Letztens in Hauenhorst – Germania Hauenhorst gegen Turbine Potsdam 2014

Germania Hauenhorst gegen Turbine Potsdam -Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Fünf Scheine ins Phrasenschwein: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Zum Beispiel: Die „Kleinen“ dürfen unter Wettkampfbedingungen gegen die „Großen“ antreten. So verschlug es Turbine Potsdam ins münsterländische Rheine zur Pokal-Pflichtaufgabe bei Germania Hauenhorst. Gute Gelegenheit, den flinken Turbinen mal wieder bei der Arbeit zuzuschauen, wenn sie schon mal in die Gegend kommen.

Außerdem ist Germania Hauenhorst Tabellenzweiter der Westfalenliga und tritt nächstes Wochenende beim Tabellenführer zum Spitzenspiel an. Der wiederum heißt, wie könnte es anders sein, Arminia Bielefeld. Daher kann es auch nicht schaden, den nächsten Gegner mal unter die Lupe zu nehmen. Das versuche ich auch erfolglos einem Turbine-Fan zu vermitteln, der mit mir im Bus zum Stadion sitzt. „Hoffenheim! DIT is da nächste Jechner.“, und davon ist er nicht abzubringen. Na denn.

Germania Hauenhorst gegen Turbine Potsdam

Das Waldstadion, auf halber Strecke zwischen Rheine Innenstadt und Mesum gelegen, liegt – nomen est omen – mitten im Grünen. Tribünen gibt es keine, nur eine Bande, so dass man als Zugucker herrlich nah am Spielfeld ist. An einer Geraden steht ein Türmchen, das sich per Schild als „Turnierleitung“ zu erkennen gibt. Zur Anlage gehören außerdem weitere Rasenspielfelder und ein langer Kabinentrakt. Hinter einem Tor gibt es einen Kinderspielplatz mit Sandkasten. Die Bäume stehen noch im Laub, die hohen Nadelbäume sowieso, die Sonne scheint, die Zuschauern sind gut gelaunt – Es ist angerichtet!

Sollte man meinen. Im Kabinentrakt gibt es die mysteriöse Tür 3. Sie wird von einem Herrn bewacht, den sein Hemd als „Kreisleitung“ ausweist. „Die Aufstellungsbögen müssen unterschrieben werden“, verkündet er, hat sie aber nicht. „Sollen wir mal klopfen?“, fragt ein Hauenhorster und marschiert in Richtung Tür 3. „Nein!“, wirft sich Kreisleitung dazwischen, „ich kümmere mich darum!“. Er besorgt tatsächlich die beiden zerknäulten Zettel. Der Hauenhorster und Turbine-Teammanagerin Podvorica unterschreiben mit lila Filzer. „Und jetzt?“. Weiß Kreisleitung auch nicht genau. Nur, das Tür 3 tabu ist. „Sollen wir mal klopfen?“ –„Nein!!“. Kreisleitung rumpelstilzt vor Tür 3 hin und her.

Die Mannschaften haben inzwischen Aufstellung genommen und die Ballkinder unter sich verteilt. Julia Simic will anfangen und fragt nach der Uhrzeit. 13 Uhr 58. „Soll ich mal klopfen?“. Tür 3 öffnet sich von selbst und rettet Kreisleitung vor einem Schlaganfall und Julia Simic vor Kreisleitung. Heraus treten die Unparteiischen und führen die Teams aufs Spielfeld. Lustig, was man so mitkriegt, wenn man einen Ascher mit Sitzgelegenheit gefunden hat. Welcome to westfälische Fußballbürokratie. Hätte das Spiel ohne Unterschriften nicht stattgefunden?

„Hier treffen zwei Klassen aufeinander“, meint eine Stimme beim Anstoß. „Ach was“, heißt es daneben, „Malochen, Malochen und die anderen niederrennen, dann klappt das!“. Allerdings lassen sich die „Torbienen“ nicht auf Maloche ein. Obwohl Hauenhorst den Spielbeginn offen gestaltet, führt Potsdam bereits nach 20 Minuten durch Tore der U20-Weltmeisterinnen Felicitas Rauch (5.) und Pauline Bremer (10., 20.) mit 3:0. Bei Turbine spielt der „Anschlußkader“ (O-Ton Turbine-Website).

Stammkräfte wie Anna Sarholz, Asano Nagasato und Tabea Kemme kommen gar nicht zum Einsatz. Auch Cheftrainer Bernd Schröder ist nicht in Rheine. Im Tor steht Vanessa Fischer, Europameisterin Jennifer Cramer und auch die dritte Potsdamer U20-Championesse Wibke Meister stehen in der Startelf. Ballsportprominenz auch in den Reihen der Hauenhorster: Doppelweltmeisterin Kerstin Stegemann hat sichtlich Spaß am ungleichen Kräftemessen.

