Dortmund Zwei gegen Arminia 0:2 – Uneitel Sonnenschein

Dortmund Zwei gegen Arminia 0:2 – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Dortmund Zwei gegen Arminia. Es ist noch keine zwei Jahre her, da hieß es Dortmund Eins gegen Arminia. Jetzt hat die „Dortmunder Kampfbahn Rote Erde“ durchaus ihren Charme, aber das im Hintergrund aufragende Westfalenstadion macht das ständige Auf und Nieder unseres ostwestfälischen Herzensverein sehr schmerzlich bewusst.

Dortmund Zwei gegen Arminia

Das hier der Herzensverein antritt, daran lässt die Stimmung keinen Zweifel. 4.000 Arminen sind mindestens vor Ort und befüllen auf ostwestfälische Art und Weise die Gegengerade der Roten Erde. Ostwestfälisch deswegen, weil sich alles irgendwo „oben“ auf den Steinstufen platziert und der Hinweis „unten ist alles frei“ wie schon bei anderen Gelegenheiten für ein Gerücht gehalten wird. So sind wir in Bielefeld und Umgebung. Wenn wir wo stehen, dann stehen wir wo. Und wenn es woanders besseres Stehen gibt, bloß nicht den Gerüchten Glauben. Hier und nicht weg! Jawoll!

Dortmund Zwei gegen Arminia

Zu unser aller Ehrenrettung: Wenn man so sturhartnäckigkämpferisch ist, dann nimmt man auch tapfer die Nachteile in Kauf. Wie zum Beispiel, sich im Spiel orientieren zu müssen: „Wohin spielt Arminia?“ – „Nach da“ – „Wo da?“ – „Da.“ – „Die Roten?“ – „Ja, nicht die Schwarzgelben.“.

Dortmund Zwei gegen Arminia

Es ist voll, die Frühlingssonne scheint, da haben wir alle erstmal gute Laune. Und die Stimmung ballert. Der schwarzweißblaue Wind weht, „Deutscher Sportclub Allez!“ dröhnt über den Platz. Jetzt müssen eigentlich nur noch die Jungs da unten (die Roten, nicht die Schwarzgelben) abliefern. Und sofern das zwischen den 4.000 Köpfen zu sehen ist, mach die das ganz ordentlich. Schön Druck auf die kleinen „Nie deutscher Meister“- Kicker des BVB, mit Mut nach vorne.

Ecke gibt es wohl, im toten Winkel. Drum Freude auf den Rängen herrscht. Zu sehen ist: jede Menge Gewusel, etwas schmutzig- weißes, was vermutlich der Ball ist, eine schnelle Bewegung in rot, ein bebendes Torne…JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! „Biankadi war’s!“, meldet jemand schräg vorne rechts, der den Stream parallel auf dem Funkknochen laufen hat (Wieso komme ich nicht auf die Idee?). Gleich mal die Zeitlupe mit einem dezenten Schulterblick checken… Ui! Das war ja mal technisch sauber! Merv Biankadi, der Elfmeterstreiter, der sich klammheimlich zum Topscorer gemausert hat.

Mit der Führung im Rücken und bei Sonnenschein ist die Stimmung nochmal so gut und laut. Wir sind vom Wahnsinn angetrieben und die Blauen machen (soweit sichtbar) weiter ein gutes Spiel. Und Ostwestfalen auf den Stufen geht es mit. „Laaaang!“, „Draaaauuuuf!“, „Schiiiieeeß….Aaaaaaaargh, muss der den halten?“ – „Wir haben ein Tor, fordere mal nicht zuviel“. Ostwestfälische Variante von guter Laune.

Man kann zugute halten, dass wir angesichts der bisherigen, begrenzt erfreulichen Rückrunde nicht genau wissen, welche Spielzüge jetzt geplant, gut und/oder gewollt sind. Gleiches gilt für Eckstöße, deren Effizienz in letzter Zeit, sagen wir mal, übersichtlich waren. Trotzdem freuen wir uns über den nächsten Corner Kick. Der kommt wieder aus dem Off, es geht wieder hin und her und das Tornetz…..JAAAAAAAAAAAAAAAA! Das es Wörl war, sieht der Rundumbeobachter erst in der Zusammenfassung. Aber egal, es war Arminia, es steht 2:0, zwei Tore nach Ecken! Sonnenschein! BIE-LE-FELD! BIE-LE-FELD!

(Kurz einen kleinen Statistik- Teil eingeschoben: Seitdem die Blauen da hinten im Westfalenstadion spielten, haben sie sage und schreibe sieben Tore nach Ecken erzielt- ich bin nett und rechne die beiden Treffer von heute rein. In 73 Spielen. Daraus folgt, dass das nächste Tor nach einer Ecke am vorletzten Spieltag gegen Halle fällt. Könnte ein wichtiges Tor sein. Ob Wintzheimer es macht?)

Unten haben die Jungborussen eine Riesenchance, die gute Laune (ostwestfalenstyle) und den Sonnenschein stört das aber nicht. Gucken wir uns ein bisschen auf Roter Erde um. Hinter den Stufen der Gegengerade gibt es einen sandbraunen Kiesweg, dahinter sandbraune Hecken, dahinter eine inoffizielle Bedürfnisanstalt. Und sandbraunes Mauerwerk, von dem aus ein paar Armininen das Spiel verfolgen (Wieso komme ich nicht auf die Idee?).

