13 Jahre spielte Fabian Klos für Arminia Bielefeld. Stürmer, Mannschaftskapitän, Rekordspieler, Rekordtorschütze, Identifikationsfigur. Aber was unterscheidet Fabian Klos von anderen schwarzweißblauen Legenden? Lasst uns das, bevor wir ihn auch in den Rundumbeobachtungen verabschieden, einmal herausarbeiten. Dabei soll es weniger um die Rekorde und Statistiken gehen, die sind bekannt und können an -zig Stellen nachgelesen werden.
Treue – Ein seltenes Gut, erst recht beim DSC
Obwohl… doch, fangen wir mit ein paar Zahlen an. Die Gesamtheit aller Lizenzspieler in den ersten drei Ligen umfasste in der Saison 2023/2024 etwa 1.300 Kicker. Ordnet man diese nach „Vereinstreue“, also nach der Zeit, in der sie ohne Unterbrechung, auch ohne Leihgeschäfte, für einen Club gespielt haben, ist Fabi auf Platz Fünf. Vor ihm sind lediglich die beiden Gladbacher Urgesteine Patrick Herrmann und Toni Jantschke, die zum Saisonende nach 15 Jahren in der Fohlenelf ihre Karrieren beendeten. Auf Platz zwei ist Werbe- Allzweckwaffe Thomas Müller, der ins 16.Jahr beim FC Bayern geht.
Länger ist nur noch Torwart Martin Männel beim FC Erzgebirge Aue. Hübscher Fun Fact: Gegen Männel traf Klos viermal, dabei erzielte er zwei Rekordtore: Im Jahr 2018 zog er in Arminias ewiger Torschützenliste mit Jonny Kuster gleich. Zwei Jahre später krönte er sich zum Zweitliga- Rekordtorschützen des DSC.

Schaut man auf die schwarzweißblauen Kultkicker, die wir in die Jahrhundertelf und zum 111. Jubiläum des Clubs gewählt haben, sind dort mit Arminias erstem Nationalspieler Walter Claus- Oehler (17 Jahre) und Stopper Schulz (16 Jahre) zwei Spieler länger bei Arminia gewesen. Wolfgang Kneib war wie Klos 13 Jahre dabei, mit Unterbrechung. Latscher Pohl steht mit 12 Jahren im blauen Hemd als nächster hinter Klos. Doch stammen all diese Herren aus anderen Zeitaltern des Fußballs. Dass Klos in drei Ligen für die Blauen spielte und traf, ist tatsächlich nicht so besonders. Da fallen dem Rundumbeobachter Spieler wie eben Stopper Schulz, Thomas von Heesen oder Markus Schuler als Spieler und als Torschützen unter anderem Stefan Studtrucker ein, ohne groß googeln zu müssen.

Schaut man auf die letzten 20 Jahre, ist das Fußballbusiness immer schneller und gieriger geworden. Wilder und wilder wird mit Geld gelockt und um sich geschmissen. In der Fress… äh… Transferkette dieses Geschäfts steht Arminia bekanntlich nicht weit oben. Und da ist Klos’ Vereinstreue zum DSC schon besonders. Es gab die Angebote aus anderen Clubs- Braunschweig, St.Pauli, Duisburg, Paderborn, Hannover, alle standen sie mehr oder weniger ernsthaft auf der Matte. Klos blieb in Bielefeld und gab sich 13 Jahre lang all das Auf und Nieder. Rote Erde gleichwohl wie Westfalenstadion in Dortmund.
Konstante wie ein Fan
Wie heißt es doch so schön? Spieler kommen und gehen, Fans bleiben. Fans gehen durch die Höhen und Tiefen des Sports mit ihrem Club, sie fiebern mit, freuen sich mit, leiden mit. Und gerade bei Arminia Bielefeld, immer zwischen sportlichen Extremen unterwegs, entsteht eine besonders enge Bindung zwischen Fan und Club. „Beziehungen entwickeln sich. Ich habe gemerkt, was Arminia mir bedeutet und dass es irgendwie so sein soll, dass man mit Arminia durch dick und dünn geht“. Das liest sich wie das ziemlich präzise Psychogramm eines Arminia Fans, ist aber eine Aussage von Fabian Klos im Interview mit Magenta TV.

