Arminia gegen den Hamburger SV 3:4 n.E. – Tapfer den Daumen nach oben

Arminia gegen den Hamburger SV 3:4 n.E. – Rundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

„Das Spiel habt Ihr Euch verdient!“, vermeldet Sebi Wiese der ausverkauften Alm. Jau! Feiertagsvorabend, Flutlicht, brennende Alm, die Freunde von der Elbe zu Gast, die Stürmer in dem blauen Hemd auf dem aufsteigenden Ast und es sind die anderen, sie sich heute Abend blamieren können, nicht wir! Arminia gegen den Hamburger SV! „Papa, ich will keinen Urlaub in Bielefeld machen!“, nölt eine Hamburger Deern in der Linie 4 vor dem Spiel. Aber den hast Du doch verdient…

Arminia gegen den Hamburger SV

…zumal DFB-Pokal selbstverständlich eine ernste Angelegenheit ist und kein Urlaub, jawoll! Ausverkaufte Alm, wie schon erwähnt und wie immer hat der Rundumbeobachter nichts aus vorhergegangenen Erfahrungen gelernt, sich draußen fest gequatscht und es dann mal wieder aufgrund von Menschenfülle nicht ganz rauf aus Block 3 geschafft.

Arminia gegen den Hamburger SV

Im Sichtfeld vor allem: Hinterköpfe und wandernde Biergemäße. Und ein am Zaun der Nordtribüne angebrachtes Banner, auf dem „Nordhausen“ steht, was gleich Anlass einer intellektuellen Debatte im Schlund zur Südtribüne ist. „Nordhausen. In Hamburg halt, da gibt es ein Nordhausen. Norden halt.“. Soweit richtig, sieht man einmal von Folgendem ab: Nordhausen. In Thüringen halt, da gibt es ein Nordhausen. Osten halt. Vier Stunden von Hamburg weg, wie auch der zum Banner gehörende Fanclub kundtut.

Arminia gegen den Hamburger SV

Los geht es mit einer coolen Choreo, die sieht von außen so aus:

…und von innen so:

„Wenn die Choreo vorbei ist, haben wir Platz zum Reingehen“, heißt es im Eingang zu Block 3. Diese Aussage belegt, dass zehn Ligapunkte in Folge uns Arminen wieder zu rettungslos verlorenen Optimisten gemacht haben.

Von hier sieht man wenig. Außer das Tor, auf das Arminia spielt. Aber- reicht das nicht? Zum Beispiel, als der Ball auf die Hamburger Kiste gefeuert wird, Shipnoski heranrast und JAAAAAAAAAA! Torjubel geht auch im Eingang, und wie! „Was ist passiert?“, fragen die hinteren Reihen. Nun, wir lagen uns in den Armen (einschließlich letzte Reihen), wir brüllen – scheint was Nettes gewesen zu sein.

Vielleicht ist die Sicht schlecht, aber man fühlt, was man fühlen muss. Und das Tor, die Führung, das Pokalkribbeln, jawoll, das fühlt man! „Vom Wahnsinn angetriebeeeeen!“. Was man offenbar auch fühlt, sind Ver- und Entsorgungsengpässe. Ständig gehen und verlassen Leute auf mehr oder weniger rabiate Weise die Tribüne. „Sooo die Schnauze voll hier, das geht gar nicht, wie voll das ist, ich will da durch!“. Bier wegbringen, Bier holen.

Dass beim Bier wegbringen, der Drang, die Tribüne zu verlassen, irgendwann sehr stark wird, ist nachvollziehbar. Aber wenn das Drängeln und Schubsen nervt, wenn ein sehr reales Risiko besteht, erstmal aufgrund der Menschenfülle nicht auf den Block zurückkehren zu können…wie wäre es dann mal mit kein Bier und dafür einen Platz haben? Seid nicht so doof wie der Rundumbeobachter, der sich von vornherein die Chance genommen hat, sich einen Platz zu erobern.

