Aus der „Fußballfibel Arminia“: Wie es wohl früher war? 1923…usw.

22. April 1923: Arminia gewinnt das Endspiel um die Westdeutsche Meisterschaft mit 4:3 gegen TuRu Düsseldorf im Essener Uhlenkrug. Welchen Bezug haben wir, die wir ja immer in der Gegenwart fiebern müssen, zu vergangenen Arminia-Zeiten? Dazu ein Ausschnitt aus der „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“.

Arminia- Wie es wohl früher war?

Wir leben in der Gegenwart. Da ziehen wir das Trikot an, hängen uns den Schal um, zeigen eine Plastik-Dauerkarte vor, die wird digital gescannt. Wir schauen das Spiel von Betonrängen aus, vom stählernen Wellenbrecher, aus dem Plastikschalensitz oder auch vom Klappsessel der Osttribüne. Wir regen uns auf, brüllen derbe Dinge rein, fallen uns beim Tor um den Hals. Wir haben ein tolles Vereinsmuseum mit angeschlossenem Archiv in der Westtribüne. Wir haben Jubiläums- und Geschichtsvideos und DVDs. Wir haben Chroniken und Bücher.

Aber wie es wohl früher wirklich war? Bekanntlich haben die Blauen ihr allererstes Spiel auf dem Kesselbrink gemacht. Bilder in Geschichtsbüchern zeigen uns, dass der Kesselbrink damals eine schöne Grünfläche mit Bäumen und Blumenbeeten war. Schwer vorstellbar für uns, die wir mit einem Busbahnhof und jede Menge bröckeligem Asphalt aufgewachsen sind. Und haben sie dann auf der Grünfläche den Platz abgekreidet? Oder haben sie wild gespielt, Jacken auf den Boden, das ist das Tor? Haben die Vereinsgründer mitgespielt oder haben sie, mit steifen Hüten auf dem Kopf, nebendran gestanden und sind nachher zum Tanzclub Terpsichore? Haben sie über die Niederlage geschimpft und die „mutigen Jünglinge“ in der nicht vorhandenen Kabine zusammengefaltet?

Ein anderes Bild, das wir aus Geschichtsbüchern kennen, ist eins von der Pottenau, wo die Blauen gespielt haben, bevor es die Alm gab. Da ist der Bahndamm, den gibt es heute noch. Auf dem Bild stapeln sich die Leute auf dem Bahndamm und rund um den Platz, wo Walter Claus-Oehler und seine Mannen um die Westfalenmeisterschaft kicken. Auf dem Bahndamm steht ein Zug, mit Dampflok, auch da hängen Zuschauer aus den Fenstern. Haben die Leute damals schon Eintritt gezahlt? Mit dem Stoffgeld, dass die Stadt während der Inflation erfunden und natürlich auf Leinen gedruckt hat? Wie war es wohl, mit dem VfB 03 einen echten und ernst zu nehmenden Stadtrivalen mit richtig heißen Stadtderbys zu haben?

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Dann gibt es die lustige Episode, dass wir bourgeoisen Blauen Spiele gegen die proletarischen Königsblauen ablehnen. Per Brief erklärten wir, dass man in Gelsenkirchen doch bitte erstmal das Fußballspielen lernen solle. Kurz darauf, als Kuzzorra, Szepan und Co die Blauen schwindlig kreiseln, soll der Brief im Schalker Vereinslokal gehangen und für nicht wenig Amüsement gesorgt haben. Die Geschichte hat uns zwar kein Schalker bestätigen können, das heißt wohl, sie ist realistisch ausgedacht.

Den Zweiten Weltkrieg und das zerbombte Bielefeld möchten wir uns gar nicht vorstellen. Es gibt bewegte Bilder der Altstädter Nicolaikirche, die bis unter den Dachfirst brennt, und die Bilder tun im Herzen weh. Und mit der strammbraunen Vergangenheit unserer Clubs lernen wir gerade erst wieder umzugehen. Trotzdem sind unsere Vorfahren zu Spielen der Kriegsspielgemeinschaft Bielefeld gegangen, die, wie man damals sagte, die Bielefelder Fußballehre verteidigte. Und wenn sie heimkehrten, gab es vielleicht Luftalarm. Da finden wir kaum Zugang, so extrem muss es gewesen sein. Auch die Kalorienspiele, von denen Vereinslegende Kitti Hellweg so gern erzählte, sind für uns kaum vorstellbar.

Oder die Fünfziger und Sechziger Jahre. Da gibt es auch Bilder von der Alm. Leute mit Hut, langem Mantel, Hemd und Krawatte stehen dichtgedrängt auf den befestigten Erdwällen. Das war das Outfit, wenn man zum Fußball ging? Hat man sich das nicht total dreckig gemacht, wenn man den Zaun von außen hochgeklettert ist (noch so ein Bild, das wir kennen) und hat zu Hause Schimpfe gekriegt? Wie war es, nur regional unterwegs zu sein und den Kampf um Meisterschaften nur aus der Zeitung mitzukriegen?

Wie war es, zum ersten Mal in die Bundesliga aufzusteigen? Die Stadt seinerzeit schon auf den Kopf gestellt? Leinewebermarkt in schwarzweißblau? Vom Bundesligaskandal kennen wir in der Mehrheit auch nur noch Berichte. Damals müssen sie ganz schön sauer auf unsere Geldkofferschlepper gewesen sein. Es gibt Traueranzeigen, die die Fans geschaltet haben, in der die Alm als „Beschisswiese“ bezeichnet wird. So redet man doch nicht über unsern Club. Das wäre heute nur denkbar, wenn sie ein Spiel verlieren.

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Aus der Bundesligazeit der Achtziger finden wir schon YouTube-Videos. Die alte Bretterbude. Frank Pagelsdorf, Norbert Eilenfeldt, Uli Stein, Wolfgang Kneib, Uli Büscher, Latscher Pohl. Da wird es schon etwas lebendiger mit der Erinnerung, obwohl die Realität der Achtziger recht wenig mit der heutigen zu tun hat. Unüberdacht, Toilettenwagen, Gashupen, Kutten. Und eine komplett analog aufbereitete Nachberichterstattung. Ganze drei Seiten haben die Montagszeitungen einem Spiel gewidmet.

Tja, wie war es wohl damals? Was haben wir angezogen, als wir zum Spiel gingen? Vintage? Krawatte? Wurde was reingebrüllt? Haben wir angefeuert? Wissen wir heute nicht mehr. Sicher sein können wir uns nur, dass unsere Vorfahren genauso mitgefiebert und mitgelitten haben wie wir heute. Und so können wir uns damit herausreden, dass die Vergangenheit zwar interessant zu erforschen ist, aber die Gegenwart jeder Generation von uns eine Menge, um nicht zu sagen, alles abverlangt.

Aber um das Bielefelder Derby ist es schon irgendwie schade.

In der „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ gibt es noch mehr Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon?

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