Die Blauinnen 2023: Einmal Westfalenpokal Wahnsinn … und zurück

Die Blauinnen 2023- Jahresrückrundumbeobachtungen von Jan-Hendrik Grotevent

Manchmal gleichen sich Bilder. Ja, auch bei Arminia Bielefeld. Ja, sogar in Jahresrückblicken. Im Jahresrückblick 2022 auf das schwarzweißblaue Frauenteam hat der Rundumbeobachter gleich zu Beginn festgestellt, dass eben jene Mannschaft das komplette Kalenderjahr 2023 in der Regionalliga verbringen wird. Und was war? Das Jahr 2023 wurde Regionalliga gespielt und zu Beginn dieser Jahresrückrundumbeobachtungen lässt sich feststellen, dass sich 2024 über zwölf Monate ebenfalls zwischen Rhein und Weser abspielen wird.

Blauinnen 2023

Dennoch wird 2023 ein besonderes Jahr in der Historie des Frauenfußballs bei Arminia bleiben – das Jahr des ersten Titels. Und natürlich war 2023 auch sonst etwas mehr als eine Blaupause des Vorjahres. Also… ran an Postheide!

Blauinnen 2023

Mal ja, mal nein, meistens vielleicht (zum Ersten)

Im Spätherbst 2022 ist die Ligazugehörigkeit der Blauinnen in 2023 also klar. Das letzte Ligaspiel des alten Jahres endet mit einem 3:0 gegen die Zwote vom FSV Gütersloh, in den Spielen zuvor ist die Ausgangsposition für mehr als das Tabellenmittelfeld am Saisonende vielleicht nicht endgültig verspielt, aber doch ziemlich weit in die Realitätsferne gerückt.

Wie also die Rückrunde angehen? Na ja, erstmal wie immer, mit einem Testspiel. Das führt die Blauinnen nach Bremen zum ATS Buntentor, wo es keine Verpflegung und keine Eckfahnen, dafür aber einen übereifrigen Kunstrasenplatz- Wächter gibt, der jede Zigarette des Platzes verweist, die sich innerhalb des Kunstrasenkäfigs befindet, in dem die Blauinnen das Jahr eröffnen müssen. Immerhin präsentieren sich die Mädels spielfreudig und stabil und gewinnen mit 3:0.

Wat nu… auf in die gewaltigste Siegesserie seit 2019? Oder doch eher runterspielen? Es wird letzteres. Arminia hat mühevolle Arbeitssiege dabei. Arminia hat unterhaltsame Schönwetterspiele dabei. Viele davon nicht nur sportlich, sondern auch vom Drumherum, wie etwa der Trainer der SGS Essen II, bei dem man einfach nur mitschreiben muss, um unterhaltsame Rundumbeobachtungen zu kriegen.

Arminia hat im Frühjahr tatsächlich eine deckungsgleiche Blaupause mit 2022. In Spitzenspiele gehen die Mädels mit viel Engagement, verlieren aber mit laufender Spielzeit den Faden, kassieren die Gegentore, kommen gegen die Gegnerinnen von der Tabellensonnenseite nicht mehr angerannt und verlieren am Schluss. In diesem ersten Jahresdrittel ist es „nur“ das Spitzenspiel gegen Gladbach. Aber da kommen später noch ein paar.

Arminia hat öde Schönwetter- Spiele in Kleve und noch ödere Schönwetter- Spiele in Windflöte, wo die einzigen Highlights Diskussionen über Minigolf, ein Flugzeug im Anflug auf Bielefeld International (oder wie dat Dingens in Senne heißt) oder Jupi sind, die einem Vereinsmeier des VfR Warbeyen an die Gurgel will, weil die Duschen auf dem Bresserberg in Kleve zu kalt sind. Das schloss zumindest der Vereinsmeier im Angesicht der schmollenden Jupi.

