Verl gegen Arminia – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent
Das letzte Spiel des SC Verl gegen Arminia ist gute 28 Jahre her- der Rundumbeobachter war damals mit dabei, zwei Tage vor der ersten Abi-Klausur. Wer auch mit dabei war, darf sich jetzt auch gerne eine Runde alt fühlen…
…und feststellen, dass das Stadion an der Poststraße heute doch etwas anders aussieht. Eine charmante kleine Hütte hat sich der Sportclub da zurechtgebastelt.
Man läuft an Pferden vorbei zum Gästeeingang, es riecht nach Wald, das Ordnerpersonal ist entspannt.
Innen drin dann kleine Tribünen, die ausgerichtet sind wie ein Kompass (Nord-, West-, Ost-, Südtribüne). So hat man früher Kathedralen und Pyramiden ausgerichtet.
Ein solches Fußballmonument ist die Bühne der gleich dargestellten Geschehnisse natürlich nicht, das hat der SC Verl aber (wohl) auch nicht im Hinterkopf. Nett übrigens auch die Stadionbeleuchtung, die bei der Vereinshymne und bei Toren zur Lightshow werden.
Nun aber zur Sache. Arminia ist da, der Gästeblock ist ausverkauft. Bis unters Dach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bis in die Mundloch-Eingänge, im noch wahrhaftigeren Sinne des Wortes. Früher stand auf Stehplatztickets ja immer „freie Platzwahl“ drauf. Das hat man wohl aufgegeben in der Einsicht, dass sich auf kleinen Tribünen ab einer gewissen Menschenfülle die Platzwahl von selbst erledigt und mit „frei“ irgendwann sowieso nichts mehr zu tun hat.
Jedenfalls herrscht tierisches Gedränge in den Zugängen zu unserem Block der standesgameäß die Südtribüne ist. Erwähnenswert ist der Umgang eines Ordners mit dem „Unser Büdchen ist ausverkauft“-Phänomen: Erst weist er die Zuströmenden darauf hin, dass die weißen Flächen frei bleiben müssen. Das gibt er dann aufgrund aufgrund besonderer Sinnlosigkeit auf und stellt sich an den Eingang. Dort wird er dann so eingequetscht wie alle anderen auch.
Auf die Frage, ob er dafür sorgen könne, dass das Tor zu den Sitzplätzen auf der rechten Seite geöffnet werden könnte, reagiert er zunächst ablehnend („Ich komme hier ja auch nicht mehr weg“). Dann schaufelt man ihm einen Weg frei und er ist futsch. Und bleibt futsch. Und das Tor bleibt zu. Dabei bleibt er trotz der leicht gereizten Situation aber immer locker- und das ist extrem lässig, wenn man mal an die Drömmelpätte denkt, die zum Teil (nicht alle!) auf der Alm rumlaufen.
Wir gucken das ostwestfälische Nachbarschaftsduell also in kuschliger Atmosphäre. Wobei…gucken…? „Du siehst echt nix hier“, merkt der Gästeblock an – „Gehört dazu.“. Das stimmt. Und angesichts des Spielverlaufs und des Ergebnisses ist es vielleicht sogar besser so. Außerdem: Kuschlige Gästeblöcke sind eine Garantie für lauten Support und so lässt der Gästeblock in den ersten Spielminuten gleich mal ein donnerndes „Deutscher Sportcluuuub…Shalalalalalalala!“ vom Stapel. Auf der anderen Seite des Spielfeldes geht Verl irgendwie mit 1:0 in Führung.
Noch bringt das die Stimmung nicht durcheinander im Arminia-Mob. Man arrangiert sich auch mit den vollgestopften Zugängen. „Lasst mich mal vorbei“, bittet jemand mit den Händen voller gefüllter Biergemäße. „Nur, wenn Du uns was abgibst“, erklärt die findige Dame nebendran, kommt so zu einem halben Bier und wahrscheinlich zu einer Alkoholvergiftung, wenn sie das bis zum Ende durchgezogen hat.
Soweit sichtbar, ist Arminia auf dem Platz leicht feldüberlegen, ohne etwas zählbares daraus zu machen geschweige denn etwas Zählbarem nahe zu kommen. So wie die letzten Spiele immer halt. Das Tor, auf das unsere heute roten Blauen spielen ist richtig schön nach an der Tribüne- da sieht echt jeder Ball im Fünfer richtig torgefährlich aus. Allerdings schafft es Arminia, diesen Eindruck zu zerstreuen. Irgendwann gibt es ein Eckenfestival für den DSC und als auch die 300. Hereingabe durch den Strafraum eiert, merkt man, dass „gefährlich aussehen“ und „gefährlich sein“ doch zwei unterschiedliche Paar Töppen sind. Wie sagt der Gästeblock? „Wir machen Druuuuck!“ – „Jou, muss nur zu Toren führen“. Tut es nicht.