Kurz auf die Zehenspitzen gestellt und einen Überblick über die Spielrichtung verschafft- da scheint der HSV so allmählich das Kommando zu übernehmen. Und Arminia weg zu verteidigen. Gut so. Im Eingang von Block 3 hadert man weiter mit der wenig komfortablen Situation. Oder so was Ähnliches. „In Dortmund hast Du das auch, ständig!“. In Dortmund hast Du auch ständig Leute, die den Fanshop leer kaufen und sich das erworbene an den Körper hängen als wären sie Winnetou auf dem Kriegspfad. Macht es nicht besser.

Halbzeit. „Wohin geht’s?“, tönt es aus der Menschenmasse. Es geht auf Block 3, natürlich. Oder war die Mannschaft gemeint? Hoffentlich ins Achteilfinale. Ich bin übrigens dafür, die ersten beiden Pokalrunden auch nach Bruch-Finals zu benennen. Arminia schlug Bochum im Zweiunddreißigstelfinale und spielt heute im Sechzehntelfinale gegen den HSV. Klingt irgendwie mehr nach „Finale“ und „Berlin“.

Soooo, bessere Sicht für die zweite Halbzeit. Wäre aber nicht nötig gewesen, da sich das Spiel vor allem in dem Bereich abspielt, der auch im Visier des Eingangs von Block 3 war: Gegenüber, vor der Nordtribüne. Wo ein Angriff des HSV nach dem anderen auf Arminias Tor rollt, aber die Blauen rund um den heute bärenstarken, fast ortegastarken, ja fast schon matzehainstarken Kersken alles weggrätschen, wegstelzen, wegbolzen was in Tornähe kommt. Mehrfacher Kommentar von Block 3 lautmalerisch: „ouh, ooouuh, oouu- JAWOLL!“

Nächster Angriff der Rothosen. Schön die Außen freigespielt, die versuchen, sich an der Torauslinie durch zu tanken, um dann scharf rein zu spielen- aber der DSC kriegt immer irgendein regelkonformes Körperteil dazwischen. Die Taktik des HSV ist zwar recht ansehnlich, aber eben auch ziemlich durchschaubar. Aber ich wage mal die steile These, dass Arminia mit der Einstellung, der Motivation, der Moral von heute auch die variabelsten Angriffen weg verteidigt hätte.

Gohlke kommt ins Spiel und auf Block 3 herrscht kurz Verwirrung. „Klooos!“ – „Nö, Gohlke“. „Aber der hat doch’ne Maske auf…“. Mit so einem Zugriff sollte man anschließend nicht unbedingt auf eine Halloween Party gehen.

Mit der Einwechslung von Gerrit Gohlke rührt der DSC Beton an. Das hat sich in der jüngeren Vergangenheit zwar als erfolgreiche Taktik erwiesen, aber das hier ist der HA-Es-Vau, nicht der EM-Es-Vau. Und der HA-Es-Vau kombiniert weiter rund um den Bielefelder Fünfmeterraum. Entlastung wird schwierig, wenn der Beton erstmal getrocknet ist, auch wenn Block 3 auf „Jungs, Ihr spielt zu Hause!“ hinweist. Wie lange das wohl gut geht…?!

Nun gut, dann eben Abwehrschlacht. Und die Alm brüllt, steht, feuert an. Die Luft brennt (symbolisch… eigentlich meimelt es wie aus Eimern). Der Gänsehautentzündungsklassiker „Wir sind immer dabei“ über Minuten, ebenso „Allez Allez, Deutscher Sportclub Allez“.

Beim HSV kommt Ramos auf den Platz. Ja, der Ramos. Einer der Schnarchbacken aus der unrühmlichen Bielefelder Vorsaison. Das erkennt die Alm und pfeift Ramos bei jedem Ballkontakt aus. Und feiert seine Verwarnung. Während Block 3 noch diskutiert, was Jimi Hendrix Furchtbares angestellt haben muss, dass Ramos seine Frisur kopiert, erzielt der HSV den Ausgleich. War wohl Jatta. Hab nicht aufgepasst. Ging gerade um Jimi Hendrix.

