Bis in den Tooood! – Lippstadt 08 gegen Germania Gladbeck

Lippstadt 08 gegen Germania Gladbeck – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Zur Saison 2008/2009 hat der DFB die Dritte Profifußball-Liga erfunden. Das hatte zur Folge, dass die gesamte Ligastruktur des institutionalisierten Fußballs unterhalb der Zweiten Liga komplett neu getrimmt wurde. So wurde der Meister der viertklassigen Oberliga Westfalen 2007/2008 Teilnehmer der viertklassigen Regionalliga West 2008/2009. Oder am konkreten Beispiel: Preußen Münster stieg von der Vierten Liga in die Vierte Liga auf. Die anderen Vereine gingen in die Sommerpause und schauten beim Erscheinen der Spielpläne, welche Spielklasse in 2008/2009 die ihre war.

Lippstadt 08 gegen Germania Gladbeck

Soweit waren wir aber noch nicht, als Lippstadt 08 und Germania Gladbeck im Mai 2008 aufeinander trafen.

Lippstadt 08 gegen Germania Gladbeck

Schauplatz am vorletzten Spieltag der Oberliga Westfalen 2007/2008 ist das Stadion „Am Feldschlößchen“ in Lippstadt. Ein niedlicher Name irgendwo zwischen Biermarke und Wirtshaus im Baumbestand. Ein hübscher, kleiner Fußballplatz mit großartiger digitaler Anzeigetafel: Spielstand, Spielzeit und Außentemperatur, beides in Rot auf Schwarz, den Vereinsfarben des Gastgebers.

Lippstadt 08, immerhin Stammverein von Bayern-Vizekönig Karl-Heinz Rummenigge, hat großes vor. Da ist es natürlich notwendig, sich an die große Fußballwelt anzupassen. Zum Beispiel, indem man auch auf einer eher kleinen Tribüne einen Familienblock absteckt. Dort sitzen zwar Leute, aber keine Familien. Die waren hinter der Bande der Gegengeraden. Die Kinder toben zwischen den Wurst- und Getränkebuden herum, an deren Angebot sich ihre Väter gütlich tun. Hinter der Gegengerade ist direkt eine stark befahrene Allee, ein paar Meter Luftlinie zum Spielfeld. Wer zuletzt berührt hat, holt.

Entsprechende Szenen sind nicht unrealistisch heute. Für beide Teams geht in der Tabelle nichts mehr in irgendeine Richtung (von oben angesprochener Ligareform mal abgesehen) und daher spielen sie frei von der Leber weg. Der Gast aus dem nördlichen Ruhrgebiet (in blau) nützt seine Chancen besser und führt zur Halbzeit mit 2:1.

Germania Gladbeck hatte zu Beginn der Saison übrigens auch großes vor. Das hat zumindest Kalle in Gladbeck erzählt, wo ich die Saison eröffnet habe. Kalle war der typische Kerl, der über alles und jeden Bescheid wusste, oder das zumindest meinte. Solche Leute sind in der Regel schwer loszuwerden und heißen erschreckend oft Kalle. Jedenfalls gab es in Gladbeck entgegen Kalles mehrfacher Bestätigung keinen Wimpel für meine Sammlung. In Lippstadt übrigens auch nicht. Hrmpf.

Die Fans von Kein-Wimpel-Schwarz-Rot und Kein-Wimpel-Blau sind interessant zu beobachten. Die „Fanszene Lippstadt“ hat mehr Zaunbanner als Leute, was jene aber nicht vom Dauersupport abhält. Originelles Beispiel: Erst die Herren: „Wir sind die Jungs in Schwarz und in Rot, wir sind Lippstadt treu bis in den Toooood“. Dann die Damen: „Wir sind die Mädels in Schwarz und in Rot, wir sind Lippstadt treu bis in den Toooood“. Und Da Capo.

In Hamm hatten sie tatsächlich mal Transparente gegen Polizeiwillkür dabei. Hat wahrscheinlich einer ein Falschparkerknöllchen gekriegt. Aus Gladbeck sind sogar zwei Gruppos angereist: Die „Ultras Gladbeck“ und die „Champagner Crew“. Mit großer Trommel! Umgeschnallt! Nicht ein einziges Mal draufgehauen. Irgendwie möchte man sie doch alle mal in den Arm nehmen. Es ist faszinierend, wie identifikationsstiftend Fußball ist: Kein Verein ist zu unbedeutend, um nicht eine eigene Fanszene zu haben. Und das ist gut so!

Das mit dem In-den-Arm-nehmen habe ich übrigens gelassen, da mein Bedarf an Gladbecker Kalles für dieses Jahrtausend gedeckt ist. Und wenn die Schwarzroten Mädels eh schon Lippstadt treu sind…

Jedenfalls setzt sich der muntere Kick auch in der Zweiten Halbzeit fort. Am Ende des Spiels hat Gladbeck 3:2 gewonnen. Am Ende der Saison haben beide die Vierte Liga gehalten und spielen in der nächsten Saison fünftklassig in der neuen NRW-Liga.

Gegenwärtig ist die NRW-Liga abgeschafft, die fünfte Spielklasse heißt seit einem Jahr wieder Oberliga Westfalen. Erster Meister der alten und neuen Liga: SV Lippstadt 08. Sie steigen – und das ist amtlich – in die Vierte Liga auf und werden zur ersten Runde des DFB-Pokals Bayer Leverkusen im Waldschlößchen empfangen. Kalle sah Germania Gladbeck mittelfristig in der Zweiten Liga, die Entwicklung war erwartungsgemäß antiproportional: Schon ein Jahr später war der Verein insolvent und wurde komplett abgewickelt.

Aber irgendwo wird schon der nächste Kalle auf mich warten…Stay tuned!

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