Liebe Leserinnen und Leser,
die folgenden Ausführungen sind völlig ernst gemeint, bar jeglicher ironischen Überspitzung und entstammen dem Erfolgsneid eines Arminen auf jede andere Fußballmannschaft.
Bei Red Bull Leipzig (im folgenden RB) erwartet man nahezu automatisch alles nur erdenklich Böse. Allerdings: Das stimmt nicht. Sei es Vereinsrecht, sei es 50+1…das ist alles blitzsauber eingetütet und aufpoliert wie das Image eines Gangsterbosses.
So ist auch die Fanhymne von RB auf den ersten Blick, oder besser: Auf das erste Hören, auch nur eine von den Zigillionen Pathos-Songs zwischen SV Obergammeldorf und FC Bayern München. Musikalisch Einheitsbrei, textlich auch. Ruft man sich aber ins Gedächtnis, dass es sich um RB handelt, muss man beim Text doch nochmal genauer hingucken. Und da wird es zynisch
RBL Fanhymne – Stolz des Ostens – Olé RB
Hier im Herzen Deutschlands, da gibt’s einen Verein [einen WAS???!!]
Mit dir und mir als zwölften Mann wird er ganz oben sein [oder mit R und B als einzigem Mann]
Wir sind gekommen um zu bleiben und nicht zu gehen [ich fürchte es auch…]
Geschichte zu schreiben – ihr werdet sehen [habt Ihr schon getan. Leider]
Und das ganze Stadion steht
„einmal Leipzig immer Leipzig he, he“ „einmal Leipzig immer Leipzig he, he“ [einmal Red Bull, immer Red Bull]
„einmal Leipzig immer Leipzig he, he“ „einmal Leipzig immer Leipzig he, he“ [einmal Red Bull, immer Red Bull]
Olé-olé, olé-olé, olé-olé–
Leipziger Jungs sind unterwegs rot-weiße Farben wohin ich seh [ich sehe da am liebsten gün-weiße]
Olé-olé, olé-olé, olé-olé –
unser Stolz des Ostens heißt RB, RB Rasenball olé [Na ja…]
Zu einem Rasen gehört ein Ball so wie Leipzig zu RB [Boah…gab’s wieder Heiligenscheine zum Selberbasteln in der Bravo?]
Hier wird Fußball noch gelebt mit Emotionen und Fairplay. […und in der Yps gleich mit?]
Mit den Fans als Rückendeckung und dem Herzen in der Hand [ersetze Fans mit „Brausefabrik“]
stürmen wir nach oben auf den Fußballthron im Land. [was immer Ihr wollt]
Wenn der Schiri pfeift, das Spiel beginnt, dann können es alle sehen. [übliche hohle Phrase]
Wie wir als zwölfter Mann hinter unserer Mannschaft stehen. [Eventgänger]
Fußball gelebt? Na ja, sagen wir mal, Fußball wird angeboten. Und völlig wertfrei gesprochen, es ist guter Fußball, mit Fair Play und Emotionen und so. Kicken mit „Herz in der Hand“ können die Rotrinder zweifellos. Auch die Arbeit des Nachwuchsleistungszentrums muss man jenseits aller Kritik loben.
Einer so charmanten Stadt wie Leipzig gönne ich auch einen Erstligaclub. Ich kann auch jeden verstehen, der in den letzten Jahren ans Sportforum geraten, damit zusammengewachsen und nun ein „normaler Fan“ im Sinne eines Fußball- und Fußball-Franchise-Konsumenten ist. So ehrlich müssen wir sein, das ist die große Mehrheit der Ballsportgenießer hierzulande. Ich kann sogar diejenigen verstehen, die einen eventuellen „Fußballthron“ von RB als „Stolz des Ostens“ feiern.
Aaaaaaaaaaaaber:
„Zu einem Rasen gehört ein Ball“- na klar. RB heißt Red Bull, ob in Salzburg, New York, Rio und in Asien werden sie auch noch sowas haben. Was kommt in der Geschichte der vernebelten Konzernnamen als nächstes? Dass in Ahlen Luft zum Rasen gehört? Und gehört „Leipzig zu RB“? War es nicht so, dass die Salzburger Brausebarone durch ungezählte Vereinslokal-Fenster geflogen sind, bis sich der SSV Markrandstädt nicht wehren konnte? Wo gehören Loksche und Chemie hin? Was sind „Leipziger Jungs“?
Kurzer Zwischeneinschub: „Rot-weiße Farben“ ist semantisch falsch. Das ist wie „akustisch hören“.
Aber kommen wir abschließend zum „Zwölften Mann“, zu den „Fans als Rückendeckung“ und vor allem zu „Verein“. Wie wichtig sind die „Fans als Rückendeckung“, wenn die nicht die Möglichkeit haben, mitzubestimmen? Klatschpappenvieh, das brav Dauerkarten und Merch kauft? Wie stelle ich mir bei 21 (!) stimmberechtigten Vereinsmitgliedern eine vereinsinterne Opposition vor? Ist DAS ein Verein? Oder ist da doch der Konzern der eigentliche „zwölfte Mann“ und die eigentliche „Rückendeckung“? Die Leute, die sich Strukturen, die Fans schaffen, absolut entziehen wollen (Originalzitat!)?
Man kann jetzt entgegnen, dass global die allermeisten Fans Klatschpappenvieh sind, die allermeisten Vereinsmitglieder wegen der Kartenvorkaufsrechte im Verein sind und vereinsinterne Debatten gerne Mal im Chaos enden. Ist nicht von der Hand zu weisen, aber das ist Vereinsleben, das ist Fußball, das ist Volkssport.
Und RB ist und bleibt in diesem Kontext das, was es immer war: Eine fußballspielende Litfasssäule. Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie die 21 handverlesenen Ja-Sager einen Antrag auf Änderung des Vereinslogos einreichen und mit Dreiviertel-Mehrheit dafür stimmen…schwierig…
Wenigstens können sie Zynismus in Allerwelts-Vereinshymnen. Hier gibt es die Nummer zu Hören.