Die Blauen 2024 – Raus aus der Talsohle

Die Blauen 2024 – Jahresrückrundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

2024 ist rum, für Arminia Bielefeld steht das Jahr des 120jährigen Jubiläums vor der Tür. Die wichtigste Erkenntnis des vergangenen Jahres 2024 ist wohl, dass die sportliche Talsohle der letzten drei Jahre – das Frühjahr 2024 mit eingeschlossen – durchschritten ist. Aber der Reihe nach…

Dunkel, finster, Taumeln

Bevor der Ball in 2024 rollt, bedient sich Arminia auf dem Transfermarkt. Aus Verl kommt Mael Corboz, der in der gemeinsamen Zeit beim Sportclub der verlängerte Arm von Mitch Kniat auf dem Platz war und im Sommer 2024 auch das Kapitänsamt übernimmt. Die Verler sind weniger begeistert…

2024

…die Arminen auch nicht und ernennen Corboz bald zum Chancentod, Ballvertändler, Fehlpasskönig, kurz: Zum Florian Hartherz 2.0. Dazu eine kleine Milchmädchenstatistik: Wenn Du viel rennst, viel machst, viel arbeitest, viel koordinierst, steigt Deine Fehlerzahl proportional zum Engagement. Das Fiese bei Fußballern ist, dass da vor allem die Fehler auffallen. Das schwarzweißblaue Universum wird im Fall Corboz nahezu das ganze Kalenderjahr 2024 brauchen, um dies zumindest halbwegs einzusehen.

2024

Aber 2024 geht ja gerade erst los und das gleich mit einem Knaller: Derby in Münster! Ebenfalls neu im DSC- Kader ist Taddel Momuluh, ausgeliehen von Hannover 96, der sich an der Hammer Straße gleich mit vielen Offensivaktionen zeigt. Arminia ist überlegen, geht durch einen verwandelten Elfmeter von Merv Biankadi in Führung, trifft ein paar Mal das Gestänge… und versäumt es, den Deckel drauf zu machen. So geht das Spiel an die Preußen, die sich spätestens in diesem Spiel auf zum Durchmarsch in die Zweite Liga machen.

Und Arminia macht sich auf den Weg in die mieseste Phase des Jahres. Die anderen Durchmarschierer aus Ulm treffen das Tor, Arminia trotz eifrigen Bemühens, aber ziemlich planlosen Spielens nicht. Jahn Regensburg hat die Blauen schon zur Halbzeit geknackt.

(Ui, wir hatten alle drei späteren Aufsteiger direkt hintereinander… fällt mir jetzt erst beim Schreiben auf)

„Wie kacke muss man sein, um das zu verlieren?“, schimpft Block 3 nach der nächsten Heimniederlage gegen Viktoria Köln. Finster ist es rund um Arminia. War in der Hinrunde in 2023 noch eine zu sorglose und unorganisierte Defensive die Herausforderung, ist es nun eine Torflaute und eine zu sorglose und unorganisierte Defensive. Die Niederlage zum Rückrundenauftakt gegen Dresden im Dezember 2023 mitgerechnet, ist Arminia Tabellenletzter der Serie, mit Null Punkten und 1:9 Toren. Das eine Tor war ein lumpiger Elfmeter, und selbst das ist ein Luxus, denn Elfmeter werden die Blauen bis zur Sommerpause reihenweise verballern.

Es ist kalt, es ist nass, es ist dunkel, es ist finster, Arminia taumelt nach zwei Abstiegen in Folge weiter halb bewusstlos durch den deutschen Fußball, vor der Süd ist seit gefühlt 300 Jahren kein Tor mehr gefallen und beim Mettbrötchen Holen am Bahnhof muss man sich Geläster von Viktoria Köln- Fans gefallen lassen. „Kniat raus!“ ist das allgemeine Diktum in der schwarzweißblauen Welt von Arminia Bielefeld. Es bleibt die vage Hoffnung, dass die Mannschaft ihr unzweifelhaftes Potenzial endlich mal in Zählbares umsetzt.

