Not yet, Kameraden!-Paderborn gegen Arminia 2:2

Paderborn gegen Arminia 2:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

„Fährst Du mit den Ultras?“ – „Nee, mit dem Zug, höhöhö…“. So tönt es durch die Linie 1 Richtung Senne. Die kurze Auswärtsfahrt zu Paderborn gegen Arminia beginnt am Bahnhof Brackwede, weil Brücken und so. Obwohl (oder gerade weil) es keinen Sonderzug gibt, ist die Bimmelbahn in die Bistumshauptstadt leer und die Reise entspannt. Außer dass der Elektroschaffner während der Fahrt ein paar mal „Ausstieg in Fahrtrichtung links“ verkündet. Ohne jeden Zusammenhang, lies: Haltepunkt.

In Paderborn angekommen transportieren uns durchnummerierte PaderSprinter (der Rundumbeobachter zum Beispiel sitzt in Nummer Sieben) zu dem, was hier für ein Stadion gehalten wird. Der Bus padersprintet eine halbe Ewigkeit durch die Dunkelheit, so dass viele befürchten, direkt zurück nach Bielefeld gebracht zu werden. Erst Ausstieg und Eingangskontrollen können die letzten Zweifel ausräumen.

Paderborn gegen Arminia

Bekanntermaßen geizt die Bielefelder Fußballnachbarschaft nicht mit Fußballsongs der Kategorie „intellektueller Tiefseegraben“. Schaut man nach Nordwesten, ist Osnabrück eine geile Sau, die sogar ein beleuchtetes Klo hat (Hurra!). Paderborn steht dem in nichts nach. Im Wellblechpalazzo huldigt ein grauenhafter Song den Vorzügen von Schützenfesten im Hochstift gegenüber Ballermann und Ibiza, garniert mit Homevideos lippensynchroner Hochstifte. Mannomann…Hochstift und Paderborner Land sind wirklich schön und die Schützenfeste tolle Happenings – so eine musikalische Fahrkarte habt Ihr nicht nötig. Exakt 23 Minuten und 44 Sekunden vor Anstoß singt der Heimblock „Ostwestfalen Idioten“. Das, liebe Paderborner, enthält schon einen kleinen Denkfehler, ’ne!?

Schwung ist drin im Spiel der Blauen. Christiansen, Hartherz, Voglsammer Schütz – bis zur zehnten Minute hat Arminia schon viermal aufs Tor geschossen und etwa gleich viele Ecken herausgeholt. Das Publikum auf dem Gästeblock ist misstrauisch – die letzten Spiele gingen ja ähnlich los. Aber es weiß die Bemühungen der Blauen zu würdigen. Auf Bielefelder Art und Weise. „Guck mal, jetzt haben sie fast’n Kopfball hingekriegt“.

Auf den Rängen herrscht Stimmungsboykott. Nur nicht für ein paar Paderborner links. Pfeifkonzert. Sind die dooooof. Aber wer im Glashaus sitzt…Auf den Rängen herrscht Stimmungsboykott. Nur nicht für ein paar Bielefelder links. Pfeifkonzert. Boing. Im Gästeblock finden derweil versprengte Reisegruppe zusammen. Via Mobilfunk. „Ich steh hiaaaa…wink maaaa!“ (winkt selber, als einziger im Block). „Wink maaaa!“ (winkt nochmal, als einziger im Block). „Okeeeeeh!“. Mit sich selber telefonieren? Sich selber zuwinken? Ob der wohl zwei Handyverträge hat?. Nebendran hat man ganz andere Sorgen. „Sag mal Bescheid, wenn auf dem Sitzer einer Bier holen geht“, fordert eine Dame den Rundumbeobachter auf. Der hilft gern, hätte aber gerne eine präzisere Anweisung.

Ab der 20. Minute kommt der SCP ins Spiel. Die Hausherren sind spielerisch flinker unterwegs als Arminia, aber das war zu erwarten. Auf jeden Fall gibt es ein paar Schreckmomente vor Tegos Tor und dem dahinter befindlichen Gästeblock. Und die Paderborner beenden den Stimmungsboykott, es ist etwas weniger leise in der Benteler Arena. Pragmatischer Bielefelder Zwischenruf: „MAUL HALTEN!“. Das alles führt zu einer differenzierten Debatte auf dem Gästeblock: Gesänge nein, „Bie-le-feld!“ ja? Auf jeden Fall sollte man sich damit auseinandersetzen, ob man sich über MontagDienstagMittwochSpiele und die damit verbundenen Urlaubstage und ergaunerten gelben Scheine ärgert oder sich total darüber freut, weil man sich die hohe Spielklasse mit den Wochentagsspielen ja sportlich verdient hat. Ist nicht schwer, oder?

Jedenfalls ist das Maulhalten nicht so einfach. Unten auf dem Platz geht es hin und her. Arminia kämpft den Paderborner Spielfluss nieder, es wird nickliger. „Hättest Du mal Magnesiumtabletten genommen!“, empfiehlt der Gästeblock einem der vielen am Boden liegenden Hausherren. Staude und Voglsammer sind seeeehr motiviert in den Zweikämpfen. Zum Pausenpfiff haben die Blauen ein 0:0 herausgeholt.