Frage zum Ambiente: Wieso zahlen Leute Eintritt, wenn sie eh die ganze Spielzeit über vor den Hecken stehen und sich unterhalten? Ist das Wetter so schön, dass man zum Quatschen nach Dortmund fährt? Das ständige Hin- und- Her- Gelaufe auf dem Kiesweg ist ja leicht zu verstehen. „Was machen meine Schutzbefohlenen?“ – „Hochdruckbetankung“ – „Sauber!“. Und wenn wir beim Thema sind und sowieso gerade der Pausenpfiff ertönte…

Halbzeit. Die Versorgung auf Roter Erde wurde schonmal gelobt, heute nochmal. Durch eine große und damit verlässliche Stichprobe im Gästeblock. Sowohl das Fressangebot („Guck hier, *insGesichtstups* Die ist gut die Wurst *stups* Echt lecker *nochmalstups*“) als auch die Getränkekarte („Boooah, dat Pils dat schmäääääckt, ey, lääääääcka und so küüüühl, booooaaahh“)

Halbzeit bedeutet auch die Chance, sich einen besseren Platz zum Gucken zu suchen. Schafft der Rundumbeobachter auch, er hat gute Sicht auf den Strafraum, auf den Arminia in Hälfte Zwo spielen wird. Oder um es mit einem anderen Tribünenvagabunden zu sagen: „Die restlichen vier Tore sehen wir hier“. Oder der nächste: „Hier stehste auch nich‘ besser“. Und das ist der nächste Beleg für die zum letzten Mal vor ein paar Absätzen geäußerte These, dass ein Ostwestfale eben da stehenbleibt, wo er steht. Und wenn es woanders besseres Stehen gibt, bloß nicht den Gerüchten Glauben. Hier und nicht weg! Jawoll!

Auf dem Platz ist das Spiel etwas zerfahrener als in Hälfte eins. Etwa zur 58. Minute ist klar, dass die restlichen vier Tore doch nicht fallen- zumindest nicht in dieser Anzahl. Gute Gelegenheit, sich mal wieder mit der typischen Arminen- Ambivalenz zu beschäftigen, die es, von der Suche eines passenden Stehplatzes abgesehen, reichlich zu hören gibt.

Wir sind, glaube ich, das einzige Fußballpublikum, dessen Mannschaft nach einer gespielten Stunde mit 2:0 nach zwei verwandelten Ecken führt und in dessen Seelen sich Größenwahn („Die restlichen vier Tore sehen wir hier“, „Ich hab‘ 0:5 getippt“), Gewohnheitsmeckern („So’n Kackball“, „Typischer Mizuta“, „Die betteln mal wieder“) und mit wenig zufrieden sein („Sechs- Meter- Grätsche, Jawoll!“, „Erstmal muss es so bleiben“, „Ey, geile Sonne, ey!“) gleichzeitig abspielen- und das völlig nachvollziehbar. Irgendwie macht uns das cool, oder? Bitte sagt alle „Ja!“, die Alternativen sind alles andere als cool…

Ununterbrochen super ist die Stimmung. Die Wechselgesänge mit der Sitztribüne gegenüber donnern. Schön auch der Echo- Effekt, den die Mauern des Westfalenstadions erzeugen. Fast wie Wechselgesang mit sich selbst.

Das Spiel? Da passiert wenig. Arminia hat den Jungborussen (wieso liest sich dieses Wort immer wie „Zuchtbullen“?) von Anfang an den Schneid abgekauft und den finden die Schwarzgelben auch in Hälfte zwei nicht, obwohl sie etwas lebendiger zu Werke gehen als in den ersten 45 Minuten. Arminia hat ein paar halbe bis dreiviertel Chancen, bei denen nicht alles toll aussieht, aber worüber man mit einem 2:0 im Rücken auch hinweg sehen kann…

…zumal die Blauen nach hinten und im Mittelfeld sehr konzentriert und überlegt agieren. Nahezu jeder BVB- Angriff endet in einem süffisanten „Danke für den Ball“ seitens des Gästeblocks. Dort mag man sich nach zwei Jahren abseits des Westfalenstadions nur zögerlich mit der Hoffnung auf einen Dreier anfreunden. „2:0 beruhigt ein bisschen“ – „Ein bisschen“. „Bin doch nicht gekommen, um einen Sieg zu sehen“, lacht einer, der früher weg muss.

Schade für Dich, dann siehst Du auch leider keinen Sieg. Der wird nämlich nicht mehr ernsthaft gefährdet. Massenjubel beim Schlusspfiff. „Lang, lang ist’s her“, frohlockt der Gästeblock.

Die Mannschaft feiert mit der Gegengerade und schwört sich auf die nächsten Herausforderungen ein. Danach gibt es ein intensives Shake Hands mit der Sitztribüne.

Und der Rundumbeobachter feiert außerdem den Rasenmähermann der Roten Erde. Legt sofort nach Schlusspfiff los. Mit Kopfhörer auf, die Rübe lässig zur Seite geneigt und Leck- mich- am- Pöter- Blick. Die coolste Sau seit Thomas Stratos!

Zufriedenheit auf dem Busparkplatz, gute Laune am Bahnhaltepunkt. Ostwestfälisch gesprochen:„Kann man mal so machen“. Jetzt kann man aber auch mal so weitermachen. Wat sacht der Gästeblock? „Jetzt Mannheim und Duisburg, dann schaunwa mal.“

Fotos zum Spiel

Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit jeder Menge schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten und allen seelischen Ambivalenzen. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?

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