Das gelingt ihr beim Tabellenletzten in Freiburg, wo die qualitative Überlegenheit schon deutlich zu sehen ist. In den Tabellenkeller scheint die Mannschaft wohl nicht zu gehören. Allerdings: Sie ist im Tabellenkeller und kommt da auch erstmal nicht raus. Da brettert man nach einem gewonnenen Pokalspiel auf der Postheide in Hochstimmung Richtung Alm und hört im Radio von Uli Zwetz, dass die Kapelle nach überlegenem Spiel mal wieder ein bräsiges Gegentor von Unterhaching gefangen hat.

In Saarbrücken kriegen die Blauen im letzten Moment den Ausgleich. Auch so’ne Seuche in dieser Spielzeit. Gegen Verl bekommt die volle Alm ein grauenhaftes 0:0 präsentiert, natürlich mit verschossenem Strafstoß, der wohl den dringend benötigten Dreier bedeutet hätte.

So halb veredelt

Bundesliga? 2022 raus. Zweite Liga? 2023 raus. Dritte Liga? 2024? Rückblickend kann man ohne Übertreibung sagen, dass Arminia im Frühjahr 2024 am tiefsten Punkt der letzten Jahre angekommen ist. In der Talsohle. Der Vorteil an einer Talsohle: Sie ist kein Abhang mehr, den man ohne Bremse runter rutscht. Ach ja, Kniat? Nicht raus. Und so ganz allmählich beginnt dessen Ägide zu greifen. Heimlich, aber stetig.

Am ersten richtigen Frühlingstag des Jahres (der Rundumbeobachter ist deutlich zu warm angezogen) macht sich ein gewaltiger schwarzweißblauer Mob auf nach Dortmund. Beim kleinen BVB spielt Arminia sicher und kontrolliert und schlägt nach zwei Ecken zu. Und so allmählich bekommen die Blauen ihre Defensivlöcher gestopft.

Rückschläge gibt es in Mannheim, wo die Blauen Torchance um Torchance liegen lassen und 0:1 verlieren und in Ingolstadt, wo sie bis in die Nachspielzeit mit 1:0 führen, Torchance um Torchance liegen lassen und mit der letzten Schanzer- Ecke des Spiels zwei Punkte verlieren.

Obwohl die Punkteausbeute nach den gezeigten Leistungen durchaus besser hätte sein können (oder müssen) und Arminia immer noch gefährlich nahe an der roten Tabellenzone entlang schippert, es ist zu spüren, dass sich das Blatt gaaaaanz langsam wendet. „So halb veredelt“, hat der Rundumbeobachter nach dem 1:1 gegen RW Essen vermerkt. Das Heimspiel gegen Duisburg ist gefühlt der erste souveräne Heimsieg seit Cello Hartel dem Duo Voglklos aufgelegt hat.

Sensationell ist der Publikumszuspruch. Auch wenn überall geunkt wird, wie unzufrieden man sei, wie schlimm es doch bei Arminia sei – die Realität sagt etwas anderes. Etwa, dass während der bisher beschriebenen Talsohle mit anschließender Halbverdelung im Schnitt 19.268 Zuschauer auf die Alm kamen und die Blauen durch meist vierstellige Auswärtsmobs unterstützt wurden. Die Zeilen unserer Stadionhymne, die am besten zum DSC passen, sind „Wir sind da und halten immer fest zu Dir“ und „Gib nicht auf, lass uns gemeinsam in die Zukunft sehen“. Vor zehn Jahren verlor Arminia dieses Relegationsspiel gegen Darmstadt, es erwies sich als ein Moment des „Jetzt erst recht“- Gefühls. In 2024 gibt es einen solchen Moment nicht, wohl aber das Gefühl.

Zurückgezahlt wird das in einem Prestigeduell. Im Halbfinale des Westfalenpokals kommt Preußen Münster. Arminia gewinnt das Derby im Elfmeterkrimi und beschert der Alm ein Glücksgefühl (Block 3: „Mein Onkel holt jetzt acht Bier!“), das das Spiel eigentlich nicht hergab. Aber wir haben es gebraucht. Und verdient.