Halbzeit. Nicht diesen debilen Halbzeitsong hören müssen – Nicht diesen debilen Halbzeitsong hören müssen – Nicht diesen debilen Halbzeitsong hören müssen – Finger in die Ohren und brabbeln – brabbelbrabbelbrabbel – obwohl, wenn ich den Hochstift-Schützenfest-Song überstanden habe, ohne dass mein Hirn zu Wackelpeter wurde – „Der Torehunger ist enorm, drum bin ich auch so gut in Form – aaaaargh! – Finger in die Ohren und brabbeln.

Arminia beginnt auch die zweite Hälfte mit Schmackes. Fabi setzt sich auf der linken Seite durch, passt in die Mitte, die Paderborner Abwehr steht rum wie die Fahnenschwenker eine halbe Stunde vor Anpfiff…Einschub: Die müssen alle miteinander einen tollen Abend gehabt haben. Kommen ein Fahnenschwenker und ein Abwehrspieler nach Hause. „Und? Wie wars im Stadion?“ – „Hab rumgestanden“…Wo war ich? Ach ja: Fabi setzt sich auf der linken Seite durch, passt in die Mitte, Vogi kommt an den Ball, der Rest ist Explosion. Auf dem Feld, vor der Gästebank, auf dem Gästeblock. „Das war der Erste!“, brüllt jemand kurz darauf, „hab 3:1 getippt“.

Fabi mit der nächsten Chance! Ausgleich für Paderborn, aber der schwarzweißblaue Zug rollt, oben und unten. Seit dem Halbzeitpfiff ist auch der Bielefelder Stimmungsboykott beendet und die Meute geht ab. Unten geht es hin und her, aber die Blauen sind drin, sie kämpfen, fighten, lassen kaum Paderborner Spiel zu. Etwa ab der 60.Minute festigt sich bei allen Arminen oben und unten ein unglaublicher Durchhaltewille. Hier geht was, und wenn es nur ein ramponierter Rasen ist. Die Wucht, mit der Rekordwalze Klos sich bei seinem Tor zum 1:2 durchsetzt, die Wucht des Torjubels…der DSC ist wieder da, wenn auch erstmal nur für diesen Augenblick. Kommentar zu Arminias Torschützen im Gästeblock: „Wer war nochmal so blind?“. Süffisanz geht immer.

Derweil erledigt sich auch der eben angesprochene Biertransport von Sitzer auf Steher. Die Gemäße werden über den Zaun gereicht, sehr zum Amüsemang des dort postierten Ordners. „So ist das richtig“, kommentiert er launig, „mal was anderes als Dresden oder Sandhausen“. Arminia Bielefeld, wie immer zwischen den Extremen.

Arminia fightet, Arminia verteidigt, Arminia wirft sich rein. Dass Staude und Voglsammer sich nicht aus dem Match ampeln, ist Glück. Hartherz baut (in Voraussicht des Advents?) ein paar Kerzen. Sehr zum Unwillen des Gästeblocks: „Maaaann, Hartherz…der hat noch nie was gekonnt…wie der schon läuft…“. Okay, eine Maschine, die so läuft wie FH8, würde man eher schwer durch den TÜV kriegen. Er hatte auch schonmal bessere Tage als heute, aber soooo daneben…? „Der ist unterfordert in Liga Zwei“, erklärt der Gästeblock, „der muss in die Champions League!“. Tja…wenn der Berater immer nur außerhalb der Bürozeiten bei Barca anruft…

Sören Brandy kommt ins Spiel. Kommentar des Gästeblocks: „Jetzt ist richtig Routine auf dem Feld! Fehlt nur noch Schipplock…“. Und Peer Kluge. Und dann kassiert Arminia in letzter Sekunde doch noch den eierigen Ausgleich. Mist. Der Dreier im Regierungsbezirk ist nur ein gefühlter Dreier.

Das ist er aber wirklich. „Deutscher Sportclub Allez, Du wirst nie untergehn“, minutenlang, während die Mannschaft vor dem Gästeblock steht. Fabi Klos singt mit. Innig, wie ein Mantra. Zum Schluss wird noch Jeff Saibene vor den Zaun bzw. die Betonmauer im Wellblech gefordert und gefeiert.

Im Abstiegskampf zählen nur Siege, daher ist das 2:2 auf dem Papier nur wenig wert. Wichtiger ist das Feeling, das wir aus dem Hochstift mitnehmen. „Du wirst nie untergehn!“. Das ist ein Stichwort für ein weiteres Zitat aus „Das Boot“: „Die sitzen im Casino und feiern unsere Versenkung. Not yet Kameraden, not yet!“. Na Männer? Alles klar!?

Das Bielefelder Glückshormon darf in Zukunft nicht mehr früh Feierabend machen.

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