1.374 Zuschauer sind ins Waldstadion gekommen, eine Kulisse die selbst für ein Bundesligaspiel mehr als respektabel wäre. Über die familiäre Atmosphäre beim Frauenfußball habe ich an anderer Stelle schon geschrieben. Heute trifft sie auf die familiäre Atmosphäre eines Vereinsfestes. Familien mit Kindern, die um den Platz herum spielen und die obligatorische Hüpfburg malträtieren. Außerdem alle Mannschaften von Germania Hauenhorst und eine Menge Interessierte. Die Quintessenz daraus ist: Ein phantastisches kulinarisches Angebot.

Germania Hauenhorst hat mächtig aufgefahren: Es gibt zwei Wurst- und Getränkebuden, eine vor den Kabinen, die andere als improvisierten Stand hinter dem Spielfeld. Außerdem steht vor dem Kabinentrakt ein Kaffee-/Kuchen-/Süßigkeitenbuffet. Etwa in der 35.Minute beginne ich, mich systematisch durch die dargebotenen Kalorien zu mampfen (Geil!) und verpasse das 0:4 durch Genoveva Anonma. In der Halbzeit gibt die Lautsprecheranlage kurzzeitig den Geist auf, mittenrein in die unvermeidliche und atemlose Helene Fischer. Das „wööörwupp*knack*“ verleiht der Nummer zum ersten Mal etwas sinnvolles: Ein abruptes Ende.

Die zweite Halbzeit hat Turbine ziemlich souverän im Griff. „Nein..nein..nein…“, stöhnt die Hauenhorster Torfrau, als sie der Bogenlampe von Ingrid Wells zum 0:5 chancenlos hinterblicken muss. Germania Hauenhorst spielt dennoch weiter mit – im Rahmen der Möglichkeiten. Doch die höhere Klasse ist zu stark. Anschlusskader hin und her, den Potsdamerinnen bei ihren Ballstafetten zuzuschauen ist jedes Mal eine Freude. Ein Fanbus ist aus Potsdam mitgekommen. Ich vermisse das kultige „Wo Ihr spielt, sind wir“-Transparent. Auch wirkt ihr Support etwas müde. Vielleicht hätte man sie vor Reiseantritt warnen sollen: Die letzten 30 Kilometer sind zwar schön grün, aber echt öde und einschläfernd. Es sei denn, sie sind über Bielefeld gekommen, dann sind’s die letzten 60 Kilometer.

Die Kids, die hinter dem Tor stehen, fordern permanent die gelbe Karte für Pauline Bremer – warum auch immer. Die trifft kurz darauf zum dritten Mal, es steht 0:6. Das muss in dem Zusammenhang betont werden, da die Dame im Turnierleitungstürmchen es zum 0:5 macht, Torschützin: Ingrid Wells. Wir sind eins weiter… Bei den Treffern zum 0:7 (Magdalena Szaj) und 0:8 (Inka Weseley) ist sie dann wieder auf der Höhe. Zum Schluss hat Germania nochmal eine dicke Chance, die Vanessa Fischer vereitelt.

Letztendlich hat sich die Qualität des Bundesligatabellenführers durchgesetzt, auch in der Höhe erwartungsgemäß. Der „Anschlusskader“ von Potsdam verspricht eine ganze Menge. Die Germaninnen können mit sich zufrieden sein. Es sind schon Bundesligavereine derber von Turbine zerlegt worden. Schade, dass sie den Ehrentreffer nicht mehr geschafft haben, verdient wär’s gewesen. „Turbine muss noch die genauen Auswechslungen angeben“, trötet Kreisleitung in das Gewusel vor dem Kabinentrakt. Wissen die Spielerinnen aber nicht genau.

Wird das Spiel gestrichen, wenn das keiner angeben kann? Welcome back to westfälische Fußballbürokratie. Wir haben schon Shuttle-Starts abgesagt, weil die Turbinen nicht unterschrieben hatten. Als das Shuttle schon bei der ISS war. Anyway, es war der erwartet nette Nachmittag. Alles Gute den tapferen Germaninnen, bis auf nächste Woche, sorry, einmal Arminia, immer Arminia. Turbine Potsdam wünsche ich sowieso alles Gute. Freue mich auf das nächste Mal. Und Happy Birthday, Kerstin Stegemann!

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