Vollpfosten

Zurück zum Spocht. Und da wird weiter halb veredelt. Es springen mehr Punkte raus als in der Talsohle, aber immer noch nicht genug, um den Aufwand zu belohnen. Oder, noch viel schlimmer, sich entscheidend vom Tabellenende abzusetzen. In Sandhausen ist der Sieg verdient und es wird endlich mal wieder ein Elfmeter verwandelt, wenn auch regelwidrig. Lübeck rührt Beton an, den Arminia nicht gesprengt kriegt. Und während des Alm-Cup im Walking Football muss der Rundumbeobachter vom 0:1 in Aue hören. Es gibt ein unfreiwillig spannendes Saisonfinale.

Eigentlich ist es weniger spannend, als wir es empfinden. Halle ist vier Punkte hinter Arminia bei zwei ausstehenden Matches. Aber es ist ein direktes Aufeinandertreffen im Tabellenkeller. Aber: Endspiel gegen den Abstieg in die Regionalliga, Sechs- Punkte- Spiel Arminia Bielefeld gegen Hallescher FC, obwohl das Potenzial ein anderes ist… das „Endspiel“ gegen die Chemiker aus Sachsen- Anhalt fühlt sich gleich mehrdimensional surreal an.

Und dann kommt es in der Nachspielzeit zum Schlüsselmoment des schwarzweißblauen Jahres 2024. Man sieht von der Süd, wie der Angreifer von rechts in den Strafraum zieht. Und abschließt. Man sieht, wie Kersken nicht mehr ran kommt. Man denkt, „Das war`s“… und dann ist das Ding am Pfosten. Alles weitere Nachdenken erübrigt sich. Fußballgottseidank.

Ende mit Aussicht

So bietet das Saisonende mit dem 2:0 bei 1860 München einen sportlichen Ausblick auf das, was nach der Sommerpause kommen sollte (und sich hoffentlich in 2025 fortsetzt): Souveräne Spielkontrolle, gutes Passspiel, effektiv heraus gespielte Tore, wenn es denn klappt.

Und es gibt noch was zu feiern. Arminia gewinnt den Westfalenpokal mit einem 3:1 gegen Verl. Louis Oppies 1:0 fällt sogar vor der Süd! Wie schon im Halbfinale gegen Münster sind über 20.000 Zuschauer auf der Alm und feiern den Titelgewinn. Der Westfalenpokal wird ja irgendwo zwischen nettem Ausflugsziel und lästiger Pflichtaufgabe wahrgenommen- seht es einfach so, dass ohne einen Sieg gegen Rödinghausen kein Sieg gegen Freiburg möglich ist. Außerdem hat Arminia damit mehr Titel als Bayern und Paderborn zusammen in 2024 geholt, yeah!

Die Legende geht, die Geschäfte auch

Im Sommer dreht sich das Transferkarussell. Doch bevor wir dazu kommen: Einer verlässt die wilde schwarzweißblaue Fahrt. Nach 13 Jahren hängt Fabian Klos seine Töppen in den Schrank. Nach dem Spiel gegen Halle nimmt Fabi seinen „Heim- Pflichtspiel- Abschied“.

Im Oktober bittet die Dampframme dann zum letzten Tanz. Zum Abschiedsspiel kommen ehemalige DSC- Mannschaftskameraden und Trainer, aber auch Gegner aus 13 Jahren Arminia- Geschichte auf die knallvolle Alm. Es ist der würdige Abschied des erfolgreichsten Spielers von Arminia Bielefeld, aber auch eine Zeitreise durch das letzte Zehntel der Vereinshistorie und ein bisschen Home Coming. Hey, UlmUlmUlm gegen Tego… es brauchte einen Fabi Klos, damit wir das mal sehen.

