Ahlen gegen Arminia 0:1 – Nasskalt, matschig, Auswärtssieg

12. Februar 2010: Ahlen gegen Arminia 0:1 – Gedächtnisrundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

RW Ahlen ist also Testspielgegner des neu entstehenden DSC. Weiß überhaupt noch wer, wann Ahlen gegen Arminia das letzte Mal stattgefunden hat? Der Rundumbeobachter hat nachgeguckt und festgestellt, dass er vor Ort war.

Ahlen gegen Arminia

Es ist ekelhaft an diesem Februarfreitag. Es liegt Schnee, und das Wetter ist so nasskalt, dass einem schon beim Rausgucken die Flossen einfrieren. Aber: Arminia spielt in der Gegend und aus irgendwelchen Gründen sind wir zum 22.Spieltag der Saison 2009/2010 der Meinung, dass es für die Blauen noch um den Bundesligaaufstieg gehen kann.

Ahlen gegen Arminia

Ahlen ist winterlich weiß, winterlich nass und winterlich kalt. Dass die Schule auch noch „Winter“ heißt, war da als Hinweis nun wirklich nicht mehr nötig.

Ahlen gegen Arminia

Vom Bahnhof geht es die Werse entlang Richtung Stadion. Die Arminis, in der Gruppe angereist, gehen in der Gruppe Richtung Tribünen. Ein bunter Lindwurm, der durch das Schneeweiß krabbelt.

Ahlen gegen Arminia

Das Wersestadion hat sich in den Nullerjahren aufgerüstet. Hinter dem Heimtor ist jetzt eine Stehertribüne. Auch die Kapazitäten des Gästeblocks sind durch jede Menge Stahlrohr nochmal aufgestockt worden. Die kultigen Lichtmasten sind geblieben.

Die angereisten Arminen füllen die Stahlrohrtribüne zwar nicht, trotzdem sind sie Arminia und damit Risikogast.

Na schau, die reiten also gar nicht direkt von der Kaserne zum Stadion…Für jegliche Form riskanten Verhaltens ist es aber zu kalt. Nur nach dem Spiel landet ein mobiles Halteverbotsschild im Schnee. Aber zum Spiel.

Rot Weiß Ahlen hieß früher mal Leichtathletik Rasensport Ahlen, als ein gewisser Helmut S. nicht wusste, wohin mit seinem Geld und unter anderem Ansgar Brinkmann und Markus Feinbier an der Werse spielen ließ. Die Zeiten weißer Brasilianer sind 2010 schon länger vorbei. Herr S. hat sich nach einem zwischenzeitlichen Zweitligaabstieg schmollend verabschiedet, und RW Ahlen ist in dieser Winternacht mit einigem Abstand Tabellenletzter. Aber die Gästetribüne hat Stahlrohr.

Und die heimischen Tabellenrotlichter übernehmen auf dem Platz das Kommando. Im ersten Viertel des Matches rollt ein Angriff nach dem anderen auf das Tor von Dennis Eilhoff. Der und seine Vorderleute haben ihre liebe Mühe und verteidigen mit mehr Glück als Geschick das torlose Unentschieden. Der Rest der schwarzweißblauen Mannen ist festgefroren.

Auf dem Gästegestänge frieren wir und feuern an. Und drängen uns durch das Nadelöhr hinter der Eckfahne, um an den Wurstbuden etwas Warmes zu kriegen. Wirklich erwärmend ist Arminias Spiel bisher nicht. Ein unfreiwilliger Helfer ist der Rasenzustand. Das Geläuf ist so matschig, dass selbst ein Kettenbagger entnervt abgewinkt hätte. So verspringen etliche Ahlener Flanken und Hereingaben.

