Wat!? Der Kick meines Lebens? VfB Hüls gegen Hammer SV 2009

VfB Hüls gegen Hammer SV

VfB Hüls gegen Hammer SV

Jaaaaaaaaaa, ich bin bereit für den Kick meines Lebens! Jedes Wochenende aufs Neue! Allerdings ist es mit dem Kick des Lebens ein bisschen so wie in dem Song „Whole Wide World“ von Wreckless Eric: Er findet wahrscheinlich irgendwo auf diesem Planeten statt, ohne dass man es weiß. Daraus schließe ich mit der Schärfe eines Cyberknifes: Ich fahre zum Spiel Sechster gegen Zehnter der NRW-Liga. VfB 48/64 Hüls gegen Hammer Spielvereinigung. Wenn das der Kick meines Lebens wird und ich bin nicht dabei- Dann stehe ich aber da!

Die Spielstätte in Marl-Hüls heißt „Stadion Am Badeweiher“, da ein solcher wohl in der Nähe ist. Man muss darauf hinweisen, denn der Horizont wird nicht von dem bei diesem Namen zu erwartenden Seeidyll beherrscht. Hinter dem Stadion erhebt sich die mächtige Skyline eines der größten Industrieparks Deutschlands, des Chemiepark Marl, früher bekannt als „Chemiewerke Hüls“. Neben der kleinen Haupttribüne – kostet Aufpreis – liegt das Vereinsheim, daneben die Verköstigungsstände.

Als bauliche Highlights sind außerdem erwähnenswert das 70er-Jahre Kassenhäuschen und die riesige, über dem Tor befestigte Beschallungsanlage, die vor dem Spiel und während der Halbzeit den grauenhaften Kirmes-Mutantenstadl-Fußballhits-Dancefloor-Mix über den Rasen bläst, der im Zeitalter des Public Viewings leider Usus ist. Wreckless Eric wäre ein Zeichen gewesen.

Der Kick, der vielleicht der Kick meines Lebens ist, beginnt recht unspektakulär. Beide Teams sind recht engagiert, die blauen Stollenträger aus Hamm sind ein bisschen besser. Hier spielen durchschnittliche 24,8 Jahre gegen durchschnittliche 24,4 Jahre – der große Karrieresprung zu den benachbarten Ruhrpottgiganten ist also verpasst. Prominent: Hamms Trainer Hans-Werner Moors, langjähriger Mannschaftskapitän von Arminia Bielefeld, später dann langjähriger Trainer bei Preußen Münster. Die Führung des VfB Hüls in der 39. Minute ist etwas überraschend.

Kein Kick des Lebens ohne angemessene Atmosphäre! Keine angemessene Atmosphäre ohne phantastische Verköstigung! Zunächst zur Verköstigung: Man lernt eine neue Bezeichnung für Currywurst mit Pommes Rot-Weiß. Zu „Maurermenü“, „Schranke“ und „Schimanski-Platte“ gesellt sich nun der „VfB-Teller“. Auf der Getränkekarte findet sich unter andrem der schlichte Eintrag „Schnaps 1.- €“.

Positiv zu erwähnen ist außerdem das Vereinsheim. Das Treppenhaus und auch der kleine Wirtsraum im ersten Stock sind mit Pokalen, Wimpeln, Bildern und Zeitungsausschnitten geschmückt, die lückenlos die Geschichte des 1948 gegründeten und 1964 fusionierten Gastgebervereins aufzeigt. Herrlich frisch und noch herrlicher günstig wird man am Küchenbüffet versorgt und kann sich mit den Vereinsangehörigen, den Vereinsoberen und ein paar Ehrenämtlern unterhalten.

Es ist dieses bodenständige Vereinsleben, das vielleicht einmal großer Bestandteil des Fußballerlebens war und leider im Massenevent der höheren Spielklassen verloren ging, ja verlorengehen musste. Das Vereinsheim eignet sich außerdem als Alternative zum Platz, falls es regnet, so wie zu Beginn der zweiten Halbzeit. Man hat Blick aufs Spielfeld und Kaffee und Kuchen für insgesamt zwei Euro dabei. So stelle ich mir VIP-Logen vor!

Die Vereinsangehörigen stellen auch den Support der Gastgeber. Obwohl nur eine Handvoll Leute, gehen sie das Spiel intensiv mit und lassen ein gelegentliches „V-V-VfB!“ hören. Sie haben auch eigene Transparente. Die Gäste aus Hamm, die immerhin schon mal durch sieben Doppelhalter für sechs Leute auffielen (davon mehr an anderer Stelle), sind heute ohne optische Kennzeichen angereist, unterstützen „ihre HSV“ aber ebenfalls lautstark.

Auf der Haupttribüne: Kritisches Publikum. Man ist entweder mit den Spielern verwandt/befreundet oder eben nicht. Es kann ein Indiz für beides sein, dass jede Aktion der in Rot spielenden Hülser kritisch kommentiert wird. Selbst das 2:0 in der 74.Minute, das den Deckel auf das Spiel macht, hat nur ein „Na also, geht doch“ zur Folge. Kurz vor Schluss fällt noch der Anschlusstreffer für die Hammer SV. Der Torschütze dreht ab und fordert die leere Gegengerade provozierend zum Schweigen auf. Die Pappeln hinter der Gegengerade nehmen es zur Kenntnis und rauschen weiter. Spannung entsteht sowieso nicht mehr. „Noch’n Absacker im Vereinsheim?“ – „Jau.“.

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