Jahn Regensburg-Wir radeln den SSV Jahn (1967)

Liebe Leserinnen und Leser,

die folgenden Ausführungen sind völlig ernst gemeint, bar jeglicher ironischen Überspitzung und entstammen dem Erfolgsneid eines Arminen auf jede andere Fußballmannschaft.

Wir lieben den SSV Jahn

Von Alois Kindler, Mannschaftskader

SSV! SSV! [UlmUlmUlm!]

Wir lieben den SSV Jahn [Soso.]

Wir lieben den SSV Jahn [Ihr wiederholt Euch]

Wir lieben den SSV Jahn [Jahaaaaaa!]

Immerzu und jederzeit [und beständig und permanent und ununterbrochen und fortlaufend und unablässig und immerfort und…]

Wir lieben den SSV Jahn […und deswegen sagt Ihr auch immer dasselbe]

Und lieben ihn jeden Tag aufs Neue [Moment…das widerspricht sich aber mit „Immerzu und jederzeit“ und…und…]

Wir lieben den SSV Jahn

Dem SSV, dem SSV hält man die Treue [Heute aufs Neue oder doch immer zu und… und…]

Wir radeln raus in die Prüfeninger Straße [Gibt wohl keine Bushaltestellen da]

Denn dort steht das Jahnstadion [und ein Geldautomat und eine Tanke]

Dorthin gehen wir jeden freien Sonntag [also jeden Sonntag]

Seit vielen Jahren schon [ach komm, Ihr geht zur Tanke…]

Und fällt im Jahnstadion ein Tor,

Dann rufen wir im Chor: [Im Chor? Domspatzen? Da ist Rufen nicht erlaubt!]

Wir lieben den SSV Jahn…

Die treuen Fans von der Prüfeninger Straße

Ja die ziehen immer mit [„radeln immer mit“ – das wäre lustig gewesen]

Und sie tragen die rot-weiße Fahne

Immer hoch von Sieg zu Sieg [zwischendrin kommt sie in die Fahrradtasche]

Doch sind sie auch in schlechter Zeit

Für ihren Jahn bereit [wenn sie jeden freien Sonntag an der Tanke vor dem Stadion sind, bleibt auch nichts anderes übrig]

Wir lieben den SSV Jahn… SSV!

jahn

Kurz gelästert, jetzt ausführlich. „Wir lieben den SSV Jahn“ stammt aus dem Jahre 1967. Einer Zeit, in dem Zuschauer in Anzug, Krawatte und steifem Hut ins Stadion gingen und jedes Projekt mit der humorlosen Rationalität eines Steuerbescheides angegangen wurde.

Das ist bei „Wir lieben den SSV Jahn“ nicht zu überhören. Der verschluckte Biederbesen dieser Zeit zeigt sich in der leichten Kapelleninstrumentierung, in der Ernsthaftigkeit, mit der Spieler und Ex-Domspatz Alois Kindler die Strophen knödelt, und auch im Schwung, mit der die Bayernliga-Mannschaft „SSV!“ ruft und ihre Liebe zum Jahn kund tut – ich kenne Fußböden, die das leidenschaftlicher hingekriegt hätten.

Der Refrain besteht aus den handelsüblichen 16 Takten und acht Zeilen. Von diesen acht Zeilen sind fünf: „Wir lieben den SSV Jahn“. Das mag wie der Versuch einer Selbsthypnose klingen, scheitert aber daran, dass die Liebe und die Treue entweder „immerzu und jederzeit“ währen oder „jeden Tag aufs Neue“ aufgebaut werden – was denn nun?

Aber hier wollen wir leise lästern. Immerhin bringen die Jahn-Kicker von 1967 ganze 18 Wörter auf der Melodie des Refrains unter. Damit sind sie innovativer als die musikalische Vorlage mit drei Wörtern („here we go, here we go, here we goooo“) und als die Fankurve eines ostwestfälischen Traditionsvereins mit gerade mal einem Wort (“Bielefeld, Bielefeld, Bielefeeeld“).

jahn

Unbestritten ist Regensburg ein Traditionsverein. Das bringt er direkt in der ersten Strophe zum Ausdruck. Schon 1967 radelte man „seit vielen Jahren schon“ zum Jahnstadion in der Prüfeninger Straße. Obwohl vor dem geistigen Auge Bilder der radelnden Krawatten- und Hutträger auftauchen (im Regen und in schwarzweiß), steckt in der ersten Strophe eine Menge Innovation – zum zweiten Mal im Song! Schon vor 52 Jahren waren sie beim SSV klimafreundlich unterwegs und das an jedem freien Sonntag. Spontan stellt sich die Frage, welche Sonntage denn nicht frei sind. Natürlich die Sonntage für Feuerwehren, Rettungsdienste, Pflegekräfte, Fußballtexter…schön, dass das Lied sie berücksichtigt!

Innovativ, wie gesagt! So kommt auch keiner auf die Idee, ernsthaft darüber nachzudenken, was man macht, wenn tatsächlich jeder Sonntag frei ist und so jeder freie Sonntag im Regensburger Sporttempel verbracht wird. Keiner wird das Miraculum „Auswärtsspiele“ ins Gespräch bringen. Oder den Einwand, wie lange man eigentlich zur heutigen Continental Arena radeln muss.

Die zweite Strophe ist obligatorisch für einen Fußballsong. Die Fans „sind auch in schlechter Zeit bereit“, „ziehen immer mit“, gehen mit dem SSV durch dick und dünn, sind die besten Fans der Welt und ihr Herz schlägt nur für…undsoweiterundsofort. Hört man überall, ist nirgendwo so. Übrigens sind die Vereinsfarben weiß-rot und nicht rot-weiß. Ich sag’s nur. Akurat bitte, Ihr Fans mit Schlips.

Zum Abschluss eine Frage: Kann es sein, dass amerikanische Militärmärsche außerhalb der USA nicht recht ernst genommen werden? Wie sonst erkläre ich mir, dass der „Liberty Bell March“ Titelmelodie von Monty Python’s Flying Circus wurde und „Stars and Stripes forever“ in deutschen Fankurven mit Texten wie „Wir lieben den SSV Jahn“ und „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeeeld“ gesegnet wird?

Hier gibt es das Lied zum Hören:

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