„Niemand von euch hatte es über all die Jahre immer leicht mit mir, und doch habt ihr mich so genommen wie ich war und akzeptiert.“, sagt Klos in einem Statement auf Instagram, „Mehr noch, ihr habt mich zu dem Menschen gemacht der ich nun bin, und dafür bin ich euch allen sehr dankbar! Wir hatten sicherlich auch schwere Momente zusammen, umso glücklicher bin ich dass wir unsere gemeinsame Geschichte positiv zu Ende geschrieben haben. Ich werde immer einer von euch bleiben, ich werde immer Armine sein. Denn Herzblut ist blau.“

So oder so ähnlich hätte auch ein Fan der Blauen über sich selbst gesprochen. Klos hat nicht nur in diese besondere – um nicht zu sagen: besonders komplexe – schwarzweißblaue Welt hineinwachsen müssen, er ist darin gewachsen, es hat ihn geprägt, trotz aller Widrigkeiten, die ein Leben mit Arminia Bielefeld mit sich bringt. Für uns Fans, die wir die unzähligen Buckleys, Wimmers, Friedrichs und wie sie nicht alle hießen erleben durften, ist es besonders bedeutsam, wenn ein Profi ausspricht, durch lange Jahre dasselbe erlebt und vor allem empfunden zu haben wie wir Fans selbst.
„Man verliebt sich nur einmal im Leben, bei Arminia und mir ist das so“, sagt Klos. Bei uns Fans, die dieses Zitat in der Abschiedschoreo verwenden, ist es auch so. Klos hat die Dinge manchmal „kaputtgedacht“, sagt er zur Sportschau. Wie wir Fans das auch allzu oft tun. „Einfach“ geht halt bei Arminia nicht. Mehr Drama geht nicht. Sagte Klos ebenfalls. Wie wir Fans das sagen und empfinden. Egal ob auf der Auswechselbank, ob vor dem Block oder vor der Kamera: Klos lacht, weint, guckt manchmal sachlich und manchmal schimpft er auch. Wie wir Fans.

Oftmals schien und scheint es ja so, als seien die Fans die einzige Konstante bei Arminia. Klos war unsere Konstante gegenüber, auf dem Spielfeld. Aufstiegsfeier? Fabi stimmt die erste Humba des Tages an. Der Frust entlädt sich beim Relegationsabstieg? Fabi steht vor dem Zaun.

Ein Mensch offenbar ohne Allüren, der den Sport „mehr als Fan denn als Profi“ wahrnimmt, wie er in einer Homestory bei Sky erzählt. Dort sagt er auch, dass er Verantwortung übernehmen will und Dinge, die er „mit verbockt hat, ausbaden“ will. Und das sagte er mehrfach in seinen 13 schwarzweißblauen Jahren. Er hatte das Bewusstsein, Verantwortung übernehmen zu müssen und die Bereitschaft, tatsächlich Verantwortung zu übernehmen. Für das, was passierte gleichwohl wie für das, was kommen sollte. Trotz „auch menschlich nicht einfacher Phasen“ ist er dabei geblieben.

Die untypische Fußballer Karriere des Fabian Klos, aus der Kreisliga, über die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg zum DSC, mit dem DSC Dritte bis Erste Liga und zurück, passt zudem sehr schön in unsere mehr gefühlten als ausgesprochenen Arminia Klischees. Und seine Identifikation mit dem Club, die übernommene Verantwortung, macht ihn zum positiven Gegenentwurf zu Spielern und Funktionären, die Arminia auf der Jagd nach Ruhm und Reichtum verließen oder sich nach dem Scheitern großer Pläne aus der Verantwortung stahlen.
Die „Figur Klos“- Avatar für unsere Gefühle
Und so wurde Fabian Klos vor diesem Hintergrund durch die Jahre zum Avatar unserer Emotionen. Wir jubelten mit ihm, wenn er die Murmel versenkte. Wir feierten mit ihm die erste Humba des Tages. Wir träumten vom Sieg, wenn er traf, träumten von guten Zeiten, wenn er auf dem Zaun seinen Lieblingssong „Arminia Bielefeld, nur Du bist das, was zählt“ anstimmte. Und bei schlechteren Spielen, bei Torflauten, war es gern mal Klos, auf den wir uns einschossen, über den wir meckerten, der für uns „kein Erst[oder Zweit- oder Dritt-]Ligaspieler“ war.