Aber zurück zum Transferkarussell. Taddel Momuluh können die Blauen nicht an sich binden, trotz intensiver Bemühungen. Bei Putaro heißt es beim Heimspiel gegen Aachen auf Block 3: „Wat? Da ist der jetzt?“. Manuel Wintzheimer ist eh schon als Chancentod verschrien, André Becker wird nicht nur die Rückennummer 39, sondern auch diese Mecker- Zielscheibe von Wintzheimer übernehmen.

Viel Geschimpfe gibt es bei den Abgängen der Jungspunde aus dem U17- Meisterschaftsjahrgang, vor allem bei Henrik Koch und Lukas Kiewitt. Wie man denn die Zukunft so herschenken könne, wie man denn Talente weggeben könne, die uns langfristig weitergeholfen hätten. Gleichzeitig fordern wir übrigens Verstärkungen, die uns SOFORT weiterhelfen. Hach ja, Ostwestfalen… Übrigens findet sich zum Jahresende da ein schöner Kompromiss: Der 17jährige Daniel Sumbu spielt sich in den Profikader, trifft im Westfalenpokal, legt ein Drittligator auf und macht im letzten Spiel des Jahres in Mannheim seine erste Ligabude. Und von dem werden wir noch mehr sehen.

Bei den ebenfalls abgegangenen Nicklas Shipnoski, Tom Geerkens und Aygün Yildirim ist man nicht sicher. Hätten die sich mit dem vorhanden Potenzial nicht noch als wichtige Stützen erweisen können? Nun ja, für die gilt, was auch für Kaito Mizuta gilt, um den es gerade hartnäckige Abgangsgerüchte gibt: Mal ein genialer Moment ist gut und schön, aber konstant solide Leistungen sind da doch „brauchbarer“.

Und da haben die Blauen insgesamt recht gut ins Karussell gegriffen. Nicht nur, dass das Torwart- Duo Kersken/Oppermann fest verpflichtet werden konnte. Da wir ja alle so auf Zahlen stehen: 19 Tore und elf Vorlagen haben die Neuzugänge zur bisherigen Pflichtspielsaison beigesteuert (Okay, da ist auch Westfalenpokal dabei). Acht davon steuert Julian Kania bei, den Arminia irgendwie in der Transferlotterie gegen beleidigte Dresdner gewinnt (wenn ich das richtig verstanden habe).

Stefano Russo spielt im defensiven Mittelfeld jede Position, lässt sich auch mal vorne blicken und ist zusammen mit Marius Wörl der stärkste Vorlagengeber der Hinrunde. Joel Felix erspielt sich schnell und zu Recht einen Stammplatz in der Innenverteidigung, fehlt dann aber verletzt.

Dribbelflitzer Isaiah Young ist irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn unterwegs. Der wird uns auch im nächsten Jahr im ganzen Gefühlsspektrum unterhalten. Lukas Kunze haben wir genauso lieb wie weiland seinen Zwillingsbruder. Mika Schroers ist brutal schnell, aber noch auf dem Weg, seine Bindung ins Spiel zu finden. Felix Hagmann erweist sich als gute Ergänzung in der Verteidigung, innen und außen. Jeredy Hilterman schnappt sich erstmal die Dampframmen- Rückennummer, kommt dann aber verletzungsbedingt nur zu wenigen Einsätzen. Kann aber was werden.

Pokale – ein würdiges extra Kapitel

Jetzt sind wir auf der Hälfte des Arminia- Jahres 2024 angekommen und der Rundumbeobachter stellt mit Freude fest, dass Talsohlen komplett und Halbveredelungen nahezu durch sind und es ab jetzt positiver wird.

Und wenn wir die Saison 2023/2024 mit einem tollen Pokalerlebnis beenden, starten wir die neue Saison gleich mit einem extra Kapitel zu den Pokalen. Die Leserschaft wird festgestellt haben, dass Arminia bisher eine lupenreine weiße Weste in den K.O.- Wettbewerben des Jahres 2024 hat. Ebenso wird sie erlebt haben, dass dies im Jahr 2024 auch so bleibt. Da haben sich die Pokale ein extra Kapitel verdient.

