FC St Pauli gegen Arminia 0:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Gut ging es ja los, das Pokalwochenende. Und wenn die Partie des zweiten Pokaltags FC St Pauli gegen Arminia heißt, sie in Hamburg stattfindet, in der kultigen Adolf- Jäger- Kampfbahn zu Altona … da fehlen die Gegenargumente. Also ab in die Freie und Hansestadt.
Der Rundumbeobachter war vor knapp 15 Jahren schonmal vor Ort. Und er hat heute die leise Befürchtung, dass die „AJK“ wie so viele andere Stadien dem Sanierungswahn der Fußballoberen zum Opfer gefallen sein könnte. Aber: Nix da!
Immer noch der „Meckerhügel“, der heute als Gästeblock dient. Immer noch die Haupttribüne mit schmutzig- sandigen Sitzschalen. Lediglich an der Lautsprecheranlage ist seit 2009 gefeilt worden.
Immer noch der Grashügel hinter dem Tor. Links und rechts davon Fress- und Saufbuden, die von Bratwurts bis Fischbrötchen, von Bier bis Fairtrade- Kaffee alles im Angebot haben, was das Herz des Ballsport- Gourmets begehrt.
Und die Gegengerade… da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, um den Fußballromantiker sabbern zu lassen. Der hölzerne “Altonaer Balkon”? Die Natur, die sich die Ränge zurückholt? Die krummen und schiefen Wellenbrecher? Ach, ich lasse Bilder sprechen…
Die 1.Frauen des FC St.Pauli werden tüchtig vom Verein gepusht. Und dass St.Pauli mobilisiert und mobilisieren kann, ist auch kein Geheimnis. Knapp 1.400 Zuschauer kommen zum Pokalspiel gegen die Blauinnen und sorgen für eine fantastische Atmosphäre.
Entscheidend ist aber aufm Platz. Und da machen die Gastgeberinnen zu Beginn des Spiels ordentlich Dampf. Sie rennen, sie spielen… aber fußballgottseidank kommen sie Tor- Lisa nicht allzu nahe. Die Blauinnen verteidigen gut. Trotzdem „Hab ich ein mulmiges Gefühl“, wie es von Arminenseite heißt.
Erst so ab 20 gespielten Minuten kann Arminia sich ein bisschen befreien. Schon die erste Ecke wird knapp am langen Pfosten vorbei gestochert. Obwohl St.Pauli gefährlich bleibt, bekommen die Blauinnen mehr und mehr Initiative. Jetzt noch das richtige Zuspiel und…
…erstmal nichts, da das richtige Zuspiel noch nicht kommt. Jocy Hampel, Thandie Reinkensmeier, beide kommen erst mal knapp zu spät. Präzision ist auf beiden Seiten nicht angesagt. Konzentrierte Defensive schon.
„Forza St.Paulä, St.Paulä, St.Paulä St.Pauläääää“ (Ja, hört sich so an). „Bie- le– feld! Bie- le– feld!“. Etwa 80 Arminia sind auf der AJK und machen ordentlich Alarm. Das Weserkollektiv von der Meckerecke aus. Schreihals Gerd liefert der Haupttribüne einen Solo- fight. Und die hier und dort verteilte schwarzweißblaue Anhängerschaft stimmt ein. Geile Stimmung hier!
Jocy und Thandie… gerade eben noch erwähnt. Im Zusammenhang mit „und…“ JETZT! Jocy kommt über links. Ihr erster Flankenversuch wird noch geblockt, der zweite erreicht die freistehende Thandie, die zur Führung für die Blauinnen einnickt.
0:1! Ein ausgeglichenes Spiel, aber Arminia ist das Tor effektiver. Eigentlich könnte Fußball ganz einfach sein. Dass er das nicht ist, noch nicht einmal unter Gültigkeit der Physik, zeigt sich kurz darauf, als St.Pauli aufs Tor schießt, der Ball erst am linken, dann am rechten Pfosten abprallt, bevor Tor- Lisa ihn verbuddeln kann. Das Mysterium „Tor-Lisa trotz der Physik“ entzaubert die Nummer Eins der Blauinnen nach dem Spiel übrigens selbst: Ihre Trinkwasserflasche hat so perfekt hinter Pfosten und Torlinie gelegen, dass der Ball nicht in die Kiste kullerte.