Sowieso, das Meckern… das haben wir Ostwestfalen laut kollektiver Selbsteinschätzung ja perfektioniert. Auf den Punkt brachte es eine Bekannte nach dem Spiel gegen Halle und Klos’ Verabschiedung: „Er wird fehlen. Egal, wie es gerade um Arminia stand, mit Klos war immer einer da, über den man sich aufregen konnte.“. Dass das bisweilen skurrile Züge annahm, liegt auf der Hand. Ich weiß nicht mehr genau, welches Spiel es war, ich meine, es war damals gegen Duisburg, als Klos einen Dreierpack schnürte und trotzdem nachher in der Linie 4 Richtung Bahnhof irgendein Drömmelkopp moserte, dass die Truppe schlecht sei. „Und der Klos erstmal, meeein Gott…“.

Interessant auch die Debatten in den Sozialen Medien nach Spielen, denn auch in denen bekam Klos, auch wenn es allgemein um die Spiele ging, sein extra Fett. Von „Klos viel zu schlecht , nach vorne grauenhaft.“ bis „Nur Fabi haut sich rein“ ist alles vertreten. Nicht selten im selben Thread.

Wenn sowohl Spieler als auch Fans dieselbe Loyalität empfinden, bleiben Zusammenstöße in der Hitze des Spiels natürlich nicht aus. Es gab sie reichlich. Klos, der wütend auf Block J losprescht, das haben wir öfter gesehen. Exemplarisch für den Umgang miteinander bei solchen Vorfällen: Das Zweitliga- Heimspiel gegen Kaiserslautern im April 2016. Erst verballerte Klos eine Riesenchance sehr zum Unmut des Publikums, das schon seit längerem schwache Heimspiele ertragen musste.
Dann kommt kurz vor Schluss der Ball halbrechts in 20 Metern Torentfernung auf Klos. Der schlägt ihn aufs Tribünendach. Einige der Zuschauer quittieren das mit Pfiffen. Dann der Schlusspfiff, Arminia hat 0:1 verloren. Klos rennt in Richtung Ränge, wild gestikulierend und offenbar auch wild schimpfend, Die Bezeichnung „Vollidioten“ soll gefallen sein. Die Ränge pfeifen und meckern zurück.

Nachher sind die Fans pikiert und regen sich in den sozialen Medien über den Käptn auf. Der reagiert auf Facebook mit einer Entschuldigung und einem Statement: „Ich bin allerdings auch jemand der die Eier hat sich für falsches Verhalten und respektlose Wortwahl zu entschuldigen. Das tue ich hiermit, mein Ausdruck einigen von euch gegenüber war nicht richtig und eben aus der Emotion heraus gesagt, sorry dafür. […] Ihr wisst dass dieser Verein mir sportlich alles bedeutet, und ich weiß dass es bei euch genauso ist, also nehmt die Entschuldigung an und lasst es uns im nächsten Heimspiel besser machen oder eben auch nicht.“

Und die Fans? Wir nehmen die Entschuldigung an und gehen entgegen unserer „Meckerer- Gewohnheiten“ differenziert damit um. Tenor: „Leben geht weiter“. Und wer das für nichts Besonderes hält, stelle sich vor, was los gewesen wäre, wenn nicht Klos, sondern Hartherz, Prietl oder Mael Corboz auf die Tribüne losgewütet wären.
Und dieser Avatar, diesen Spiegel und Projektionsfläche unseres ständigen Auf und Nieder mit Arminia, der hat uns gut getan, weit über Spiele, Tore und Rekorde hinaus. Die Daueroptimisten haben Klos genauso gebraucht wie die Dauermeckerer. Und so haben wir auch einhellig gerade in den letzten Jahren jeden Sommer aufs Neue die Vertragsverlängerung mit dem „Fußballgott“ gefordert.
Time to move on
Nun gibt es also keine Vertragsverlängerung mehr. Die aktive Zeit des Fabian Klos bei Arminia Bielefeld ist vorbei, trotzdem er in Zukunft Botschafter des Vereins werden wird. Jubler, Träumer und Meckerer trauern gleichermaßen und gleichermaßen mit Grund. Viele Fans sind in ihrem Arminia Leben mit Klos aufgewachsen, für uns alle ist er über die Jahre ein Teil des Arminia Erlebens und Teil der Arminia Familie gewesen. Die Konstante, der Avatar für Emotionen, der Spieler und Kapitän, der genauso hineingewachsen ist wie wir und dafür den selben seelischen Preis zu zahlen bereit war wie wir, ist nun nicht mehr da. Dass eine ähnliche Figur in Zukunft noch einmal kommen wird, ist höchst unwahrscheinlich.

