Bochum gegen Arminia 0:1 – “Reicht denen mal einen Kaffee rein.” –

Bochum gegen Arminia – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Es ist dunkel. Finsternis auf der Autobahn, durchzogen von gelegentlichen, regennassen Lichtern. Auf dem Weg zu einem Rivalen, der dabei ist, sich aus allen möglichen Richtungen selbst zu zerfleischen. Fehlt nur noch der passende Soundtrack. Von Darkthrone oder Gorgoroth, auf jeden Fall aus Norwegen. Im Autoradio läuft Tim Bendzko (heißt der so?). Der WDR hat es einfach nicht drauf. Until the light takes us…

Bochum gegen Arminia

Die Berichterstattung von heute spricht von strengen Eingangskontrollen. Da hab ich Glück gehabt, so locker bin ich noch nie in Bochum reingekommen. Es gibt nur einen leichten Stau, als jemand an den Drehkreuzen ernsthaft versucht, mit der Eintrittskarte vom Hinspiel reinzukommen. Erwartungsgemäß klappt das nicht. Was schade ist, denn dann könnte ich mit meiner Dauerkarte vom letzten Turnier in Jöllenbeck überall zu jedem Fußballspiel rein. So oder so ähnlich war doch die Logik dieses Vorhabens, oder?

Weil es bei den letzten Malen stimmungstechnisch gut funktionierte, haben sich die Supportlager auf Steh- und Sitzplätze aufgeteilt. Auf dem Steher werden die Kader der balltretenden Abendgestalter diskutiert. “Sidney Sam ist bei Bochum? Mit dem ist es auch vorbei.”. Wenn wir schon beim Thema sind: Hallo, Robert Tesche, olle Middendorp-Entdeckung.

Und dann geht das Spiel los, auf regenschwerem Geläuf. Und…hmtja. Fußballberichterstattung ist ja reich an Floskeln. Zu der fußballerischen Grausamkeit, die uns jetzt präsentiert wird, ist heute etwa folgendes zu lesen: “überschaubares Niveau”. “Hauptsächlich im Mittelfeld”. Oder hier:“ Chancen waren lange Zeit Mangelware”, auch schön. Ich sage: Ein Festival an Rutschern, Fehlpässen und Stockfehlern, an dem nur die Seitenauslinien Spaß haben. Filmt das in Schwarzweiß in schlechtester Qualität und verkauft es an Darkthrone oder Gorgoroth, auf jeden Fall an Norweger, für deren nächsten Videoclip.

Immerhin lebt das Spiel von der Spannung. Der VfL hat mehr Ballbesitz, Arminia hat die erste Torchance, als Weihrauch zu wenig Druck hinter einen Flugkopfball kriegt. Das Stadion singt zusammen “Ostwestfalen Idioten”. 12.400 Zuschauer sind vor Ort, davon 2.100 Bielefelder. Als nach zwölf Minuten die Bielefelder Ultras eintreffen, haben wir die Lautstärke endgültig auf unserer Seite. Die Bochumer aktive Szene fehlt völlig. Es brodelt anne Castroper. Auch auf dem Steher treffen die letzten Nachzügler ein. Es gibt obligatorische Über-mehrere-Köpfe-hinweg-Handschläge und Willkommenssprüche. “Der da im Bayern-Trikot, das ist doch Dein Bruder, oder? Höhöhööö…”.

Vom Spiel gibt es nichts zu berichten. Hier die nächste Auswahl an Wieselei aus der Tagespresse: “Ohne die ganz großen Aufreger”. “Zäh und ereignisarm”. “Torwart anspielen, der ist frei”, brüllt irgendwer aus dem Gästeblock. Ironie hin und her, das ist die einzige Anweisung, die man den Blauen nicht mitzugeben braucht. Bei den ganzen Rückpässen ist Stefan Ortega gefühlt der Spieler mit den meisten Ballkontakten. Klar will Arminia das Auswärtsspiel ruhig und kontrolliert angehen. Aber so?