Fangen wir an mit dem Westfalenpokal oder, wenn Ihr wollt, dem Weg zu den DFB- Pokalpartys in 2025/2026. Das allererste Pflichtspiel der neuen Saison führt Arminia nach Oerlinghausen zum TuS Lipperreihe, wo die Blauen ein 2:0 aus der Hand geben und sich erst im Elfmeterschießen vor der Blamage retten. Schieben wir es nicht auf ein blasiertes Spiel, sondern lieber auf tapfere Gastgeber und die Tatsache, dass es eben das allererste Pflichtspiel war, …okay?

Zur zweiten Runde in Versmold beim SC Peckeloh ist es mehr Familienausflug als Fußballwettbewerb. Es ist der letzte heiße Sommertag des Jahres, es gibt Eis, eine fröhliche Atmosphäre, nebenan ein Freibad. Schon ein netter Trip in die Metzger- Hochburg. Man muss sich nur das Spiel wegdenken, das mehr als zäh verläuft und das Arminia in der Nachspielzeit gegen einen tapfer um das Elfmeterschießen kämpfenden SC 1:0 gewinnt.

Die dritte Runde auf der Alm gegen Westfalia Soest trifft auf ein Interesse Rödinghausenschen Ausmaßes. Man kann sich auf den halben Block J legen und ein bisschen Fußball gucken. Wer nicht da war, hat drei Pflichtspieltore von André Becker verpasst. Interessant wird der Ausflug im Viertelfinale nach Wanne- Eickel bzw. zu Westfalia Herne. Es waren ordentlich Arminen da, allerdings gefühlt doppelt so viel Polizei, die nach dem Spiel dafür sorgte, dass einige Verkehrsadern dicht waren und der Rundumbeobachter einen Spaziergang durch Wanne- Eickel Richtung Bochum Hauptbahnhof machen und Ruhrpott- Linienbusse kennenlernen konnte/ musste/ durfte. Lohnt sich nur bedingt.

Das Spiel hat Arminia souverän nach Hause geholt. Falls es noch ein paar Argumente braucht, um Westfalenpokalspiele zu gucken: Ihr findet auswärts alles an Oldschool- Fußballkultur, was das Herz begehrt. Nette alte Sportstätten, klassische Eisverkäufer, Bierbuden- Talk, überlaufende Toilettenhäuschen, Gastgeber die „Scheiß Arminia“ brüllen und/oder Autogramme von Oppie wollen. Das Halbfinale wird im Januar gelost. Im Topf: Sportfreunde entweder aus Siegen oder Lotte und wer Rödinghausen gegen Verl gewinnt. Ich bin für Siegen auswärts. Weil das Wortspiel so schön ist.

Einen Unterschied zwischen Westfalenpokal und DFB- Pokal muss man allerdings anerkennen: Man muss dabei gewesen sein, um es wirklich zu fühlen. Dieses wahnsinnige Knistern auf einer ausverkauften Alm, wenn man weiß, dass Arminia Außenseiter ist, aber fühlt, dass alles möglich ist, wenn die Tagesform stimmt. Wie es dann spätestens mit dem ersten Tor des DSC auf den Rängen losbricht und zur gewaltigen Stimmung wird. Im DFB- Pokal des Jahres 2024 ist alles Schwarzweißblaue in Bestform, sowohl Mannschaft als auch Publikum.

Hannover 96 kommt kurz nach Ligabeginn auf Lohmanns Weide, es gibt ein Wiedersehen mit Vogi und dem anderen Kunze- Zwilling. Sollte man erwähnen, da die Roten alles andere als von der Leine sind und die Genannten genauso wenig auffallen wie ihre Mannschaftskameraden. Arminia ist über 90 Minuten das bessere Team und schlägt den ambitionierten Zweitligisten mit 2:0. Ein Strahl von Oppie- JAAAAAAAAA! Vorher das 1:0 durch das erste Pflichtspieltor von Becker (habt Ihr mitgekriegt? Klar habt Ihr!)- JAAAAAAAAA!

