Arminia gegen Münster – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Die Stadtbahnhaltestelle mit der Tüte ist voll wie immer. Man hat die freie Wahl zwischen der regulären Linie 4 (bratzvoll, aber zeitlich kalkulierbar) und der Sonder-Linie 4 (bequem, aber fährt, wenn Gleis frei). „Fahren Sie auch in dieser Baaahn? Höhöhö…“ – „Nee, ich mach’ hier nur Pause…“ – „????!?!???“.
Gut, so oder so ähnlich geht eigentlich jeder Heimspieltach los. Aber heute ist doch Derby…Ich muss zugeben, Derby-Kribbeln war bei der Paarung Arminia gegen Münster schon mal heftiger. Erst die Frühneunziger, als es wirklich heiß war, dann ging der DSC in höhere Regionen und man hatte die Hoffnung, die Begegnung so bald nicht mehr zu kriegen (damals war man jung und kannte Arminia noch nicht so gut).
Zwischen 2011 und 2015 dann der ebenso ambitionierte wie seltsame Versuch, den 20 Jahre alten Kaffee wieder aufzuwärmen. Und jetzt sollen wir 30 Jahre alten Kaffee wieder aufwärmen…?! Beim Rundumbeobachter kommt noch dazu, dass er nicht mehr in Münster wohnt und dadurch zusätzlich nochmal Spannung raus ist. Aber der Rundumbeobachter trinkt auf der Arbeit auch mal kalten Kaffee…ran ans Bohnenheißgetränkspiel. Oder Bohnenkaltgetränkderby.
Sebi Wiese sagt jedenfalls vor der Verkündung der Mannschaftsaufstellung: „Lasst uns da weitermachen, wo wir letzte Woche aufgehört haben“. Also mit einem riesigen Erfolgserlebnis. Da können wir uns drauf einigen.
Auf dem Platz ist Preußen nach vorne einen Tick gefährlicher.Arminia wutzt heiter da weiter, wo wir letzte Woche aufgehört haben. Die Blauen gehen auf jeden Ball und kämpfen um jeden Meter. Das erste schwarzweißblaue „Ouuuh!“, als Wintzheimer knapp an einem verunglückten Torschuss vorbei schlappt. „Die spielen so, wie ich mich fühle“, ist das erste Zwischenfazit von Block 3. Dabei bleibt offen, wie Block 3 sich fühlt. Laut? (ist die ganze Alm einschließlich Gästeecke) Schwitzig? (Lohmanns Acker ist mehr Waschküche als Tempel) Wutzig? (Block 3? Immer!)
Jedenfalls ist Block 3 mit der spielerischen Leistung der Stürmer in dem blauen Hemd nicht so ganz zufrieden. „Mehr kreativ!“, lautet die knapp zusammengefasste Forderung. Auch da bleiben tiefer gehende Inhalte offen. Aber Arminia liefert die beste Antwort. Von links (also, Block 3-links) fliegt der Ball rein Kopfball…JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAWOOOOOLL!
Shipnoski! Bevor sich Block 3 so fühlt, wie Arminia spielt, nämlich unkreativ, erzielt die Band das 1:0. Was sagt es eigentlich über die neue Arminia aus, wenn sie den ersten wirklich ernsthaften Angriff versenkt, sich vergleichsweise früh (19. Minute) für ihren Aufwand belohnt, für ein gutes Gefühl sorgt und die Frage nach der Kreativität mit Effektivität beantwortet? Genau. Erstmal wenig, aber der Kaffee ist jetzt ein paar dutzend Grad wärmer.
Auf der Alm ist jetzt, dem Kaffee entsprechend, Derby-Stimmung. Die Gästeecke singt wenig Schmeichelhaftes über Bielefeld im Allgemeinen und Arminia im Besonderen, Die Restalm singt „Shalalalalalala, Preußeeeen Schweinööööö“. Auf dem Platz gibt es kleine Rudelbildungen. Der SchiRi packt zum ersten Mal die gelbe Hartpappe aus, die so aussieht, als wäre sie von innen beleuchtet. Der Unparteiische macht übrigens eine gute Figur. Nicht nur in der Spielleitung, auch in der Gestik. Irgendwo zwischen Flugzeugträger-Flugdeck, Ausdruckstanz und Barney Gumble, der versucht, den Kran mit der Einschienenbahn einzuweisen.
Die Führung beflügelt den DSC zumindest insofern, als dass sie nun deutlich mehr Ballbesitz haben. Münster hält durchaus dagegen, ohne allerdings zu merken, dass es in der schwarzweißblauen Defensive durchaus die eine oder andere Bruchstelle gibt – irgendwo zwischen dem ausflugsfreudigen Jonas Kersken und seinen Vorderleuten. Block 3 hat es zudem immer noch mit sowas wie Kreativität. „Trotzdem, die spielen zu wenig. Und so, wie die hinten stehen, geht irgendwann einer rein.“.