Jaja, das Bierholen…Menschenfülle hält uns nicht davon ab, vom Block runterzugehen und mit vollen Plastikhumpen wieder zurückzukehren. Ostwestfälische Sturheit? Oder uns gegenseitig anzupöbeln, wenn wir die Bierschlepperei machen. Ostwestfälisch hartnäckig und kämpferisch? Es dürfte ganze Schimpfparcours auf der Südtribüne zu Verl gegeben haben. Auch heißt es das ganze Spiel über: „Unten und rechts ist noch massig Platz!“. Alle reden drüber, nur hin geht keiner. Ostwestfalen Idioten? Mit einem Wort: Herrlich! Wirklich! Auf dem Spielfeld ist auch massig Platz, aber kein Armine geht hin. Herrlich? Nicht wirklich.
Hinten im Zugang zum Gästeblock haben es ein paar Besucher aufgegeben, in die Massen zu kommen. Das Angebot, das Spiel zu kommentieren, wird höflich abgelehnt, man liest auf Twitter mit. Zum Beispiel dass Verl das 2:0 erzielt. Arminias Abwehr war wohl etwas bräsig. Habe ich zwar nicht genau gesehen, schließe das aber aus den wenigen Eindrücken und den jüngsten Erfahrungen.
Halbzeit. Was gibt es zu Futtern in Verl? „Presswurst.“, sagt der Gästeblock, „Ist wie Pressholz, nur halt mit Fleisch.“. Das macht doch mal Appetit. Im Stadion gibt es Deine Regal-Rückwand, nur halt mit Fleisch und im Brötchen.
Wie bereits erwähnt ist es schon eine coole Fußballatmosphäre hier. Eng, kuschlig, tapferer Support, über das Spielfeld zieht Pyro-Nebel. Schade nur, dass Arminias Spiel mal wieder nicht dazu passen will. In der zweiten Hälfte spielt Arminia auf das Tor gegenüber. Im weiteren Bildausschnitt sieht man die schon bekannte fruchtlose Feldüberlegenheit. Auch ist es irgendwie schade, dass die Fans (zu Recht) sich und die Institution Arminia Bielefeld feiern, aber keine Gelegenheit haben, die Mannschaft zu bejubeln.
Selbst als das 2:1 fällt – „Zählt der?“ – „Der zählt!“-, wird zwar gejubelt, aber ein Glaube an Punkte ist nicht im strengen Sinn spürbar. Und das, obwohl noch eine halbe Stunde zu gehen ist, Arminia drückt und der SC Verl sichtlich am Gegentreffer zu knabbern hat. Wie die Blauen nach vorne spielen? Ja so wie in diesem Spiel. Oder in diesem. Grrrrrk…
Wir haben lange nicht mehr in den Zugang geguckt, was ist denn da jetzt so los…ach so, jemand erzählt allen, die es hören wollen (also irgendwelchen Betonpfeilern), dass „die doch so Scheiße“ sind. Die Momente, in denen der Rundumbeobachter Betonpfeiler beneidet, sind dünn gesät. Dieser jetzt ist auch keiner.
Die Stimmung ist tapfer und laut- man hört sogar ein Echo unserer Gesänge aus Richtung der Nordtribüne, was nicht wenig lustig ist, das sich dort der Anhang des SC Verl versammelt hat. Auf den Sitzplätzen hinter den Geraden ist das recht merkwürdig verteilt. Sowohl bei „teht aus, wenn Ihr Arminen seid“ als auch bei „Steht auf, wenn Ihr Verler seid“ erhebt sich dort auf Mittellinienhöhe jeder. Entweder halten die den Chant für Turnübungen oder sie sind ganz fußballgottlose Opportunisten.
Im Gästeblock-Durchgang gibt es eine neue Meinung zur Verpflegung im Stadion. „Wer geriffelte Pommes macht, ist schlecht im Bett“. Aha? Der, der die Kartoffeln pflanzt? Der, der sie erntet? Der die Erdäpfel zu geriffelten Pommes schnitzt? Der, der sie frittiert? Am besten alle, da das die eigene Situation als nicht Beteiligter am Geriffelte-Pommes-Herstellungsverfahren allein statistisch erhöht. Sollte man das ausführlich und mit viel Gelächter im Durchgang zum Gästeblock diskutieren? Gehört das in die Rundumbeobachtungen? Natürlich. Fußball? Arminia schießt hier kein Tor mehr.
Hat man die Verler Treffer in der ersten Halbzeit kaum gesehen, sieht man die Entscheidung jetzt schmerzhaft nahe. Die Blauen kriegen einen Einwurf nicht sauber geklärt, Verl feuert die Kirsche flach rein. Der Knochen ist verbuddelt. Nun wird es doch etwas leiser auf dem Gästeblock. Man hört die Verler „Scheiß Bielefeld“ singen. Irgendwie das, was wir fühlen. Eine Viertelstunde noch, dann geht es auf die laaaaange Heimreise.
Fabi sagt, er wisse, was los sei, sage das aber nicht. Bei so einer Aussage gibt es eigentlich nur zwei Auslegungsoptionen. Entweder es knatscht gewaltig hinter dem Vorhang oder Fabi hat absolut keine Ahnung, was los ist. Beides macht nachdenklich. In einem hat er ohne doppelten Boden recht: „Vom Rumjammern wird es auch nicht besser“. Das stimmt. Rumjammern schießt keine Tore. Also schießt Tore.
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