Ob er recht hat? Eins kann man Jupi und ihren Mannschaftskameradinnen jedenfalls nicht absprechen: Was sie auf den Platz bringen, ist immer grundehrlich. Oder, wie man heute sagt, authentisch. Im Spiel, in der Saison haben sie ihre starken Phasen mit schnellem Passspiel und konsequent zu Ende gespielten Angriffen eben so wie ihre Freischwimmer- Phasen, während der jedes Dribbling, jedes Abspiel bei der Gegnerin oder im Seitenaus landet. Der Einsatz und das Wollen ist immer da. Es fehlt jedoch das letzte Prozent, sei es Glück, Spiel… Emotion ist es eigentlich nicht. Allerdings wird dieses letzte Prozent angesichts der Tabelle immer weniger relevant.

Panierte Schnitzel schmecken gut

Nach 20 Spielen haben die Blauinnen 26 Punkte. Es sind acht Punkte Rückstand auf den Tabellenersten, es sind neun Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Egaler könnte eine Tabelle nicht sein. Obwohl rechnerisch natüüüürlich noch alles drin ist (wie sonst erkläre ich mir, dass das Auswärtsspiel bei den Sportfreundinnen Siegen kurzerhand zum „Endspiel um den Klassenerhalt“ geadelt wird?).

Sei es das Streben nach dem Regionalligaverbleib, sei es, dass die Tabelle egal nicht sein könnte, sei es, dass der Frühling da ist- die Mädels spielen neben dem Leimbachstadion frei auf. Die begeisterten Auswärtsfahrer bekommen neben toller Bratwurst, tollen Schnitzeln im Brötchen, netten Leuten und einem ersten Eindruck von Victoria Clarholz (die im Anschluss beim Siegener Männerteam zu Gast war) noch einen 4:1- Sieg ihrer Mädels präsentiert.

Sei es, dass der Spaß am Fußball einfach von alleine wieder kommt. Sei es, wie es ist. Die Messe ist gelesen, der Drops gelutscht, das Schnitzel paniert, der Deckel drauf. Und ohne jeden Druck finden die Blauinnen zu ihrem bekannten frischen Angriffsspiel und vor allem der Freude daran zurück. Jocy Hampel blüht auf, trifft zweimal in Siegen und im nächsten Heimspiel gegen Recklinghausen gleich nochmal. Jana Radosavljevic probiert, greift an, trifft.

Das ganze Team legt los. Zum Saisonende bleiben die Blauinnen sechs Mal in Folge ungeschlagen. Die Saison endet mit 16 Punkten Rückstand auf den Aufsteiger aus Mönchengladbach und 12 Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze- aber immerhin mit Spaß. Das letzte Saisonspiel beim VfL Bochum geht verloren, mehr oder weniger aus taktischen Gründen.

Der Pott an die Postheide

Denn der VfL von der Castroper Straße sollte noch zum Finale des Westfalenpokals auf die Postheide kommen. Schon zu Jahresbeginn wurde der Pokalsieg mehr oder weniger als Saisonziel benannt. Und während Arminia in der Liga im eben beschrieben Vakuum zwischen Oben und Unten herumwerkelte, hatte der Westfalenpokal doch einen anderen Drive. „Heute aber!“, sagt Trainer Tom Rerucha vor dem Halbfinale. Eine durchaus symbolische (und korrekte) Aussage.

Im Westfalenpokal sieht man, dass es noch um etwas geht. Das Viertelfinale bei der Namensbase Arminia Ibbenbüren ist ein Match, dass als Ligaspiel wohl ziemlich auf der Kippe gestanden hätte. Im Tecklenburger Nieselregen sehen die Zuschauer 85 zähe Minuten. In den restlichen 300 Sekunden drehen die Blauinnen voll auf, erzielen drei Tore und erreichen so die Vorschlussrunde.

Zum Halbfinale kommt Siegen auf die Postheide. Die Sportanlage in Windflöte ist gut gefüllt. Selbst gebastelte Fahnen werden an den Spielfeldrand verteilt, die Mannschaften kommen zu ordentlich Schwarzweißblau auf den Hybridrasen. Auch das ist ein Spiel, dessen Ergebnis in der Liga durchaus anders hätte verlaufen können. Bis zur 60. Minute legt Arminia durch einen Doppelpack von Jana Radosavljevic und ein Tor von Madsie McCracken ein 3:0 vor. Dann folgt eine Wackelphase, in der die Sportfreundinnen auf 3:2 herankommen. Die letzten Minuten des Spiels ist Zittern angesagt,… doch die Blauinnen raffen sich auf und die eingewechselte „Nacho“ Mohamed erzielt das entscheidende 4:2.