Man sollte sich in der Tat nicht darauf verlassen, dass automatisch jede Gegnerchance am eigenen Gehäuse vorbei geht. Andererseits: Dat Glück is mit die Doofen. Und wenn es um „doof“ geht, ist Arminia bekanntlich immer weit vorne. „Die brauchen mindestens noch eins“, meint Block 3 und hat wie immer recht. Immer noch besser als Glück und Doofheit ist…
…Durchschlagskraft und Effektivität! JAAAAAAAAAAAAAAAA! Da haben wir, rechtzeitig mit dem Pausenpfiff, das „noch eins“, das gebraucht wurde. Wieder eine gute Antwort geliefert. Wenn man daran denkt, dass noch vor drei Monaten keiner in der Mannschaft kapierte, was die Frage war…oder dass es überhaupt Fragen gab…
Halbzeit. „Die Arminis sind die größten Fans von Arminia“. Hmmm…sie sind begeistert, sie gehen unvorbelastet in jedes Spiel, sie leben jede Szene wie die erste und die letzte, sie stehen bedingungslos hinter schwarzweißblau, sie haben noch nicht genug Jahrzehnte beisammen, um überlegen zu müssen, wie aufgewärmt oder nicht ein Derby-Kaffee ist…ja, irgendwie sind sie die größten Fans von Arminia.
Was nimmt Block 3 aus der ersten Halbzeit mit in die zweite Dreiviertelstunde plus Nachspielzeit? „Sind noch 45 Minuten.“ Jaaa, aber das meine ich nicht. „Der Biankadi müsste mehr abspielen, der Boujellab…ach, es steht 2:0“. Jou. Wie schon in Hälfte Eins festgestellt: Tore sind immer noch die beste Antwort. Da Block 3 jetzt auch die (wohl tatsächlich ausgeglichene) Torschussstatistik ins Feld führt (wann gewöhnt sich die Fußballwelt eigentlich endlich ihren Fetisch für irrelevante Zahlen ab?), wird es dringend Zeit, dass Shipnoski sich durchtankt, Schulze Niehaus (gibt’s immer noch) ein bisschen herumstolpern lässt, auf Yildirim zurücklegt und JAAAAAAAAAAAAAAAA!
Das 3:0 ist nicht nur eine Antwort, sondern ein Totschlagargument. In mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, weil dem Gast von der Hammer Straße der Zahn, der Schneid und mehrere Fußnägel gezogen sind, sondern weil Block 3 und die ganze Alm nun auf breites Grinsen und auf heißen Derby-Kaffee umstellen können.
Und als sich dann noch Gohlke durch alles Münsterische durcharbeitet und das 4:0 macht, schmeckt das Spiel wie heißer Kaffee. Aus Frischröstung. Mit einem riesigen Spaghetti-Eis dabei. Doppelte Portion. Die Alm feiert! No Limit!
Ja, auch Block 3 sind alle Kreativitäts-zu wenig Spiel-Argumente aufs Beste entkräftet. Tatsächlich heißt es „Wie kann man damit nicht zufrieden sein?“. Im Spaghetti-Eis-Feeling gönnt man sich sogar die eine oder andere Luxus-Überheblichkeit. „Fabi müsste noch, der hat noch nie gegen Münster getroffen“ (wird auch heute nur ein Kopfball ans Gestänge). „Ein’ könnwa noch!“ (Tor. Nicht Bier oder Kaffee oder Eis). „Ich will das halbe Dutzend! Preußen NULLSECHS, das wäre so lustig…“ (Und damit ist Block 3 kreativer als er es von Arminia die erste Viertelstunde gesehen hat). Wann hatten wir sowas zum letzten Mal? Ach ja, letzte Woche gegen Bochum.
„Vom Wahnsinn angetriebeeeeen“- der Rest des Spiels wird abgefeiert. Nach dem Schlusspfiff zelebrieren Mannschaft und Südtribüne zusammen den Derbysieg. Der Kaffee schmeckt!
Wat sacht Block 3? „Dat hab ich nich’ so erwartet!“. Erwartungen entstehen aus Erfahrungen. Viele sagten und schrieben vor der Saison, dass es zunächst darum gehe, das Publikum mit Kampf und Leidenschaft wieder zurückzugewinnen. Mit den Siegen gegen Bochum und Münster ist Arminia auf dem besten Weg dahin. Zumindest hat es die Mannschaft geschafft, die Erwartungen von Block 3 zu übertreffen. Darauf einen heißen Kaffe und ein ostwestfälisches „Darf gerne so weitergehen!“
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