St Pauli gegen Arminia 2:1 – Daheimgebliebene Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Während des Spiels St Pauli gegen Arminia zwitscherte Arminias Twitter-Account ein unfreiwillig lustiges Bild:

„Immer Arminia! Wir sind das Chaos“. Langjährige Arminen schmunzeln und sagen „Jou, isso.“. Aber lassen wir die knapp 118 Jahre zuvor und befassen uns mit dem Auftritt unseres Profiteams am Millerntor. Das Spiel passt auch zu dieser unfreiwilligen Schlagwort-Kombi.
Das Defensivspiel der Blauen lässt sich simpel zusammenfassen: Dass St.Pauli den DSC nicht völlig in die Elbe donnerte, lag am Glück, einem nicht unbedingt inspirierten Gastgeber und einem in der zweiten Halbzeit starken Martin Fraisl. Arminias Abwehr produzierte Stockfehler, Stellungsfehler, hatte keine wirkliche Zweikampfstärke und jeder zweite Ball landete beim Gegner. Es lief so ziemlich alles falsch, was falsch laufen konnte. Jeder Fußballlehrer darf eine Aufzeichnung dieses Spiels gerne als Anschauungsmaterial dafür nehmen, wie man nicht defensiv spielen sollte.

Mannomann, da wurde wirklich kein Fettnapf ausgelassen. Wie etwa auch die Spieleröffnung, womit der Text elegant zum Offensivspiel Arminias am Millerntor überleitet. Zu einem erfolgreichen Offensivspiel gehört ein gewisses Eingrooven. Pass- und Laufwege kennenlernen, abstimmen und einspielen, bis es läuft und man in Kopf und Fuß weiß, wo das Tor steht.
Heute stellte sich über fünf Sechstel des Spiels die Frage, wann Arminia überhaupt mal mit diesem Eingrooven anfängt. Dass das kaum stattfand, sah man an den Abschlussversuchen (geblockter Robin Hack, Lasmes Chance in der zweiten Hälfte, Corbeanus überhasteter Torschuss kurz vor Ende). Und in den Standards, wo man sich fast schon freuen musste, dass es sie überhaupt gab (erste Ecke in der 35. Minute).

So ergibt sich dann auch der Spielverlauf, den wir miterleben durften. Bezahl-TV behauptet Mitte der ersten Halbzeit, der FC St.Pauli sei „super eingestellt auf Arminia Bielefeld“. Das kann sein, um das beurteilen zu können, habe ich zu wenig von St.Pauli gesehen. Aber es wäre auch nicht nötig gewesen. Für die Kiezkicker hat es völlig ausgereicht, einfach den Stiefel runter zu joggen.
Bei den Blauen sah man irgendwie…tja, was!? Das Spiel der ersten 75 Minuten war nicht „Taktik“, das war nicht „abwartend“, das war….NIX! Und als Zuschauer bleibt Dir nichts anderes übrig, als auf ein 0:0 zu hoffen, beim 1:0 ein zynisches „Geht doch“ und beim 2:0 ein resigniertes „Kommt, jetzt macht uns alle“ ins Wohnzimmer zu husten.

Natürlich sollte man über die ordentliche bis gute Schlussviertelstunde nicht hinwegsehen. Die eingewechselten Lasme und Consbruch spielen das 2:1 heraus. Und beide kreieren in ihrer Spielzeit wenigstens etwas. Bezahl-TV sagt: „Na also, es klappt doch.“ Und das ist richtig, der Fairness (oder Vollständigkeit) halber halten wir das Arminia mal zugute. Nur kommt es ab der 75.Minute und nach einem 0:2 zu spät. Zu spät, um sich richtig offensiv einzugrooven. Zu Spät, dass man als Zugucker nochmal ernsthaft Hoffnung hat.
Bemühen wir mal das gefühlt seit Äonen vergangene Bild vom Schlauchboot. Arminia Bielefeld wirkt wie ein Ertrinkender, der aus dem Schlauchboot gekippt ist, für einen kurzen Moment durch einen geworfenen Rettungsring (Uwe Koschinat, der auf St.Pauli engagiert und mehr und mehr verzweifelt an der Seitenlinie agierte und an dem es am wenigsten lag) Luft schnappen konnte und jetzt wieder durch den Ring Richtung Meeresgrund rutscht.

„Immer Arminia! Wir sind das Chaos“. Immer Arminia- nach einer Paddeltour im Schlauchboot sind wir drauf und dran, aus diesem herausszufallen und abzugurgeln. Wir sind Chaos – langjährige Arminen kennen das. Und wir gewöhnen uns auch dieses Mal nicht dran, sondern hoffen auf Schlauchboote in der fernen Zukunft. Und auf Rettungsringe in der nahen Zukunft.
Schwierige Situationen beschreibt auch die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“, aber da sind es schon Lagerfeuergeschichten. Wird die aktuelle Epoche bei Arminia auch irgendwann (tröstet wenig, ich weiß…). Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?