Tja, so stehste da. Mit Beton und 1:1. Doch Arminia reißt sich nochmal zusammen und eröffnet die Schlussoffensive. Boujellab… aaargh! Gohlke… AAArgh! FABI… AAAARGH! Kurz darauf erklärt uns Sebi Wiese, dass es nun zweimal 15 Minuten Verlängerung gibt. Danke dafür, deswegen geht also noch keiner weg.

Apropos sinnvolle Erklärungen…ein paar Meter weiter erklärt jemand am Telefon, wo er sich gerade befindet: „Block 3… Block 3 links…“. Falls sich noch irgendwer fragt, warum in Verl leere Ecken des Gästeblock nicht gefunden wurden… es könnte an solchen Navigationsanweisungen liegen.

Weiter geht Arminias Fight gegen die immer weiter anrennenden Hamburger. Weiter geht der Fight auf der Tribüne. „Bie-le-feld! Bie-le-feld!“ von Block J. „Voran Arminia Bielefeld“ von Block 1. Unten werden die Beine müde, aber sie hauen sich rein. Oben macht das Mitfiebern müde. Vor lauter Spannung geraten selbst die sonst üblichen Themen auf Block 3 in den Hintergrund. „Was!? Das hat der SchiRi nicht gepfiffen!!??“ – „Muss wohl.“. Aber wir hauen uns rein. Auch, wenn es hier und da nur noch zu einem tapfer nach oben gereckten Daumen reicht. Deutscher Sportclub Allez!

Arminia kämpft. Der Beton ist trocken. Entlastung so gut wie gar nicht, obwohl Block 3 davon träumt: „Ein so’n dreckiger Konter…durchgesteckt…abseitsverdächtig“. Aber Arminia kämpft. Und das Publikum geht es mit. „Das kennt Ramos nicht“, feixt Block 3, „So’ne Stimmung.“. Nee. Der DSC, für den Ramos gespielt hat, wäre sang- und klanglos gegen Bochum ausgeschieden. Dann sind 120 Minuten rum.

Elfmeterschießen. Es ist jede Mal aufs Neue furchtbar. Die Gliedmaßen zittern, man hält sich an den Nebenleuten fest, man hat irre Gedanken. Metheo Raab heißte der Torwart beim HSV. Metheo. Zweiter Vorname Rologie? Was hat Jimi Hendrix Furchtbares angestellt, dass Eltern ihre Kinder Metheo nennen?

Irgendwie hat man es im Gefühl, dass Arminias Elfer-Rekordserie vorbei ist, als Fabi verschießt. Unsere Sturmtanne war in seinen 12 Jahren Held und Tragik, heute war es mal wieder Tragik. Gohlke, Mizuta und Großer versenken ihre Strafstöße zwar und Gerkens hält einen, aber die Sterne stehen heute falsch. Als Rologie den Schuss von Wörl über die Latte lenkt, sind die Rothosen durch.

Schade, aber Elferschießen ist Lotterie. Natürlich sind wir traurig, weil wir ausgeschieden sind. Aber die positiven Eindrücke überwiegen. Der Drittligist Arminia Bielefeld hat dem HSV über 120 Minuten Paroli geboten, gegen den der Zweitligist Arminia Bielefeld noch unspektakulär verloren hatte. Statistisch gesehen ist der DSC damit auch weiter ungeschlagen. Ferner war es schön zu sehen, dass sofort nach Wörls Fehlschuss seine Mannschaftskameraden zu ihm kamen, um ihren schluchzenden Kollegen zu trösten. Da wächst der Teamgeist auch neben dem Platz. So muss das! So soll das!

Fotos zum Spiel

Empfehlung: Die „Fußballfibel DSC Arminia Bielefeld“ mit jeder Menge schwarzweißblauer Lagerfeuergeschichten. Das Buch gibt es bei Thalia. Oder bei amazon. Oder im Fanladen. „90 Minuten Arminia“ habt Ihr schon…?

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