Das bisher letzte der fünf Becker- Tore ist wieder ein 2:0, diesmal gegen Union Berlin. Der scheint eher ein Pokal- Spezialist zu sein, der Becker, höhöhö… Wie dem auch sei, gegen die Eisernen, zu dem Zeitpunkt Bundesliga- Vierter, kämpft Arminia, schießt alles raus, grätscht alles weg und spielt zwischendrin auch ansehnlichen Ballsport. Überragender Mann des Abends ist Marius Wörl, der nicht nur einige Angriffe einleitet und Beckers 2:0 vorbereitet, sondern mit einem frechen Heber das 1:0 selbst erzielt. PAAARRRTYYY!

Und das Freiburg-Spiel… da hat Arminia selbst ein tolles Video gedreht, in dem man einfach mitfühlen kann. Kerskens gehaltener Elfer, Lannerts Traumtor, der Videobeweis und in Folge das 2:0 durch Kania, Oppies Kontertor zum 3:1, ach, Ihr wart doch alle live dabei. Zu geil zu beschreiben. Na ja, fast…

Arminia als Drittligist im DFB- Pokal, einen Zweitligisten und zwei Bundesligisten weggeräumt, eine Mannschaft aus Berlin und Werder Bremen ist Thema. Erinnert mich irgendwie an was.

Last Minute umgedreht

Apropos erinnern… erinnert Ihr Euch noch an oben im Text, wo steht, dass Arminia in 2023/2024 einige Punkte in der Nachspielzeit verlorengegangen sind? Das gehört der Vergangenheit an! Gerade in der Frühphase der Saison drehen die Blauen die Malässe mit Last Minute einfach mal um. Beim Aufsteiger aus Cottbus köpft Maxi Großer eine Ecke ein und Arminia gewinnt ein 1:1. Im ersten Heimspiel gegen die Zwote vom BVB ist es Mizuta, der kurz vor der Schlussflöte einköpft und Arminia damit ein 0:0 gewinnt.

Das Auftreten der Blauen ist um einiges engagierter und souveräner als in der Vorsaison. Ein roter Faden zieht sich allerdings durch das ganze Kalenderjahr 2024: Am Aufwand gemessen fallen (zu?) wenig Tore. Jetzt kann man natürlich die Last Minute- Tore als Zeichen einer Bayer Leverkusen-„Wir machen schon unser Tor“- Einstellung werten (hat was Verführerisches), muss dann aber auch einräumen, dass sowohl das Spiel in Cottbus als auch das Spiel gegen Dortmund und das nächste Heimspiel gegen Sandhausen, in dem Isi Young wieder in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielt, durchaus früher im Spiel hätten entschieden werden können. Die Spielverläufe gaben es her.

Krank und besser als…

Natürlich läuft nicht alles rund. Die torlosen Unentschieden in Essen und Saarbrücken schmecken so wie alte, lappige Fischstäbchen. Das in Essen wie alte lappige Fischstäbchen in der Sommerhitze. Gegen 1860 München rennen die Blauen an, treffen das Tor nicht- und kassieren ein deppiges Tor des Monats.

Bei den „jungen Wilden“ aus Stuttgart (sagt man das da noch so?) erwischt Arminia einen völlig gebrachten Abend, lässt die Schwaben laufen und verliert 0:3. In Saarbrücken gibt es lappige Fischstäbchen, in Wiesbaden lappiges Gulasch. Und auch beim Heimspiel gegen Alemannia Aachen ist deutlich mehr drin als das 1:1, das es wird.

