SV Wehen Wiesbaden- Fast Kreisliga (2007)

Liebe Leserinnen und Leser,

die folgenden Ausführungen sind völlig ernst gemeint, bar jeglicher ironischen Überspitzung und entstammen dem Erfolgsneid eines Arminen auf jede andere Fußballmannschaft.

Hach, Wehen Wiesbaden…Kein Fußballclub kommt ohne Vereinssong aus. Selbst die ganz kleinen Mannschaften, der Ascheplätze „Arena an der Straßenlaterne“ heißen und auf die sich im Winter nicht einmal eine Planierraupe trauen würde, kommen nicht ohne Liedgut aus, das von „Macht“ und dem „geilsten Club der Welt“ berichtet, selbst wenn „Macht“ und „Welt“ real nicht über den Mülleimer an der besagten Straßenlaterne hinaus gehen. Manchmal verirren sich solche Lieder nebst dazugehöriger Clubs in den Profifußball…

SV Wehen Wiesbaden Fansong

unbekannt

Für denjenigen, der uns noch nicht gekannt hat: [also eine ganze Menge Leute]
Wir sind der SV Wehen aus der Landeshauptstadt.
[Nee, da heißen sie „Fortuna“]
Der geilste Dorfverein, so wurden wir genannt
[von wem?]
und jetzt sind wir im ganzen Land bekannt!
[außer bei demjenigen, der Euch noch nicht gekannt hat]

SV Wehen Wiesbaden, das ist mein Verein
[Phraaaase]
SV Wehen Wiesbaden, hier bin ich daheim.
[in Wehen am Taunusstein oder doch in Wiesbaden?]

Wiesbaden, Kurstadt, Perle am Rhein,
[stimmt]
hier ist unser SV Wehen daheim.
[doch nicht am Taunusstein?]
Und wenn wir im Wehener Fanblock stehn,
[steht Ihr in Wiesbaden]
dann wolln wir unsere Mannschaft siegen sehn.
[sonst nicht?]

SV Wehen Wiesbaden, das ist mein Verein…

Wir haben Tradition, feierten große Siege,
[erläutert das mal für denjenigen, der Euch noch nicht gekannt hat]
wir sind mehr als nur eine Eintagsfliege.
[mag sein. Mehr als eine Einjahresfliege wird eng…]
Schon seit 1926 sind wir am Start
[wie die Aaaaalm]
SV Wehen ist ’ne Lebensart.
[Lebensart. LE-BENS-ART! Den Scherz nochmal in HD, bitte!]

SV Wehen Wiesbaden, das ist mein Verein…

Mit Leidenschaft dabei,
[Phraaaase]
ob Kreisliga B oder Bundesliga 2.
[Vereinssong? Verein selbst?]

SV Wehen Wiesbaden, das ist mein Verein…

Kurz gelästert, jetzt ausführlich. „Ob Kreisliga B oder Bundesliga 2“ – was bringt Vereine aus eben jenen Spielklassen eigentlich auf den Trichter, sich selbst und allen anderen in die Ohren zu prügeln, man sei mächtig, in galaktischen Dimensionen toll und habe die besten Fans der Welt? Kann der SV Wehen Wiesbaden diese Frage beantworten?

Na ja, „geilster Dorfverein“…Das erzählen der SC Buntekuh Lübeck, der TVB Schöningen und der TuS DingensSchrägstrichIrgendwas auch und lassen die Antwort auf die Frage, wer sie denn so nennt, genauso offen.

Immerhin wird „derjenige, der uns noch nicht gekannt hat“ berücksichtigt. Es scheinen sich also doch noch nicht alle an die Straßenlaterne im Hessischen verirrt zu haben. Aber besser, man relativiert das gleich: „Jetzt sind wir im ganzen Land bekannt!“. Was das ganze Land ist, bleibt offen. Aus Gründen.

Wehen Wiesbaden

Wo steht denn eigentlich die Straßenlaterne, hinter der „SV Wehen Wiesbaden“ zu finden ist, wo ist er „daheim“? In Wehen am Taunusstein, wo der Club seine Wurzeln hat? In Wiesbaden, wohin man aufgrund der besseren Infrastruktur in den Nullerjahren umzog? Haben die Leute vom Halberg in der „Kurstadt, die Perle am Rhein“ eine Straßenlaterne gebaut für diejenigen, denen Mainz auf der anderen Rheinseite und Frankfurt mit 20 Minuten S-Bahn ein Dorn im Auge waren? Jedenfalls: Wehen daheim in Wiesbaden hat diesselbe Logik wie Uerdingen daheim in Duisburg.

Ach ja, die „Tradition“. Die „Tradition“, ach ja. Und die „großen Siege“. Gibt es beides bei Buntekuh auch. „Wir sind mehr als eine Eintagsfliege“. Offenbar ist „Tradition“, wenn es etwas einfach nur gibt. Straßenlaternen gibt es in Wiesbaden zum Beispiel ganze 110 Jahre länger als den SV Wehen. Ein lebendiges Vereinsleben ist etwas Schönes, nur gibt es das – gut so! – in jedem Dorfverein, ohne dass der zwingend der „geilste“ seiner Zunft sein muss.

Aber der SVWW ist ja viel mehr als Tradition, er ist Lebensart. Und jetzt reicht’s, Leute! Lebensart, lifestyle, ars vivendi, savoir vivre für etwas, das sich selbst „Dorfverein“ nennt, dessen Stadion wie Kühlfilter heißt, in den meisten der letzten Jahrzehnte gegen Gegner wie Bremen II spielte und von Rüdiger Rehm trainiert wird. Wenn der SV Wehen Wiesbaden eine Lebensart ist, ist Popeln olympische Disziplin.

Zurück zur Ausgangsfrage: Wie kommt man als Buntekuh oder SV Wehen auf den Trichter, weiter als bis zur Straßenlaterne geil zu sein? Der Vereinssong beantwortet es nicht, zwischen den Zeilen verdichten sich aber zwei Eindrücke:

a) in sich zu gehen, die netten, kleinen Authentizitäten des Clubs herauszuarbeiten und in Text/Musik zu packen ist wohl zu anstrengend

b) die gibt es nicht und man kann die Tatsache nicht zugeben, dass die eigene Bedeutung noch nicht mal bis zur Straßenlaterne reicht

Hier gibt es das Lied zum Hören:

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