Der Abschied von Fabian Klos bedeutet außerdem den endgültigen Abschied von der Gänsehautentzündungszeit, dem schwarzweißblauen Zeitalter, das mit der Zeit Stefan Krämers ihren Anfang nahm. Er bedeutet auch das endgültige Ende des Wirkens von Samir Arabi. Verdammt, selbst die Rundumbeobachtungen gibt es jetzt 12 Jahre und Klos war immer dabei!

Daher, in schlichten ostwestfälischen Worten: Vielen Dank, Fabian Klos, dass es Dich gibt und dass Du da warst. Danke für deine Tore, deine Spiele, deine Rekorde, deine Treue, Deine Ehrlichkeit, Deine „Eier“! Danke Fabi, Sturmtanne, Dampframme, Charline Hartmann von Arminia Bielefeld für jede Menge Textinspiration! Danke… einfach fürs Fabian Klos Sein.
Wie geht es nun ohne Klos weiter mit uns? Kommen diese Auf und Nieder- Momente jetzt nicht mehr wieder, weil die „Figur der Momente“ nicht mehr da ist? Als Kneib, Labbadia oder Wichniarek damals gegangen sind, habe ich gedacht, dass Arminia diese Abgänge nicht würde verkraften können, Hilfe, Weltuntergang! Heute weiß ich, dass es trotzdem weitergeht. Und wenn Arminia eins wirklich nicht kann, dann ist es kaputt gehen.

Wie geht es weiter – die Antwort ist einfach: Arminia geht weiter. Die Rückennummer 9 ist wieder vergeben. Jeredy Hilterman, der sie ab jetzt tragen wird, muss nicht die Lücke von Klos auffüllen. Der muss gute Spiele liefern und Tore schießen. Nicht als zweiter Klos, sondern als erster Hilterman.
Mit dem Ehrenspielführer hat Arminia Fabian Klos einen würdigen Titel verliehen. Und wie schon an anderer Stelle geschrieben– Erzählen wir von ihm! Jedem neuen Gesicht, das wir ab 2024/2025 auf der Alm sehen, berichten wir vom Rekordtorschützen, vom Tor des Monats gegen Sandhausen, von den Tränen beim Klassenerhalt. Erzählen wir unseren Nachkommen, dass wir die Legende Fabian Klos damals live haben spielen sehen. So bleibt die Erinnerung an ihn lebendig – auch in uns. Ohne dass wir ihn ins Verhältnis zur aktuellen Mannschaft setzen. Die hat es verdient, sich selbst Anerkennung (und Gemecker) zu verdienen.

Lassen wir Klos zum Schluss noch einmal selbst zu Wort kommen. „Auf die Leute in Bielefeld kann man sich verlassen. Bei Erfolg sind sie da, wenn es nicht läuft, sind sie erst recht da“ (sportschau.de). Lasst uns diesen, seinen Auftrag erfüllen, wie wir ihn immer erfüllt haben. „Wenn wir auf die Fresse fliegen, dann stehen wir halt wieder auf“. Lasst uns dabei bleiben, in der Zeit nach Klos wie in den Zeiten vor Klos und mit Klos. Und natürlich…
Arminia Bielefeld, nur DU bist das was, was zählt! So war es, ist es, bleibt es!
13 Jahre Fabian Klos rundumbeobachtet- Fotos und Textauswahl
Für zeitloses Lesevergnügen ist die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ empfohlen. Da stehen viele Lagerfeuergeschichten drin. Fabi kommt natürlich öfter vor, sogar mit eigenem Kapitel. Die Fibel gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…? (Auch viel von Fabi drin)