Obstgarten oder ein Holzweg?
Keiner von uns will absteigen und es wäre wirklich ärgerlich, wenn der DSC abstiege, obwohl es mit dem Potenzial der Mannschaft vielleicht vermeidbar gewesen wäre. Aber seien wir ehrlich- Ihr, die Ihr das hier lest und ich, wir gehen doch auch in der Zweiten Liga wieder hin. Ich selber erzähle viel zu oft, dass ich die Blauen Heimspiele gegen Recklinghausen habe verlieren und gegen Bayern habe gewinnen sehen, da passt eine Menge zwischen. Und ich persönlich würde mich gern daran gewöhnen, eine Arminia mit einer sportlichen Idee zu unterstützen im Bewusstsein, dass diese Idee sich auszahlt. Eine Arminia, die nicht nur Hühner fängt, sondern einen intakten Stall hat.
Nur – überzeugt mich bitte, Boys in Blue!
Am besten wäre es, wenn Kramer und die Jungs die Klasse halten, dann wäre allen Seiten Genüge getan. Und am allerbesten, sie fangen in Stuttgart an, daran zu arbeiten.