Die Talsohle mag durchschritten sein, so ganz ist 2023 und das halbe Veredeln aber nicht aus Arminia raus, auch wenn im Fußball gebrauchte Tage und unglückliche Punktverluste eben vorkommen. Aaaaaaaaaaaaaaaaaber: Irgendwie läuft es. In Aue gewinnt Arminia ein Spiel mit 3:1, das nach dem Spielverlauf im Vorjahr mit ziemlicher Sicherheit verloren gegangen wäre. Und das Spiel gegen Verl, dass tatsächlich ein paar Monate zuvor 0:0 ausgegangen ist, endet trotz ähnlichen Verlaufs nicht 0:0 (bzw. 1:1), sondern wird durch das nächste Last- Minute Tor durch Joel Felix zugunsten von Schwarzweißblau entschieden.

So heimlich, still und leise geht es aus dem Tal heraus wieder nach oben. Ob Hannover 96 wohl stolz darauf ist, in 2024 sowohl mit der ersten als auch mit der zweiten Mannschaft gegen Arminia verloren zu haben? Jedenfalls: Nach einem 4:1 beim Nachwuchs von Hannover 96 haben es die Blauen unspektakulär geschafft, nach der Niederlage in Stuttgart zehn Punkte aus vier Spielen zu holen und sich im Spitzenviertel der Dritten Liga festzubeißen.

Wie sagte Kniat vor dem Heimspiel gegen Viktoria Köln? „Wir sind besser als am 5. Spieltag“ (das war das 3:1 in Aue), „ und da waren wir schon besser als am ersten Spieltag“ (das war das 2:1 in Cottbus). Wie sagt Block 3, während eben dieses Heimspiel mit 2:0 gewonnen wird? „Glaubste immer noch, das geht 0:0 aus?“. In Kombination sind diese beiden Aussagen durchaus bezeichnend. Es ist besser geworden rund um die Alm und auf ihr.

Es wird unspektakulär besser. Natürlich wird immer noch jedes Gegentor, jeder Punktverlust auf die Goldwaage wahlweise von Corboz, Becker oder natürlich Kniat gelegt, aber auch im schwarzweißblauen Umfeld kommt nach der Tristesse von drei Jahren Absturz und Talsohle allmählich bessere Laune auf. 20.516 besuchten die Ligaspiele des DSC- der Zuschauerzuspruch ist nicht der rote, aber der schwarzweißblaue Faden in 2024. Und die Stimmung auf der Alm sowieso.

Aber natürlich ist es toll, etwas Spektakuläres dabei zu haben. Und das ist Louis Oppie. Gegen Osnabrück dröhnt er einen Freistoß aus unmöglichem Winkel ins Netz, gerade, als das Match zu kippen droht. „Krank“, wie er nachher selbst zu Protokoll gibt. Gegen Ingolstadt ballert er in bester Jonas Kamper- Manier einfach mal drauf und erzielt den Siegtreffer. Und da sind die bisherigen Ligatore und die im Pokal noch gar nicht eingerechnet. „Er hat es schon wieder getan“, johlt Sebi Wiese nach einem Oppie- Tor.

„Oppie“, murmelt Block 3 beschwörend, wenn die Nummer Vier sich den Ball zurechtlegt oder in Strafraumnähe das Spielgerät übernimmt. Der Linksverteidiger mit der Panzerfaust im linken Fuß, der so aussieht wie sich Shane MacGowan angehört hat, mausert sich zum mehr oder weniger heimlichen Publikumsliebling in Ostwestfalen- Lippe.

Pokalparties und Pokalkater

Zur Jahreshauptversammlung des DSC Arminia Bielefeld e.V. steht die Profimannschaft auf Platz Zwei der Tabelle, punktgleich mit dem Spitzenreiter aus Sandhausen, auch die Tordifferenz ist gleich. „In 2024 haben wir nur fünf Niederlagen“, verkündet man mit berechtigtem Stolz. Was nicht stimmt, es sind sieben. Trotzdem eine gute Zahl.

