Köln gegen Arminia 3:1 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Arminia ist Familie. Das ist nicht nur ein häufig genanntes Schlagwort, sondern wunderbare Realität. Wenn die Blauen in die Fremde fahren, ist Heimspiel für diejenigen ihrer Anhänger, die in der jeweiligen Fremde leben. Und die Anhänger nutzen die Gelegenheit, zum (wie Bezahl-TV immer sagt) Pre-Match.
Heute ist die Fremde mal wieder Köln. Und der Fanclub 90plus3 lädt zum Beisammensein, um Arminias Auftritt am Rhein einzuläuten. Es gibt Mettbrötchen, Bratwurst und Kölner Reagenzglasbrause vom Fass. Das Wetter ist fantastisch, die Stimmung wunderbar, die EffZeh-Pänz…äh…Fans steigen voll drauf ein, als wir singend zum Stadion marschieren. „3:1 für Arminia!“, ist sich die Runde sicher. Der Rundumbeobachter auch. An einem so genialen Tag ist alles drin!
Ja von weeeegen… kaum haben wir in Müngersdorf den Gästeblock besetzt, die langatmigen Kölner Rituale vor Spielbeginn ertragen und realisiert, dass Arminia in Rot spielt, ist deren Defensive schon unorganisiert und lässt den EffZeh durchspazieren. Bäääämmmm, here we go again. Wolfsburg reloaded, nur mit besserem Wetter.
Ein Kölner Ball zischt an Tegos Kiste vorbei. Und noch einer. Und noch einer. Und noch…nein, der nicht, der geht ans Gebälk. Und den hält Tego. Was macht der Rest von Arminia so? Spielt Fehlpässe, versucht irgendwelche Chips auf Kniehöhe, missversteht sich im Spielaufbau. Das Spiel des DSC in der ersten Halbzeit sieht so aus, wie sich die Dialoge an der Reagenzglasbrause-Bude anhören: „Kann man hier auch nicht bar zahlen?“ – „Was?“ – „Kann man hier auch nicht bar zahlen?“ – „Nein, glaub nicht…“ – „Wo denn dann?“. – „Weiß nicht“. – „Ich will bar zahlen…“. Undsoweiterundsofort
Wenigstens wir im Gästeblock sind tapfer. Faust hoch, Schal hoch, brüllen. „Ääääääiiiii!“ bei einem Kölner Schubser. „Und das ist kein Gelb?“ bei einem Kölner Einwurf. Warum auch immer. Gelb bei Einwürfen wäre kontraproduktiv. Der einzige Standard (Elfmeter nicht mitgerechnet), nachdem jemals ein Tor für die Blauen in dieser Spielzeit fiel. Die Standards des heutigen Spiels haken wir an dieser Stelle auch mal ab: Alles wie immer, allerdings wird zweimal halbgefährlich aufs Tor geköpft. Man ist versucht, kurz zu sagen: „Ui, Verbesserung!“. Aber nur kurz.
Wimmer, da gegenüber, holt sich die Kische und rennt an der Grundlinie auf das Gestänge zu. „Spiel aaaab!“. Wimmer haut den Ball rein, und „JAAAAAAAA!“. Wie genau das Tor passiert ist, wissen wir nicht. Aber es ist passiert und das ist für den Moment die Hauptsache. Der ebenso erzwungene wie leicht schmeichelhafte Ausgleich. Ja, beim Fußball geht beides zugleich.
Aber hoffen wir mal nicht zu früh, erwarten wir besser nicht vorschnell den Ruck, der durch die Truppe geht. Wir haben ja noch unsere Abwehr. Und der fällt kurz vor dem Pausentee zu spät ein, dass die Kölner ein Lied über Modeste bei den Schalkern geklaut haben, dass der einen eigenen Kaffee herausbringt und in seiner Karriere schon das eine oder andere Dutzend Tore geschossen hat. Trömmelsche-Lied. ZweiEins Köln.
Halbzeit. Müngersdorf meint es ernst. Nach der Erfahrung, dass man 2G-Nachweise am Stadioneingang kontrollieren kann, schloss daraus scharf wie ein Lasermesser, dass man auch eine Promillegrenze und ein Rauchverbot im Gästeblock durchsetzen könnte. Zunächst zur Promillekontrolle: Bei 1,1 sollte sie liegen. Wieviel der Reagenzglasbrause, die sie in Köln mit Bier verwechseln, soll man in sich reinkippen, bis man die 1,1 Promille beieinander hat? Bei der Menge an benötigter Flüssigkeit fliegen Dir spätestens bei 0,7 die Nieren um die Ohren. Und was das Rauchverbot betrifft- schon der Ordner am Kartenscanner hatte selber die Fluppe im Hals. Bei der Konsequenz hätten sie auch Schuhe verbieten können.
Müngersdorf macht einen auf Ferienflieger: „Meine Damen und Herren, nehmen Sie ihre Plätze ein für die zweiten 45 Minuten.“. Gut, dass Gästeblock kein Ferienflieger ist. Bekanntermaßen können Ostwestfalen so gut Plätze einnehmen wie ihre Lieblingsmannschaft Standards spielen kann. Welche hierhin, welche dahin, „Ist hier Reihe 22?“ (Stehplatz), „Kalle ist irgendwo da hinten…neee…da links“. Ein Stück Block 3 in der Fremde, auch da ist Arminia familiär.
Ein Fußballexperte, der mal Trainer von Arminia Bielefeld war, hätte nach der Phrase „Körpersprache“ gefragt. Die ist auf dem Platz etwas besser als in Halbzeit Eins, zumindest ist etwas mehr Kampfgeist drin. Vor allem Vasiliadis und Wimmer hauen sich mehr rein. Allerdings nützt das nichts, wenn der Rest nur in Ansätzen mitzieht. Der EffZeh, keinesfalls eine unschlagbare Übermannschaft, tut soviel wie nötig. Ein Fußballexperte, der mal Trainer von Arminia Bielefeld war, hätte die zweite Hälfte mit der Phrase „Dahinplätschern“ etikettiert. Die Körpersprache im Gästeblock: „Wir sind hier, feuern wir eben an.“.
Spannende Frage der Woche: Was bringt der Trainerwechsel? Ich nenne es mal: Insel-Motivation. Personelle Inseln in Person der bereits erwähnten Vasiliadis und Wimmer, teilweise Bello, Schöpf und Okugawa. Zeitliche Inseln in Form von einigen Druckminuten des DSC. Und dass Burak Ince seine Minuten kriegt. Er hat auch die dickste Chance der Blauen in Durchgang Zwo. Im Gegenzug macht Köln den Deckel drauf.
Leichte, gaaaanz leichte Verbesserungen sind im Spiel aufgefallen. Wenn es noch 15 Spieltage wären, hätte ich gesagt: Gute Richtung angezeigt. Sind aber nur noch drei Spiele. Ostwestfälisch gesprochen: Wird eng.
Dass ein Arminia-Tag völlig perfekt verläuft – sonnig, mit Mettbrötchen UND drei Punkten, ist wohl von allen Fußballgöttern, Fußballbuddhas und Fußballvishnus zuviel verlangt. Man könnte von schwarzweißblauem Kharma sprechen oder von „Typisch Arminia“. Egal, rausholen, was noch drin ist! Come on, you boys in blue!
Das Wort des Tages ist „Klassenerhalt“. Heute gönnen ihn uns die Kölner. Letzte Woche gönnten ihn uns die Münchner. Alle gönnen uns den Klassenerhalt. Außer dem eigenen Team. Lasst 90plus3 mal ein Abo auf den diversen sozialen Medien da.