Halbzeit. “Wo ist die Wurstbude?” – “Da unten”. – “Echt? [guckt nach oben]”. Unten richten sie den Rasen. Oder suchen nach Fliegerbomben. Und der VfL kann Selbstironie.

Worte sagen viel, Taten die Wahrheit. Es brodelt anne Castroper.

Die zweite Halbzeit geht erstmal so weiter wie die erste. Vorschlag vom Gästeblock: “Reicht denen mal einen Kaffee rein.”. Und dann brennt es auf den Sitzern. “Emotionen respektieren, Pyrotechnik legalisieren” ist mal wieder vermehrt zu lesen. Mit den Inhalten der gleichlautenden Kampagne haben sich bestimmt alle auseinandergesetzt, oder? Hat man sich gestern so eigenverantwortlich verhalten, wie in der Kampagne beschrieben? Nö. Ist andererseits die Idee von Rahmenbedingungen, unter denen ein Feuerwerk genehmigungsfähig wäre, pauschal geächtet? Auch Nö. Nerviges Thema. De iure: Pyro verboten. De facto: Pyro vereinsschädigend. Alles andere ist sehr ferne Zukunftsmusik. Genau genommen ist “Emotionen respektieren, Pyrotechnik legalisieren” sogar lang verklungene Vergangenheitsmusik. Ach ja, Arminia spielt in Bochum.

Das Spiel nimmt etwas Fahrt auf – beide Mannschaften kämpfen. Und Keanu Staude spielt mit, ja, echt! Und kommt leider im Strafraum nicht am Gegenüber vorbei. Und Ortegas nächste Ballkontakt ist ein toller Reflex bei einem Bochumer Schuss. Weihrauch Kopfball…aaaaargh….das hätte es sein können. Voglsammer rammt in der eigenen Defensive einen Gegenspieler weg. Die einzige Eiche, die laufen kann, Toreschießen kann und ein Oberschenkeltattoo hat. In die Rinde geschnitzt. Drunter macht’s der Vogi nicht. Stimmungshoheit auf Bielefelder Seite. “Deutscher Sportclub Allez Allez Allez”.

Florian Hartherz (Gästeblock: “Hertharz…nee…”) gehört heute zu den auffälligeren Arminen. Wie sein Gegenüber Florian Dick fängt er die durchaus ambitionierten Flügelangriffe der Bochumer ab. Unterschied zu Flotze: Bei FH28 sieht das immer ein bisschen merkwürdiger aus. Geht aber auch immer irgendwie gut. Fast antiproportional ist da sein Freistoß in den Winkel. Berichterstatter-Floskeln: “ein Gemälde”, “gestreichelt”. Rumgestakst, ein Bewegungsablauf wie Piet Flosse, und dann ein Freistoß im Messi-Stil. Nur Florian Hartherz kann mit einer solchen technischen Palette zum Mann des Tages werden.

Nachdem der Gästeblock sich wieder entknäult hat, geht das Zittern los. Strafraumgewühl drüben, wo es in besseren Zeiten laute Bochumer gab. Ortega schmeißt sein Konterfei in den Ball. Hat heute bestimmt ein Gesicht in Vereinsfarben. Arminia fällt bei Kontersituationen wenig ein. Gästeblock: “Hemlein hat wenigstens die Haare schön” (Hinweis: Stephan “Mr. Hair” Salger ist krank.) Dem VfL fällt außer langem Hafer gar nichts ein. Der völlig freie rechte Flügel wird zu Arminias Glück regelmäßig übersehen.

Boooah, zittern, der VfL ist jetzt natürlich feldüberlegen. Arminia schlägt die Abwehrschlacht. “Gleich ist es vorbei” – Nachspielzeit drei Minuten – “Von wegen”. Aber dann ist es doch vorbei. Allez, Allez, Ladihoooo-ooo…

Der kritische Blick auf die Tabelle:

Wenn Du die dreckigen Spiele gewinnst – und das war eins – erreichst Du Deine Saisonziele. Noch 14 Spiele für 11plus Punkte. Machbar. Sieht gut aus.

Schlechte Prognosen raus!

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