Insgesamt werden es neun Niederlagen. Auf das ganze Kalenderjahr 2024 ist das immer noch ganz okay. Allerdings nur aufs ganze Jahr. Denn die letzten zwei Niederlagen passieren in den letzten Wochen des Jahres. Nach der rauschenden Pokalnacht gegen den SC Freiburg ist Arminia mit Auskatern beschäftigt. Dummerweise liegen zwischen Pokalparty und Weihnachtsurlaub noch vier Pflichtspiele, aus denen Arminia nur zwei Punkte holt. Auch der Last-Minute- Ausgleich gegen Haching fühlt sich zu wenig an. Wenn man den Faden gegen Freiburg verfeiert hat, fällt es schwer, ihn gegen Haching oder Mannheim wieder aufzunehmen.

Zum neu Fokussieren kommt die Winterpause genau richtig. Arminia steht mit 31 Punkten auf Platz Vier der Dritten Liga, einen Punkt Rückstand auf den Relegationsplatz, sechs Punkte sind es bis Platz Zwei. Dort steht Energie Cottbus, erster Gegner im neuen Jahr.

Gib nicht auf, lass uns gemeinsam in die Zukunft sehen

Zweieinhalb Szenen sind aus Rundumbeobachters Sicht symbolisch für 2024. Zum Ersten ist das der Abschied von Fabian Klos. Es ist nicht nur der Abschied von einer Vereinslegende, sondern sinnbildlich für das Ende eines Abschnitts der Vereinsgeschichte, der in der Dritten Liga mit Klos und Stefan Krämer seinen Anfang nahm, in der Bundesliga gipfelte und dann wieder in der Dritten Liga endete. Ein Abschnitt mit vielen schönen unvergesslichen Momente, bei dem man aber das Gefühl hat, dass mehr hätte passieren können. Ein typisches Arminia-Gefühl.

Zum Anderthalbten ist es die Hymne, die nach der Verabschiedung von Klos im Anschluss an das Spiel gegen Halle gespielt und von der noch komplett vollen Alm zelebriert wurde. Symbolisch dafür, dass es bei Arminia immer weiter geht. Und schlussendlich der Pfostenschuss des Halleschen FC, der nicht nur die Weichen für einen Drittligaverbleib und damit für die Fortsetzung der in 2023 begonnenen Arbeit stellte sondern auch zeigt, dass es der Fußballgott manchmal doch gut meint mit Arminia Bielefeld.

Was sollen wir uns wünschen für das Jubiläumsjahr 2025? Dass die Defensive weiter oder mit Blick auf die jüngsten Spiele wieder konzentriert bleibt. Die Offensive ist nicht so schlecht, wie wir sie gern reden, aber da darf gerne mehr Effektivität rein. Man kann sich nicht immer auf Last- Minute- Tore verlassen. Generell wäre es schön, wenn die Rückfälle in 2023 und das halbe Veredeln weniger und weniger werden würden.

Und sonst? Infrastrukturell ist Arminia ein Zweitligist, der in der Dritten Liga draufzahlt. Aber eine Rückkehr in die oberen Stockwerke des deutschen Fußballs sollte nicht nur einen finanziellen Hintergrund haben. Ob man sich die Jahresrückrundumbeobachtungen 2025 in der Zweiten Liga wünschen oder sie gar fordern soll, weiß ich nicht. Welchen Anspruch hat man als Fan von Arminia Bielefeld?

Klos hat in drei unterschiedlichen Spielklassen für den DSC gespielt und getroffen. Drei Ligen in 13 Jahren, im Durchschnitt dürfte das etwa Platz sieben bis acht in der Zweiten Liga sein. Man stelle sich vor, das bekäme man angeboten. Will man nicht, da man sich noch lebhaft an die Bundesliga erinnern kann. Kriegt man nicht, da die sportliche Realität eine andere und mit den Jahren nicht einfacher zu bewältigen ist.

Lasst uns den Anspruch stellen, uns auf Heimspiele und Auswärtsfahrten mit den Blauen zu freuen, unsere gemeinsamen schwarzweißblauen Rituale und unsere Liebe zu diesem Club zu leben. Lasst uns nach Hause auf die Alm kommen. Denn das hat 2024 auch gezeigt: Auch eine Talsohle schweißt zusammen.

Und den Anspruch stellen wir nicht nur, den werden wir erfüllen.

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