Rundumbeobachtungen DSC14/15-11: Holstein Kiel gegen Arminia 1:0
Rundumbeobachter von 2022: Arminia ist also Spitzenreiter. Bevor es an die Förde zum Auswärtsspiel geht, wird erstmal die nächste Stufe zur Gänsehautentzündung genommen:
Ja guck! Da haunse doch tatsächlich die alte Dame raus! Mein Brotjob verhinderte eine Teilnahme, aber das ist doch mal richtig geil! Und das, wo ich doch so ein gespaltenes Verhältnis zum DFB-Pokal habe. Auf der einen Seite: Toller Motivationsschub, gut fürs Ansehen und vor allem gut für die leere Kasse.
Auf der anderen Seite: Nach Verlängerung und Elfmeterschießen vielleicht schwere Beine, wenn es darum geht, die Tabellenführung zu verteidigen. Zumal heute bei Holstein Kiel gegen Arminia außerordentliche Rahmenbedingungen gelten. Spiele gegen Holstein Kiel finden auf einem Marktplatz statt, der am Ende komplett verwüstet ist und der Ball wird öfter mal mit einer Melone verwechselt. Zumindest, wenn „Werner – Alles Klar!?“ so realistisch ist wie Facebook-Posts von jemandem, der sich als Sandro Wagner ausgibt.
Also nach Kiel, Deutschlands nördlichste Großstadt. Kiel ist eine gemütliche Arbeiterstadt, in der es viele spannende Sachen zu entdecken gibt. Es gibt den Nord-Ostsee-Kanal. Es gibt den kleinen Kiel mit Schwänen drauf. Es gibt einen Landtag. Es gibt ein Schifffahrtsmuseum. Dass man im Norden ist, merkt man daran, dass die Eisdielen nicht „Bella Italia“, sondern „Petersen“ heißen. Es gibt Straßen, die „Haßstraße“ und „Elendsredder“ heißen. Es gibt Straßenschilder nach Oslo. Es gibt hohe, schmutzige Wohnhäuser. Kiel ist wie Oberhausen, nur mit Ostsee, und diese Mischung macht es besonders. Kiel hat Stil, Kiel hat Charme. Bin immer wieder gerne da.
Die KielerSportvereinigungvonNeunzehnhundertzehnEhVau, vulgo: Holstein Kiel, gehörte bis 1963 der jeweils höchsten Spielklasse an, stand dreimal im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und gewann diese im Jahre 1910. Damit hat Holstein Kiel mehr erreicht als, sagen wir mal, Arminia. Mit der Einführung der Bundesliga sind die „Störche“ dann auf der Strecke geblieben, wie auch der ganze Rest Schleswig-Holsteins, sieht man mal von ein paar Zweitliga-Besuchen von Holstein und ihren Erzrivalen aus Lübeck ab.
Trotz gefestigter Drittklassigkeit ist Holstein Kiel nicht die große Sportnummer der Stadt. Die heißt „THW Kiel“ und spielt Fußball mit permanent vergrößerter Körperfläche, quasi Handball. Es gibt in Kiel Autos, deren Hutablagen und Heckscheiben mit Schals, Wimpeln und Krimskrams eben dieses Handballvereins verziert sind. Da hat Holstein Kiel auf jeden Fall die Solidarität aller Fußballfans verdient. By the way, erinnert sich noch jemand an die einst zweitklassige TSG Bielefeld? TSG Altenhagen-Heepen?
Das in Wik gelegene Holsteinstadion wurde in den Nuller-Jahren mehrfach umgebaut. Lediglich die Gästekurve ist von der Schüssel früherer Tage geblieben. Der Ausbau führte zu ein paar architektonischen Eigenwilligkeiten wie einer kanalschleusenartig aufragende Haupttribüne. 11.386 soll die Hütte laut Stadionguide fassen. Heute füllen 7.644 Zuschauer die Stahlrohrtribünen, und es ist richtig voll. Sah nicht so aus, als könnten da noch 4.000 mehr rein.
„Sieht aus wie reingestopft“, meint eine Stimme hinter mir. Vollgestopft ist der Gästestehplatz, so dass ich auf den Sitzplatz, Gegengerade Block K3, ausweichen musste, schön eng dran am Spielfeld. Schwer, die Arminen vor Ort zu schätzen, war aber eine deutlich vierstellige Zahl.
In der ersten Halbzeit gucken Schwolow und wir Gästefans in die Sonne. Das Spiel beginnt zäh. Marc Lorenz, der für Dennis Mast in der Startelf steht, hat die ersten Halbchancen für die in Rot-Schwarz spielenden Blauen. „Da isser!…Nein!“. Guck, der Rufer ist auch da. Außerdem beginnt Burmeister für Kluge. „WeiterWeiterWeiter!“. Auch der Rufer ist mit an die Förde gefahren. Arminia ist technisch besser, aber ohne wirklich gute Ideen. Die Kieler Störche haben Schiss, so zumindest die Einschätzung auf K3.
