Rot-Weiss Essen gegen Arminia 6:7 n.e. (2016) – Freispielerchancentod

Rot-Weiss Essen gegen Arminia 6:7 n.e. (2016) – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Ein Trainer, ein System, eine Mannschaft. Und wenn die Arminen sich zur Zeit überhaupt in irgendwas einig sind, dann darin, dass irgendwo in diesem Dreieck etwas nicht passt und dass sich dieses Irgendwas so demnächst wie möglich regeln sollte. Da ist es doch eigentlich eine gute Sache, zur ersten Pokalrunde bei einem Viertligisten antreten zu müssen. Willkommene Gelegenheit, das neue System unter Wettkampfbedingungen zu verinnerlichen und sich sozusagen freizuspielen. Für uns Zugucker sowieso – Der Regionalligist ist Rot-Weiss Essen, das Wetter ist schön und die Laune auf dem Weg auch.

Rot-Weiss Essen gegen Arminia

Mit dem Bus geht es vom Hauptbahnhof zur Rückseite der Hafenstraße – kreuz und quer durch das angrenzende Gewerbegebiet. Die Wege sind so verschlungen, dass sich nach 20 Minuten Fahrt keiner traut, „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ zu singen Gott weiß, welche Order der Schnauzbart hinterm Steuer hat. Die Trachtenreiter machen Kaffeepause hoch zu Ross, die Eingangskontrollen sind schnell und unspektakulär erledigt und der Gästeblock im Stadion Essen ist erreicht.

Rot-Weiss Essen gegen Arminia

Mehr zum Stadion gibt es übrigens hier, mehr unnützes Wissen zum Gastgeber findet Ihr hier. Lothars Essener Pendant vermeldet: „Das Stadion ist ausverkauft. Das heißt, es wird voll.“. …ja ach… Los geht’s mit Choreo drüben und Rauch hüben.

Rot-Weiss Essen gegen Arminia

Die Startelf der Blauen überrascht: Hemlein und Salger von Anfang an, Michi Görlitz auf links vorne. Wir haben gute Laune aufm Gästeblock und sagen „Kann man mal probieren“. Die erste Bierpfütze auf den weißen Betonstufen – das gibt fiese Erinnerungen an den Hauptbahnhof. Dort gab es auch Pfützen. Das Resultat, wenn überhydrierter Sonderzug auf mangelnde Oberflächenentwässerung trifft.

Rot-Weiss Essen gegen Arminia

Das Spiel beginnt mit Abtasten, dass Arminia etwas intensiver durchführt. In der neunten Minute kommt Klos zentral an den Ball und spielt auf Nöthe, der tankt sich nach rechts durch, spielt flach nach innen und Fabi hält (ohne zwischendurch abzubremsen) den Puschen rein. Jubel! Jubel!! Das löst die Laune auf dem Gästeblock, der Support wird lauter. „Wie lange noch?“, fragt eine vorwitzige Stimme. Pfff…Als ob Arminia die Führung ab jetzt nur verwalten würde. Wenn es ums Freispielen gehen soll, ist eine frühe Führung das Beste, was uns passieren kann!

Die Rot-Weissen spielen tapfer, was sie können. Das Stadion Essen unterstützt sein Team. Die Ränge singen eine eigene Version des amerikanischen Goldrausch-Klassikers „Oh my darling Clementine“. Weder im Original noch in der Essener Version ist von ostwestfälischen Idioten die Rede, wir singen es trotzdem. Die Stimmung im Gästeblock ist okay, leidet aber ein bisschen darunter, dass Berengars Flüstertüte oben kaum zu hören ist. Und wenn, dann nur die Obertöne. Kann man hier kaum nachmachen, sowas wie „äyäyäyäääyyy“. Arminia hat mehr Ballbesitz und Mitte der erste Hälfte noch eine Chance durch Nöthe. Aber: Wirklich frei spielt sich unsere blaue Kapelle nicht. Es kommt kaum was nach vorne. Und nur mal so: Ein Eismann auf der Tribüne wär‘ cool.