Hach ja…Arminia im Frühjahr 2010. Die ersten Spiele der Saison haben die Blauen gewonnen. Dann kam 1860 auf die Alm, gewann 1:0 und die von Thomas Gerstner trainierte Mannschaft verlor den Faden. Irgendwann kam dann mehr und mehr heraus, dass der Bau der schmucken neuen Osttribüne wohl doch etwas mehr kostete als geplant und dass dieses „Mehr“ die ostwestfälische Gloria wohl erheblich in finanzielle Schieflage bringen könnte.

Immerhin- ganz weg ist der Faden nach oben sportlich doch noch nicht. Einen Punkt Rükstand hat der DSC zum Zeitpunkt der hier beschriebenen Schlammschlacht auf den Relegationsplatz zur Bundesliga, Hoffnung braucht man also nicht ganz aufgeben.

Und die Truppe auf dem Platz ist auch ganz passabel besetzt. Vor Eilhoff spielen zum Beispiel Feick, Bollmann und Mijatovic. Rübe Kauf macht den Staubsauger und sieht nach dem Match aus wie nach der Explosion einer Schokoladenfabrik. Diddy Guela, Chris Katongo (der mit den Flic-Flacs) und der bis dato beste Torschütze Giovanni Federico bilden die Offensivreihe, es stürmt Pawel Fort. Ach ja, und dann sind da noch die Michaels: Lamey und Delura, die den rechten Flügel hinten bzw. vorne besetzen und heute ein Totalausfall sind. Lamey fliegt kurz nach der Pause mit Ampelkarte vom Platz, Katongo muss nach hinten rechts ausweichen – und macht das, wie der Gästeblock auch anerkennt, ziemlich ordentlich.

Rückblickend weiß es der Rundumbeobachter nicht mehr ganz genau, ist sich aber ziemlich sicher, dass angesichts der Bedingungen und der Spielweise auf dem Gästeblock die magische Formel gesprochen wurde: „Dat is so scheiße, dat kannste nur gewinnen“. Und so passiert es auch. Federico zieht ab, der Ball schlägt flach neben dem Pfosten ein. Verfrorener Torjubel.

Wenig überraschend ist der Rest des Spiels nicht das, was man als „rassigen Fußball“ bezeichnen könnte. Nach Arminias Führung gibt es noch eine halbe Stunde Herumgelaufe wie Irrlichter über dem Moor (angesichts des Schlamms eine gelungene Allegorie). Die Blauen – und das ist wirklich tapfer – machen den Schlammdiver, als der Auswärtsdreier dann eingefahren ist. Und wir halten Fühlung auf Tabellenplatz Drei und sind hoffnungsvoll, dass…

…von wegen. Kurz nach dem Schnee-Schlamm-Dreck-Sieg in Ahlen bekommt Arminia vier Punkte abgezogen – Verstöße gegen Lizensierungsauflagen. Das war’s dann mit der Bundesligarückkehr. Und mit dem Geld, aber das kam erst später heraus.

Lange nach dem Schlusspfiff steht ein einziger Fan in der tristen Finsternis eines Ahlener Bahnsteigs und wartet auf seinen verspäteten Zug Richtung Heimat. Dieses leicht gelbe, diffuse Bahnhofslicht, völlige Stille außer seiner Stimme, die mit einem verzweifelten Unterton brüllt: „Wir sind immer dabei, ob nah oder weit, in Ewigkeit“. Sinnbildlich. Für 2010 und 2023. Arminia Bielefeld ist wie ein Regionalexpress. Kommt zu spät oder gar nicht, und keiner weiß, ob er tatsächlich da ankommt, wo man hinwill. Das ahnen wir, können und wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben. Aber vor allem wollen wir erstmal vom kalten, finsteren Bahnsteig weg.

Ahlen gegen Arminia

Eine Passage in diesem Text ist ein abgewandeltes Zitat aus der „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“. Ich verrate nicht, welche. Holt Euch das Ding, findet es heraus und genießt noch eine Menge mehr schwarzweißblaue Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?

Teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Reddit
Telegram
WhatsApp
Email

Auch cool:

Cookie Consent mit Real Cookie Banner