Tatsächlich verteidigt Holstein sehr geschickt und geht immer mit zwei Mann auf den ballführenden Arminen, was UlmUlmUlm und den heute unglücklichen Hemlein komplett aus dem Spiel nimmt. Wackerer Support auf beiden Seiten. Unser Stehplatz singt durch. Die Holstein-Fans fallen vor allem durch viele Wechselchants mit den anderen Tribünen auf. Schwarzweißblaue Wechselgesänge sind problematisch, da zwischen K3 und der Gästekurve noch ein Holstein-Stehplatzblock ist.
Wir starten ein paar Mal „ARMINIAHAAAA!“, aber es dringt nicht durch. In der 36. Minute taucht Schwolow unter dem Ball her, wird auch angegangen, Heider netzt ein. Foul war das! Nein, verschätzt! Abwehrfehler! Gezeeeeter! Schiebt es einfach auf die Sonne und vertraut darauf, dass es Arminia dreht. Nach dem Pokalsieg war die Brust doch sooo schön breit…
Zum Halbzeitpfiff ertönt eine gewaltige Schiffshupe. Cool! Versorgungsstände und Bauwagentoiletten sind überfüllt. Wer auf der Tribüne bleibt, kann Teenagercellulite (Cheerleaders) begucken und anhören, wie Holstein-Sponsoren von einen (Zitat) „selbstverständlichen“ 2:0 Sieg am Ende ausgehen. Und man kann live den Mann des Spiels wählen.
Originelle Idee: Die SMS-Grüße auf der Anzeigetafel. Kein einziger Arminengruß. Auf dem Platz: Maskottchen „Stolle“, natürlich ein Storch. Der ziemlich hohe Schulteraufsatz – langer Hals, Kopf und langer Schnabel des Klappervogels – hängt etwas nach vorne, was dem ansonsten lustigen Maskottchen eine etwas gichtige Optik verleiht.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit flankt der für Lorenz gekommene Dennis Mast auf Fabi, der das Gehäuse knapp verfehlt. Kurz darauf versucht es Schuppan aus der zweiten Reihe. Der Optimismus steigt wieder auf K3. „Die haben sich die Tore für die zweite Halbzeit aufgespart!“. Nun ja. Vielmehr agiert Arminia immer ideenloser, da hilft auch die Doppelspitze nicht, als Testroet für Hemlein kommt. Der DSC versucht es immer wieder durch die Mitte, obwohl Mast mehrfach auf links blank steht und wie ein Kraulschwimmer mit den Armen rudert. „KIIÄÄÄÄÄÄL!“ brüllt die Heimfraktion.
Mir fällt auf: „Kiel“ kann man sehr schön auf einem Atemzug brüllen und es klingt gut. Geht bei „Bielefeld“ nicht. Und bei „Köln“ klingt es doof. Richtig gekniffen in der Hinsicht: „Osnabrück“. Etwa ab der 55. Minute haben es die Gastgeber mit Alexander Scholow, der bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen wird. Davon gibt es einige, da Arminia bevorzugt zurückspielt. K3 hat es derweil mit dem glatzerten Kieler Herrmann. „Wir ham Haare, und Du nicht!“ .
In der 74. Minute wird ein klares Foul an Burmeister im Kieler Strafraum übersehen. Kurz darauf vereitelt Torstorch Kronholm spektakulär einen Drehschuss vom Fabi. „Seid Ihr zum Handball zu schlecht?“, ruft K3. Nein. Nach der folgenden Ecke sehen wir Spitzenhandball – doch wieder bleibt der Pfiff aus. Und kurz darauf die Punkte für Arminia. „Wie, jetzt haben wir gegen diese Plattfischbrigade [geiles Wort!] verloren?“.
Ja, das haben wir. Und so plattfischig war Holstein nicht. Sie haben in der ersten Halbzeit gut verteidigt, in der zweiten Halbzeit wurden sie kaum herausgefordert. Ein Fehler hat das Spiel entschieden. Bringt nix, über den SchiRi zu meckern, Arminia ist auswärts mal wieder an sich selber gescheitert. Bin gespannt, wann der erste mit „die zwei Gesichter des DSC“ um die Ecke kommt.
Das hört erst dann auf, wenn sie es schaffen, so ein Spiel mal dreckig zu gewinnen. Oder die Wucht der Heimspiele zu konservieren. Nächste Woche spielt der Spitzenreiter auf der Alm, wieder einmal heißt er nicht Arminia. WeiterWeiterWeiter! Später vor dem Bahnhof kommt mir noch ein vor Lachen brüllender Holstein-Fan entgegen und erzählt: „Einer von Euch hat eben mitten auf der Bahnhofsbrücke gefragt, wo denn die Ostsee sei.“.
Dat alles is Arminia…
Im übrigen finde ich es skandalös, dass Lohmann nicht auf dem diesjährigen Adventskalender abgebildet sein wird. Und dabei hat er noch nicht mal eine eigene Hymne!!!