Arminia und Arminius
Arminia Bielefeld trägt einen großen Namen. Kein geringerer als Hermann der Cherusker, Varusbesieger und Osning-Denkmal, steht Pate für den Sportclub der Ostwestfalen. Ist der DSC seines Namenspatrons überhaupt würdig? Finden wir es heraus…
…und das wird schwierig, denn man weiß nur wenig über Arminius aus Germanien. Die einzigen Darstellungen kommen von römischen Verwaltern oder Militärs – was sich ziemlich oft entsprochen haben muss – und römischen Schreiberlingen. Die allerdings beschreiben ihn irgendwo zwischen einer respektablen Person und einem großen Anführer. Diejenigen also, die den größten Zoff mit ihm hatten, beschreiben Arminius als großen Helden. Oh je, da hat das balltretende Patenkind aber Nachholbedarf. Denn würden Münsteraner, Bochumer und ja, meinetwegen auch Paderborner die Bielefelder Arminia als heroisch bezeichnen? Mit Verweis auf die Derby-Bilanzen lassen wir die Antwort offen.
Dafür müsste Arminia diesen ihren ärgsten Rivalen schon mächtig was in die Kiste gehauen haben. So wie Arminius. Denn was hat den berühmt gemacht? Richtig, diese eine Schlacht. Auf diese eine Schlacht bezieht sich auch einer der coolsten Alm-Chants der letzten Jahre: „Niemand erobert den Teutoburger Wald!“. Der ist natürlich für den Moment gemacht. „Niemand erobert den Teutoburger Wald! Bis auf…und…und…“ macht als Betrachtung über den Moment hinaus nicht nur schlechte Laune, sondern lässt sich auch schlecht brüllen.
Allerdings hat Arminia ebenso wie der Patron schon große Schlachten geschlagen. Umgekehrt hat uns‘ Hermann auch Schlachten verloren. Allein der Römer Germanicus muss ihn ziemlich mächtig getriezt haben. Halten wir fest: Arminia/-us haben und hatten den Ehrgeiz, den Teutoburger Wald unerobert zu halten. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Da ist Arminia ihrem Paten in der Tat würdig.
Apropos Chants: Ein Element aus dem Leben des Arminius ist tatsächlich in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, nämlich ebenso hirnschlaffe wie aufgetakelte Damen als „Tussis“ zu bezeichnen. Referiert wird damit Thusnelda, die Gattin des Arminius. Sie soll nicht nur das erste It-Girl der Menschheitsgeschichte, sondern auch maßgeblich an der späteren Ermordung des Arminius beteiligt gewesen sein. Verräterin! Merken: Wenn die nächsten Äquivalente zu Buckley, Diabang oder jüngst Schönfeld auf die Alm kommen, nicht nur pfeifen, sondern einfach mal „Tussi“ brüllen. Das wäre genau so authentisch wie „Niemand erobert den Teutoburger Wald!“.
Es gibt sogar Kriterien, nach denen die heutigen Arminen schneidiger sind als der Cheruskerfürst. Es ist inzwischen traurige Evidenz, dass Arminius‘ Kantersieg gegen Lazio nicht in Hiddesen, sondern in Kalkriese stattfand. Und nun stelle man sich vor, irgendjemand würde behaupten, dass die Alm gar nicht die Alm, sondern eigentlich die Bremer Brücke zu Osnabrück sei. Das wird niemals evident sein!
Außerdem nahm es der Arminius der klassischen Antike mit seinem Vereinsbekenntnis nicht so genau wie der Arminius des Bundesligazeitalters. Als römische Geisel kam der Germane in die ewige Stadt, genoss die dortigen Ausbildungsvorteile und wurde Ritter des Imperium Romanum. Genauso gut könnte ein Bielefelder Schreiberling nach Münster gehen, dort Diplom machen und…äh…öhm…entscheidend ist, dass man in der Schlacht auf der richtigen Seite steht.
Der Konflikt zwischen Römern und Germanen damals vor zwei Jahrtausenden endete im Großen und Ganzen Unentschieden. Der eben erwähnte Germanicus ließ trotz einiger Auswärtssiege irgendwann von Eroberungen nordöstlich von Rheda ab. Ihre internen Streitigkeiten, so dachte der römische Feldherr, würden die Germanen wohl genug schwächen, ohne dass seinen Farben die Kiste voll respektive die Legionäre weg gehauen würden. Und da kann man durchaus auf die schlimme Idee kommen, dass dies auch eine erfolgreiche Strategie gegen den Deutschen Sportclub von 1905 sein könnte. Beispiele für effektives Selbst-ins-Knie-Schießen gibt es in Arminias Vereinsgeschichte genauso viele wie verbeulte römische Münzen im Acker von Kalkriese.
Das geht bei Abwehrfehlern los, setzt sich über Streit um Tribünenbauprojekte und Vorstandsposten fort, macht einen kurzen Stopp beim Feuerchen-mit-ganz-vielen-Geldscheinen-machen und gipfelt schließlich in Social-Media-.Diskussionen des schwarzweißblauen Fan-Volks. Oh ja, da könnten heutige Arminen den damaligen Cheruskern durchaus würdig sein. Warum römische Feldzüge, wenn die missgünstige Verwandtschaft inklusive Eheweib den Anführer vergiften? Warum eine ganze Liga voller Gegner, wenn Arminia sich selbst auffressen kann? Immerhin: Sowohl die altertümlichen Germanen als auch die neuzeitlichen Arminen haben trotzdem irgendwie durchgehalten und immer wieder Achtungserfolge erzielt. Ob die DFL wohl demnächst einen Limes um Bielefeld baut?
Die Germanen besiegten Rom im Jahre 9, das mächtigste Imperium seiner Zeit – Arminius an der Spitze, ein Mythos! Arminia besiegte im Jahre 2006 den FC Bayern, das mächtigste Fußballimperium ihrer Zeit mit 2:1 – Freistoß von Kamper, auch ein Mythos! Es sind die Legenden, die überleben. Und in der Legendenbildung ist Arminia ihrem Namensstifter auf jeden Fall würdig. Das gilt übrigens auch für jeweils tagesaktuelles Motzen. Egal, ob germanische Stämme über ihren Anführer motzen oder ostwestfälische Ballsportfreunde über ihren Mannschaftskapitän. Dem Blech-Hermann in Hiddesen haben sie ja mal ein Arminia-Trikot angezogen. Dem Original-Hermann hätte es wohl auch ganz gut gestanden.
Aber würdig oder nicht, Hermann der Cherusker hätte niemals – Niemals! – vier von Duisburg gekriegt!