Die Woche gegen Arminia 4:3 – Daheimgebliebene Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Was für eine Woche… erst im Pokal nach Köpenick, dann in der Liga nach Darmstadt. Und Arminias Mannschaft ist dabei vermutlich mehr Kilometer gelaufen als der Mannschaftsbus auf den Autobahnen zwischen Hauptstadt, Hessen und Ostwestfalen gelassen hat. Mal ehrlich, das war doch keine englische Woche, das war ein eingeschobenes Trainingslager, nur dass es statt in malerischen Tiroler Hotelzimmern im nach Socken stinkenden Bus stattfand.
Wie dem auch sei, zwei Dinge haben wir letzte Woche gelernt: Arminia hat Kondition und Arminia hat Kampfmoral.
Dass unsere Blauen Laufmonster sind, ist nicht neu. Aber zum ersten Union Berlin so nieder zu rennen, dass man eine halbe Stunde (mindestens) auch spielerisch zum besseren Team wird, erst in der Verlängerung und in Unterzahl besiegt zu werden- selbst Sophokles hätte sich keine bessere Heldentragödie ausdenken können. Und sich dann noch in das Spiel in Darmstadt mit müden Knochen und Muskelkater so rein zu schmeissen als sei es die Zielgerade beim Iron Man und einen Punkt mit zu nehmen- selbst Marvel wäre so ein Plot zu unrealistisch gewesen.
Apropos Darmstadt… dazu ein kleiner Einschub. Wieder einmal hat man im kurzen Vorlauf des Samstagabend- Spiels lesen dürfen, Arminia habe mit den hessischen Lilien noch „eine Rechnung offen“. Dabei wird mal wieder angespielt auf die Relegation 2014. Drei Dinge zu dieser angeblich ausstehenden Forderung.
Erstens hat Arminia seitdem einen weitaus schlimmeren Absturz hingekriegt. Einschließlich Relegation. Zweitens hat Arminia es den Lilien seit diesem furchtbaren Maiabend vor Elf Jahren reichlich zurückgegeben: Von neun Partien gewann der SV Darmstadt 98 eins, aus den anderen acht Begegnungen holte der DSC 20 Punkte. Das Relegationstrauma hat sich zum formidablen Punktelieferanten gemausert. Und drittens: Ey, wir waren im Pokalfinale, wir haben jetzt ein anderes Trauma. Also Stempel auf die offene Rechnung und abheften, das Ding.
Perfekte Heldentragödie, zu wahr für Marvel und Rechnung bezahlt – das bringt uns zur zweiten Erkenntnis der Trainingslager- Woche im Bus: Die Kampfmoral. Natürlich sind wir alle traurig, dass die Neuauflage gegen Köpenick im Pokal verloren ging, das nächste Pokalspiel des FC Bayern nicht auf der Alm sondern an der Alten Försterei stattfindet und sich der Wahnsinn vom Mai dieses Jahres nicht wiederholen wird. Andererseits gibt es keinen Grund, mit den Blauen zu hadern. Das Spiel wurde, wie gesagt, in Sophokles-Manier verloren.
Und in Darmstadt fighten sie sich in die lange Zeit aussichtslos erscheinende Partie. Benny Boakye, der nach seiner Irrsinnsrennerei in Berlin wohl nur noch blaue Punkte in der Optik hatte, verpennt zwar ein paar Pässe, grätscht aber trotzdem einen einschussbereiten Darmstädter weg. Taddel Momuluh braucht auch ein bisschen Anlauf, bis ihm einfällt, dass er einfach weiter arbeiten kann. Und Mael Corboz, der hat seit Anpfiff in Berlin, glaube ich, gar nicht aufgehört zu laufen und ist im Bus auf der Stelle gejoggt. Arminia ist in beiden Spielen defensiv konzentriert geblieben (okay, die beiden Darmstädter Tore brauchen hier vielleicht ein zweites Gutachten, aber das haben wir schon schlimmer gesehen) und war vorne effizient, eine nach vier Niederlagen wiederentdeckte Tugend der Blauen.
Sich reinbeißen in die Spiele, Bock auf Fußball haben, taktisch diszipliniert zu bleiben, das Bewusstsein zu haben, dass man vorne die Buden macht und alles in Grund und Boden zu rennen, was Töppen trägt- dat is Kampfmoral, Leute. Natürlich kann man lamentieren um das Pokalaus und der ausgebliebenen Maximalausbeute. Aber man bedenke: Solange Kondition und Kampfmoral nur knapp höher sind als Druck und Anforderungen des Zweitliga- Alltags, wird Zählbares dabei rumkommen.
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