Und dann dieses Finale. Fronleichnam 2023, der Tag des Endspiels, hatte von Anfang an etwas Besonderes. Hinter dem Tor zur Cafeteria ist eine zusätzliche Tribüne errichtet. Der Pokal steht bereit. Mal hier, mal da, solange er bei den Vorbereitungen nicht im Weg ist. Die Postheide füllt sich und wird zum ersten Mal in ihrer vierjährigen Geschichte ausverkauft sein. Die Bochumer machen Stimmung und haben ein paar Rauchtöpfe dabei. Und die zahlreichen Arminen präsentieren eine Choreo, haben Trommel und Megaphon am Start, die Stimmung kocht.

Es gibt Tage, an denen alles klappt. An denen sämtliche kämpferischen und spielerischen Tugenden abgerufen werden und greifen. Die Bochumerinnen spielen stark und kommen zu ihren Chancen, doch die Blauinnen erwischen einen Sahnetag. Jocy Hampel, Lena Meynert, Jana Radosavljevic und Nacho Mohamed treffen für Schwarzweißblau und schreiben zusammen mit ihrem Team Geschichte.

Lisa Venrath, Leonie Heitlindemann, Samantha Kühne, Jana Radosavljevic, Lischa Lösch, Lena Meynert, Sandra Hausberger, Rieke Barkhausen, Emelie Klingen, Jocelyn Hampel, Madeline Elise McCracken, Grit Bender, Leonora Ejupi, Anna Pauline Czekalla, Antonia Vesna Franovic, Naryis Charradi Mohamed. Das sind die Damen, die den ersten Titel für Arminias Frauen gewinnen.

Jubel, Tanz, Umarmungen und Freudentränen auf und neben dem Platz. Bis weit in den Brückentag hinein wird gefeiert, es gibt Cocktails, Flunkyball, Beerpong und was Blauinnen nach einem Titelgewinn sonst noch so machen. Wusstet Ihr, dass ein Taxi von der Postheide zum Hauptbahnhof Bielefeld exakt 50 Euro kostet? Weil keine Busse mehr fahren?

Zweitblauinnen und Junior- Blauinnen- das Fundament steht!

Wie das bei Finals so ist – vor dem Anstoß stehen erstmal ein paar Ehrungen an. Geehrt wird unter anderem die U17 der Blauinnen. Und nicht nur auf der Postheide- schon ein paar Wochen zuvor durfte sich das Team von der Südtribüne der Alm feiern lassen. Denn die U17 stieg 2023 in die Juniorinnen-Bundesliga auf und schlägt sich dort wacker- 14 Punkte holten sie bisher, zehn Punkte Vorsprung sind es auf die Abstiegsplätze.

Die jüngsten Kickerinnen des DSC holen in ihrer Liga acht Siege aus acht Spielen, mit 74:3 Toren. Sie stehen also nicht nur an der Tabellenspitze sondern nehmen mal geschmeidig den Fußballkreis auseinander. In den Kreispokalfinals im November betätigt sich das. Die beiden jüngsten Jahrgänge der Blauinnen holen sich ihre Pötte, mit einem 12:0 und einem 13:1. Die U16 ist Vierter in der Verbandsliga. Auch die U23 hat sich nach dem Aufstieg 2022 in der Westfalenliga etabliert.

Im Unterbau der ersten Mannschaft warten ganze Jahrgänge darauf, nach oben durchzubrechen. Arminia ist eine Adresse im regionalen Frauen- und Mädchenfußball. Wenn alles richtig läuft, dürfen wir uns auf eine wunderbare Zukunft freuen.