Also mit einer leicht verdienten 1:0- Führung in die Pause.
Halbzeit. Heute jährt sich die Einweihung der Postheide zum fünften Mal. Und wenn wir das Jubiläum schon nicht vor Ort begehen können, dann ist die AJK ein würdiger Ersatz. Ey, selbst die Aborten sind kultig!
Erstes Highlight der zweiten Hälfte: Eine Spielunterbrechung. Ein Flitzer rennt aufs Feld. Die kompetenten Sicherheitsleute werden seiner sofort habhaft und tragen ihn vom Platz. Im drohen 30 Jahre Stadionverbot. Liest sich sensationell, oder? Aber stimmt nicht. Richtig ist die Sache nämlich so: Spielunterbrechung. Ein Flitzerchen, geschätzt vier Jahre alt, rennt aufs Feld. Mama hat den kleinen Kerl im dritten Versuch eingefangen und trägt ihn vom Platz. Im droht eine Woche kein Nachtisch.
Zwei dicke Chancen in Folge für St.Pauli, beide klären die Blauinnen mit vereinten Kräften. Es ist auf Augenhöhe. Ein spannendes Spiel. Ein enges Spiel. „St.Paulähäää- ST.PAULÄ-HÄÄÄ!“. „Arminiahaaa! BIELEFEHEEEELD!“.
„St.Pauli hat einige Geschwindigkeitsvorteile“, stellen Gäste fest und liegen damit empfindlich richtig. Aber Arminias Ab wehr steht, und wenn es nur Reinwerfen, Reingrätschen oder REINwasauchimmer ist
Wieder zwei gefährliche Kopfbälle der Gastgeberinnen. Wuaaah! Wie gesacht, is eng. Ein 2:0 würde beruhigen. Ein bisschen Entlastung können die Blauinnen fahren. Aber St.Pauli kämpft. In der modernen Fußballsprache heißt es in solchen Situationen immer: „Das Momentum wechselt.“. Immer diese vornehmen Lateiner beim Bezahl- und Nicht- Bezahl- TV. „Mal haben die Schwung, mal die andern.“ Das tut es auch. Hier in diesem Spiel auf jeden Fall.
„ST.- PAU- LI! ST.- PAU- LI!“ (hier ohne „ä“) – „BIE- LE- FELD! BIE- LE- FELD!“
Spiel ist eng. Knappe Viertelstunde noch. Die Pässe werden auf beiden Seiten… nennen wir es mal: Kreativer. Der Rundumbeobachter erneuert seinen Wunsch nach einem präzisem Zuspiel in die Spitze. Und erhöht den Wunsch auf ein 2:0. Das würde die Sache beruhigen. Eng- eng- eng- eng- eng hier!
Und dann geht es einfach. Jocy Hampel geht in den Strafraum und hält einfach mal drauf! Von der Latte in die Maschen! YEEEAAAAH! Jocy krönt ihre bärenstarke Leistung.
2:0… und das beruhigt. Ein bisschen. St.Pauli gibt nicht auf, obwohl die Kräfte merklich schwinden. Aber es soll nichts mehr passieren. Köln, Köln, wir fahren nach Köln!
In der zweiten Runde empfangen die Blauinnen Werder Bremen auf der Postheide. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Jetzt feiern wir erstmal einen tollen Nachmittag mit toller Atmosphäre und einem tollen Ambiente. Wie lautet nicht die alte Weisheit? „Macht diesen Ground!“
Für zeitloses Lesevergnügen ist die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ empfohlen. Da stehen viele Lagerfeuergeschichten drin, auch über die Blauinnen. Die Fibel gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?