Herforder SV gegen Arminia II – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Fußballfreunden im Allgemeinen und Arminen im Besonderen kommt man nicht mit Vernunft. Schon gar nicht auf einen Sonntag. Dem Rundumbeobachter sowieso nicht. Und wenn der dann noch feststellt, dass im das Herforder Ludwig-Jahn-Stadion immer noch in seiner Groundsammlung fehlt (peinlich, peinlich), der Gastgeber noch einen Beitrag zu seiner Wimpelsammlung präsentiert…
…und dann auch noch Blauinnen involviert sind (O-Ton Stadionsprecher: „Arminia Bielefeld kommt im Jahnstadion“), dann hat die Frage „Herforder SV gegen Arminia II, haste Bock?“ nur eine Antwort. Also rüber in die Nachbarschaft!
Pro-Tipp: Den Wohlfühl-Faktor eines Stadions ist proportional zum Nostalgie-Faktor der Kassenhäuschen.
Das Ludwig-Jahn-Stadion hat nostalgische Kassenhäuschen – und einen hohen Wohlfühl-Faktor! Viele Herforder haben ihm Bezug auf die Schüssel ein Bundesjugendspiele-Trauma (wie viele Auren von tollen Stadien die Jagd nach Siegerurkunden wohl schon versaut hat…Hallo Russheide!). Nun, es ist nun mal ein städtisches Mehrzweck-Stadion mit Laufbahn, Hochsprung-Matte und Weitsprung-Kiste. Die Kurven und die Gegengerade sind aber eindeutig Fußball. Beton, Wellenbrecher, alte Schilder, Zaun zum Spielfeld. Charme der Neunziger!
Das gilt auch für die Haupttribüne.
Großen Fußball hat das Ludwig-Jahn-Stadion auch erlebt. Die Bayern im DFB-Pokal gegen den Bünder SV, zweite Liga mit dem Herforder SC einschließlich Derbys gegen Arminia und Frauen-Bundesliga mit dem Herforder SV Borussia Friedenstal.
Die Bundesligazeiten sind länger vorbei – heute spielen die Gastgeberinnen in der viertklassigen Westfalenliga. Ebenso die U23 der Blauinnen, Liga-Neuling nach einer furiosen Landesliga-Saison.
In die neue Spielklasse müssen sich die schwarzweißblauen Mädels erst reinfinden. Herford hat gefühlt 337 Prozent Ballbesitz und ein paar ziemlich gute Einschussmöglichkeiten. Arminia schafft es mit Glück und Geschick, das meiste abzuwehren.
Dat is hier Amateurfußball und da stellen die Clubs die Linienrichter. Was in diesem Match zu der ungewohnten räumlichen Konstellation führt, dass zwei LiRis eine Spielfeldhälfte bewachen. Immerhin müssen sie kein Abseits winken, sondern bloß Einwürfe. Den Rest entscheidet der StabsoberFlötenMensch. Was enoooorm beruhigt und nur dadurch ausgeglichen wird, dass es keinen VAR gibt. Behalten wir trotzdem im Hinterkopf, uns bei den zuständigen Verbänden über unbewachte halbe Spielfelder zu beschweren? Wenn Arminia verliert?
Nach Niederlage sieht es aber immer weniger aus. Die U-Blauinnen befreien sich mehr und mehr und setzen vor allem auf Umschaltmomente. Und Mitte der ersten Hälfte stochert Haley Jane Flatemersch den Ball in die Herforder Maschen! Yeeeah! Die kann’s auch eine Liga höher!
Nette Stimmung auf den Rängen. Etwa 150 Zuschauer sind gekommen, davon ein ordentlicher Pulk aus Bielefeld. Viele Vereinsmitglieder und junge Spielerinnen des Herforder SV Borussia Friedenstal komplettieren das Publikum und das Stimmengewirr auf der Haupttribüne. „Spiel ab!“ – „Bie-le-feld!“ – „Koooommm!“ – „Alina, bind’ mal Deine Schuhe zu!“. Herrlich!
Arminia hat jetzt deutlich mehr vom Spiel, allerdings lassen die Mädels reihenweise Chancen zum 2:0 liegen. So bleibt es bis zur Pause bei dem einen Tor.
Halbzeit. Fußball-Fraß von der Bude hinter der Haupttribüne. „Meine Currywurst-Spezial-Sauce. Eigenes Rezept! So heiß, da lohnt sich auch das Pusten nicht.“ Will ich haben! „Currypulver drauf?“ Na sicher! Und: Die Spezial-Sauce schmeckt fantastisch! Gebt in Dortmund mal Kurse in Currywurst!
Auch charmant: Die Herforder Junior-Kickerinnen, die den Nachtisch – frisch gebackenen Kuchen – verkaufen. „Sechs Euro“. Nein, Acht. „…Echt? [rechnet] Ach ja, doch.“ – „Nicht wundern, die ist nur Realschule.“ Boah, das ist aber fies, das tat weh. „Ja, ich bin völlig am Boden zerstört *lach*“ Gebt in Bochum mal Kurse in lustigem Catering!
Leider kann Arminia an die starke erste Hälfte nicht anknüpfen und verliert etwas den Faden. Der HSV (ja, HSV) kommt immer stärker auf und erzielt den Ausgleich. Jubel bei den Herforderinnen, auch bei den Kuchenverkäuferinnen aus allen Sekundarstufen. Ob man von Bielefelder Seite die Floskel „Jetzt rächt sich, dass sie das 2:0 nicht gemacht haben“ hört? Selbstverständlich!
Nach dem 1:1 kommen die U-Blauinnen wieder stärker auf. Sie rennen, sie kämpfen. Leidenschaftlich. Mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Besonderer Nachteil: Herford kann mit Umsicht eine Menge der schwarzweißblauen Angriffe abfangen.
„Auf geht’s, Siegen und Kämpfen“, ruft der Stadionsprecher in der Schlussphase. Netter Verdreher, denn das geht ja eigentlich andersum. Und im Fall von Arminia ohne „Siegen“. Die letzten Minuten gehören dem DSC, der wieder zahlreiche Hochkaräter liegen lässt. So bleibt es am Ende beim Unentschieden. Geht insgesamt auch in Ordnung.
Applaus gibt es für den Herforder SV Borussia Friedenstal. Immer wieder schön, einen Verein zu erleben, der lebendig ist und wo man merkt, dass sich Jung und Alt mit Hingabe um ihn kümmern. Und wenn dann auch noch der Rahmen stimmt- Applaus!
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