Halbzeit. Hunger. Man fragt auf ostwestfälisch in die Runde: „Wo is‘ Essen?“ und während die Worte den Mund verlassen, weiß man schon, dass man es anders hätte formulieren müssen. Fußball-Areal gleich Flachwitz-Areal. „Hier. Duisburg ist da drüben.“. Interaktive Halbzeitpause: Der Leser darf hier Essen-Flachwitze machen: […] (Zur Stadt, nicht zur sehr leckeren Stadionwurst).

Kurz nach Wiederanpfiff verhaltener Torjubel im Gästeblock- der Fabi hatte zu doll geköpft, daher kein 2:0. Arminia hat mehr Ballbesitz, RWE kämpft, mehr passiert erstmal nicht. Bis die Essener bei einer Ecke in der 53. Minute gedankenschneller sind. Dennis Malura nickt freistehend am langen Pfosten zum 1:1 ein. „Wie lange noch?“ lautete die Frage nach Arminias Führung, jetzt ist sie beantwortet: Bis sich die Passivität irgendwann rächt – Here we go. Mehr Ballbesitz für den DSC, dat war’s. Auch eine Ampelkarte für die Essener ändert daran nichts.

„Zweite Liga, keiner weiß, warum!“, kommentiert der rot-weisse Anhang. Warum? Weil wir’s können! Super-originelle Gegenrede des Gästeblocks: „Vierte Liga, jeder weiß, warum!“. Warum? Weil sie’s konnten. Da das Geschehen auf dem Rasen keine besonders guten Gefühle weckt, werfen wir einen Blick auf die Stadionsicherheit. 17.500 sind im Stadion Essen. Es wurde aus Sicherheitsgründen eine Pufferzone eingerichtet. Ich habe länger danach gesucht und meine, fündig geworden zu sein:

Nein, nicht der übermannshohe Zaun, auch nicht die sechs Meter Abgrund dahinter, auch nicht die kaum erklimmbare Tribüne, nein, die Sicherheitszone sind wohl die abgedeckten Sitzreihen. Oder das Plastikgestühl darf keine Sonne abbekommen. Aber wenn wir eins über Sicherheit beim Fußball gelernt haben, dann dass „sicher“ vorgeht. Keiner hat was von „sinnvoll“ gesagt.

„Oh my darling clementine“ – „Von der Ruhr bis an die Isar, immer wieder RWE!“ – „Ostwestfalen Idioten…“. Und dann spielt Arminia zum zweiten Mal an diesem Nachmittag Fußball. Der eingewechselte Putaro spielt Doppelpass mit Klos und der schiebt zum 2:1 für Arminia ein. Doppelpack vom Fabi! An der Wirkungsstätte von Charline Hartmann! Zufall?! Ich glaube, nicht! So, vielleicht war das ja der Weckruf zum Freispielen. Zweimal machen wir ein etwas bemühtes „Allez, allez, Ladihooo“.

In der 77. Minute macht Frank Löning irgendwas. Und Hesl macht auch irgendwas. Keiner kann es dem SchiRi verübeln, wenn er sich langweilt, aber da hat ihm die Pfeife wohl zu sehr gejuckt (ich hätte jetzt fast „Flöte“ geschrieben). Auf jeden Fall fühlt sich der SchiRi zu einem der albernsten Elfmeterpfiffe bemüßigt, die ich jemals gesehen habe (und ich habe viiiiele gesehen!). Benjamin Baier verwandelt souverän zum erneuten Ausgleich der Rot-Weissen. In der Folge macht die Hafenstraße gut Alarm. Alle Tribünen stehen. „Immer wieder, immer wieder, immer wiiiiiiiiiieder RWE!“. Und wenn Bielefeld und Umgebung einmal auf eine Melodie konditioniert ist: „Ostwestfalen, Idiooten!“. Guckt mal, Zeppelin…

