2015: FC St Pauli gegen Arminia 0:0

FC St Pauli gegen Arminia 0:0 – Alte Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Endlichendlichendlicheeeeeeeendlich geht es wieder los! Auswärts im Sommer! Reisen! In die Ferne! Fußball gucken! Die zweit- und drittklassigen Fußballmassen der Republik sind wie elektrisiert und machen sich zu Millionen auf die Pisten und Gleise. Hier das Beweisfoto – der Hauptbahnhof zu Osnabrück, Samstag morgens um 6.45 Uhr:

FC St Pauli gegen Arminia

Fußballfahren mit allem, was dazu gehört. Die Durchsagen in DB-Zügen in Herzinfarkt-Lautstärke „BIMMELBIMMELBAMM – NÄCHSTER HALT DIEPHOLZ AUSSTIEG IN FAHRTRICHTUNG OBEN“ und die WCs in DB-Zügen, wo man sich die Seife wie Parmesan in die Flossen raspeln muss Die rigorosen Benimmregeln im Metronom. „*knack*…kchchchrrr…Liebe Fahrgäste, wir erinnern nochmal an das strikte Alkoholverbot im Zug. Und demjenigen, der eben die Tür blockiert hat stelle ich, wenn eR DAS NOCHMAL MACHT JEDEsMAL 200 EURO IN RECHNUNG UND ZEIGE IHN AN, DAS SIND DIE BEFÖRDERUNGSVORSCHRIFTEN…*schnaub*…*lufthol*…*säusel*…allen anderen Fahrgästen wünsche ich eine angenehme Fahrt!“.

FC St Pauli gegen Arminia

Zur Sache. Das erste Saisonspiel unseres DSC Arminia ist also beim FC St.Pauli. Der Kultclub vom Hamburger Hafenkiez mit der verruchten Attitüde. Der Club mit dem, zugegeben, coolen Fanmerch. Wer auch immer vor Urzeiten mal die Idee mit dem Jolly Roger hatte, sie geht steiler als Messi mit brennender Hose.

Eins haben wir definitiv aus der letzten Saison mitgenommen: Hektik (und Gezeter) beim Kartenvorverkauf. Alle wollen hin, doch erstmal sind solche dran, dann andere solche, dann solche anderen…Ich gebe mir von Anfang keine Mühe, eine Karte für den Gästeblock zu erstehen und kaufe direkt beim FCSP. Haupttribüne, außen. Pauli-Ecke. Also: Neutral gekleidet unterwegs. Da mein weißes Shirt auf der Anreise intensive Bekanntschaft mit einem Schoko-Croissant machte, bin ich sogar unfreiwillig in Pauli-Farben.

FC St Pauli gegen Arminia

Das Millerntor ist fertig gebaut. Zur „Premiere“ ist es ausverkauft, 29.546 Zuschauer, darunter über 3.000 Arminen. „Ausverkauft, nicht abbezahlt“- so formuliert es der Stadionsprecher. Netter lakonischer Spruch, der das Zeug zum geflügelten Wort für Jahre hat – Der Bielefelder spricht aus Erfahrung. Vier moderne, schlichte Tribünen, die an den Seiten geschlossen sind und so den Schall aufs Spielfeld tragen – ist gut laut da! Auch die schwarzweißblaue Gästeecke ist von Gegenüber gut zu hören. Zur Einweihung des fertigen Millerntors gibt es eine schicke „Ganzes-Stadion-Choreo“.

Drei „Neue“ sind in Arminias Startelf: Brian Behrendt, Michael Görlitz auf Linksaußen und Wolfgang Hesl in der Kiste. Das Spiel beginnt ausgeglichen, Christian Müller gibt Arminias ersten Torschuss ab. Etwa ab der 15.Minute nimmt St.Pauli das Heft in die Hand und hat einige Chancen. Der Gastgeber zeigt ein ansehnliches Kurzpassspiel, vor allem Alushi und Ex-Armine Rzatkowski fallen positiv auf. Arminias Defensive ist aufmerksam, nach vorne spielen die Blauen etwas lasch – worüber sie sich sichtlich ärgern. Öfter diskutieren sie auf dem Feld miteinander und motivieren sich. „Vorsicht!“, brüllt ein Nebenmann, „Die Bielefelder sind im Spiel nach vorne sehr stark, die brauchen nur einen Angriff!“- Wir haben uns rumgesprochen.