Das war es also auch erstmal wieder mit dem Freispielen. Rot-Weiss Essen bleibt in Unterzahl nicht viel mehr übrig, als durchzuhalten. Und Arminia fällt nix ein, den Sack doch noch zuzumachen. Also: Halbe Stunde obendrauf. Eigentlich war alles dabei für richtige Arminen (bis auf Regen): Ein lahmes Spiel, eine Blamage vor Augen, das Dauerthema Rehm-System, alle können meckern, es gibt kein Eis, keiner guckt auf den entspannenden Zeppelin – Wat wollnwa denn mehr?!

4-4-2 mit Laufarbeit und Positionstreue soll es sein. Gerade auf den Außenpositionen, wo sich heute mehrfach gute Chancen durch Kreuzläufe angeboten hätten, wurde in der Spielposition verharrt – da haben die Essener keine Probleme, die Passwege zuzustellen. Ein trauriges Beispiel ist heute Michi Görlitz, der auf Linksaußen wirklich alles versucht – aber eben nur das, was ein Linksaußen macht.

Ein einzelner Linksaußen (oder ein einzelner Sechser, ein einzelner Stürmer) hat seinen Job vielleicht kapiert. Aber die Summe taktischer Einzelleistungen ist noch lange kein Spielsystem. Ein weiteres Beispiel sind ein paar Flanken von Hemlein, die von rechts reinkommen und im Oberhausener Luftraum vom Radar verschwinden. Die Positionstreue scheint entweder nicht angekommen oder zu wörtlich verstanden zu sein. Die Kurzfassung davon formuliert eine Stimme im Gästeblock: „Was trainiert Ihr eigentlich? Dumm rumstehn?“.

Na ja, was so in der Verlängerung passiert, lässt sich schnell subsumieren: Der eingewechselte Ulm trifft die Latte. „Immer wieder RWE!“ dröhnt laut durchs Stadion Essen. Wir fordern „Steht auf, wenn Ihr Arminen seid!“, was auf dem Ausweichblock R1 sichtlich eine enorme Euphorie hervorruft („….äh, was? Ah ja…“). Und auf der Anzeigetafel führt Arminia in der zweiten Hälfte eines offenbar parallel stattfindenden Basketballspiels mit…

Elfmeterschießen, auch mal wieder. Vielleicht sollten wir nur noch Elfmeterschießen spielen, denn das haben die Blauen drauf. Hesl lenkt einen an den Pfosten, die fünf Bielefelder Schützen versenken souverän, selbst Junglas. Hemlein schießt den DSC schließlich eine Runde weiter. Das erste Erfolgserlebnis der Saison, das dann etwas zu ausgiebig gefeiert wird.

Berlin, Berlin, wir…spielen gegen Berlin. Nächste Woche. Was muss passieren? Da das 4-4-2 ja schon im Umfeld kritisiert wird, sei angemerkt: Als Plan ist das immer noch eine gute Idee und ein guter Ansatz. Es muss nur ein Schuh draus werden. Wie eingangs erwähnt: Trainer-System-Mannschaft – Das Dreieck muss irgendwie übereinander. Wo da im Moment der Haken ist, ist schwer zu beurteilen, da ist es besser, nicht so schnell zu meckern, wie es jetzt vermehrt getan wird. Aber es wäre schön, wenn es schnell übereinander käme.

Der goldene Klops des Tages geht an: Den SchiRi. Ich habe mittlerweile die Zusammenfassung gesehen und speziell diese Szene zwanzigmal. Und ich bleibe dabei: Albernster Elfmeterpfiff ever.

Ob wohl der letzte Shuttlebus kommt, bevor es dunkel wird und der Straßenstrich aufmacht?

Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit noch mehr schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten. Rot-Weiss Essen ist auch mit dabei, Pokal sowieso. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?

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