Der FCSP ist gegen Ende der ersten Halbzeit deutlich flinker. Arminias Abwehr leistet gute Arbeit, Salger und Hesl sind in dieser Phase zu loben. Auch Julian Börner macht einen ordentlichen Job, trotz eines Missverständnisses mit Hesl, das bei allen im Stadion für einen Herzschlag in die Luft sorgt. „Jou,“, meint mein Nebenmann, „das wär’s gewesen.“. Ich stimme zu und stelle fest, dass es ein „zweideutiges Fußballreden“ gibt – Eine typische Stadionphrase kann man gleichzeitig für oder gegen die eigene Mannschaft verwenden. Das macht Gespräche unter Gegnern ausgesprochen witzig – fanden auch meine Nebenleute. Kurz vor dem Pausenpfiff kommt Arminia nach gefühlten drei Ewigkeiten mal wieder nach vorne – Uns‘ Fabi setzt einen Volleyschuss neben die Hütte.

In der Halbzeit werden die Katakomben der Haupttribüne erkundet. Originell: Die Sitzgelegenheiten, die aus Brettern und Schalensitzen des „alten“ Millerntors zusammengebastelt wurden. Im Fanshop erstehe ich dann auch den Vereinswimpel für meine Sammlung, nachdem vor dem Spiel der erste Versuch im Outet des FCSP auf der Reeperbahn scheiterte. „Einen Vereinswimpel, bitte. Ohne Jolly Roger. …Ohny Jolle Roger, bitte…Oooohne!…ach, habt Ihr nicht mehr?“. Auf meine Frage, wo es denn eine geschmeidige Pommesbude gebe, wurde ich zum „Lukullus“ geschickt. Kult!

Lukullus ist der nächste in einer langen Reihe von Beweisen: „Kult“ heißt nicht automatisch „gut“. Dafür beteilige ich mich gerne an der Aktion „Viva con Agua“ – Du gibst eine Spende und bekomme dafür soviel stilles Wasser, wie Du möchtest – genau das Richtige nach der ersten Halbzeit mit zweideutigem Fußballreden und der lukullischen Magengewalttat. Ich spende einen Heiermann und ziehe ein paar Becher. Wasser für die Welt und Wasser für mich! Im Ernst: Eine schöne und unterstützenswerte Sache.

Zur zweiten Halbzeit kommt Hemlein für Behrendt und geht auf Rechtsaußen. Junglas geht dafür auf seine Stammposition im Mittelfeld. „Arminia dürfte damit jetzt deutlich offensiver sein“, erklärt der zweideutige Fußballredner. St.Pauli setzt in der zweiten Halbzeit verstärkt auf lange Bälle, was dem Spiel der Gastgeber einiges an Gefährlichkeit nimmt. „Wieso hören die mit dem Kurzpassspiel auf?“. Zweideutige Antwort: „Helfen wird’s nicht unbedingt“. Trotzdem hat der FCSP einige dicke Chancen. Hesl dreht erst einen Distanzschuss um den Pfosten, dann wehrt er einen direkten Freistoß ab.

Florian Dick bekommt kurz darauf seinen ersten Abseitstor-Assist, wenn es sowas gibt. Die Schlussphase gehört dem DSC: Fabi köpft völlig frei auf Torwart Himmelmann und ärgert sich ganz furchtbar darüber. Genialer Kommentar meines Nebenmannes: „Frisst der gleich den Elfmeterpunkt, oder was!?“. Auch Sebastian Schuppan hat noch eine dicke Kopfballchance, die Himmelmann ebenfalls vereitelt. Zweideutiges Fußballreden, als St.Paulis Schlussmann dann auch noch gegen den eingewechselten Dennis Mast rettet: „Heyey, den habe ich schon drin gesehen…“. Ende…aus… aus… Auswärtspunkt.

Arminia sichert sich den ersten Saisonpunkt bei einem starken Gegner. Mit ein bisschen mehr Konsequenz nach vorne wäre vielleicht mehr drin gewesen, mit ein bisschen mehr Pech nach hinten weniger. So geht das 0:0 unterm Strich in Ordnung. Macht Appetit auf mehr. Danke an meine Nebenleute für die netten Gespräche und den fairen Umgang – gilt übrigens für alle Paulianer, die ich im Verlauf des Tages getroffen habe. Es waren einige und auf der Rückreise gab es reichlich Zeit zum gegenseitigen Austausch. Anzeige auf dem Hauptbahnhof zu Osnabrück, Sonntag morgens um 1 Uhr: „Unwetter. Kein Zugbetrieb möglich“. Spätestens nach dem Spiel am Freitag isses’ne witzige Anekdote.

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