Abschied

So schön diese Pokalsaison war- es gab einen bitteren Moment. Im Halbfinale gegen Siegen verletzt sich Susi Werner so schwer, dass sie ihre Töppen an den Nagel hängen muss. Mit elf Saisontreffern führte Susi bis dahin die Torschützinnenliste der Blauinnen an. Eine Karriere, die in die U17- Nationalmannschaft, die Frauenbundesliga und zum westdeutschen Pokal im Futsal führte, endet bei Arminia, allerdings viel zu abrupt. Auf dem Platz verlieren die Blauinnen ihre Knipserin. Neben dem Platz verlieren sie Susis fröhliches Wesen nicht, sie kommt auch weiterhin zu den Spielen.

Ein endgültiges Ende finden im Sommer die legendären Gruppenfotos der Teenager in Arminias erster Frauenmannschaft. Wie schon Ada Siepmann und Frau Schneiderchen im Jahr zuvor geht Lea Bartling in die USA. Auch Mara Lotta Finger verlässt den DSC. Hier noch einmal ein Best of Blauinnen Jugend-Gang:

Bei Jana und Madsie, den einzigen Profispielerinnen des DSC, reichen die Worte hier nicht. Ich wünsche Euch nur das Beste. Wisst Ihr ja.

Auch Tom Rerucha und viele Mitglieder seines Trainerteams nehmen Abschied. Hier bleiben die vielen netten Gespräche und Frotzeleien neben dem Platz in guter Erinnerung. Alles gute Euch!

Zu Beginn des Fußballjahres 2023 verkündet außerdem eine Arminia- Legende den Abschied vom aktiven Ballsport. Sarah „Grüni“ Grünheid ist nicht nur eine Erinnerung an tolle Zeiten der Blauinnen, sondern hat auch einen Satz geprägt, der symbolisch für die Mannschaft ist: „Tore werden zusammen geschossen“. Und so isses. Genau, wie zusammen gekämpft, gespielt, gewonnen, verloren wird. Das ist, auch wenn es manchmal bröckelt, zumindest gefühlt das grundsätzliche Credo dieses Teams.

Und dann geht die Capitana von Bord. Sandra Hausberger hat nicht nur die Mannschaft der Blauinnen geprägt und organisiert, auf dem Rasen und daneben, sondern auch viel für den Verein im Allgemeinen getan. Du hattest eine Frage und wusstest nicht, wen im Verein man fragen sollte? Sandra wusste es. Wenn sie nicht eh schon die Antwort auf die Frage wusste. Aber sie bleibt ja im Club und managt das Profiteam. Und wer immer noch nicht weiß, wer Sandra Hausberger ist – das ist die, die die Auswechseltafeln hoch hält. Und mehr als nur eine Zeile schwarzweißblaue Geschichte mitgeschrieben hat.

Ein neuer Kader und eine neue alte Bella

Die neue an der Seitenlinie ist keine „Neue“. Annabel Jäger kehrt an die Postheide zurück. Sehr schön für den Rundumbeobachter, der einen alten Running Gag wieder hervor kramen kann. Annabel Jäger wurde in ihrer Zeit als aktive Blauin von allen „Bella“ gerufen, außer von ihrem Trainer, der beharrlich „Anna“ über den Platz brüllte.

Bella (Wuckel: „Anna“) Jäger ist also wieder da. 65 Spiele hatte sie zwischen 2016 und 2020 für die Blauinnen absolviert und 19 Tore geschossen. Eins davon brachte sie an die Torwand des ZDF- Sportstudios. Auch sonst hat sich Bella tüchtig den Wind um die Nase wehen lassen. Zwei Bundesligajahre in Wolfsburg und Cloppenburg, knapp 50 U-Länderspiele. Ihre B-Lizenz machte sie als Co-Trainerin des FC Kaunitz. Als neue Blauinnen- Trainerin will sie „alles dafür geben, das Team voranzubringen.“ Und das meint sie ernst, wie Trainingsbeobachter berichten können. „Wenn ich Spielerin wäre, ich würde besser mein Zimmer aufräumen.“, urteilen die Kiebitze.

Im Kader sind halbe Veteraninnen wie Tor- Lisa Venrath und Sammy Kühne. Und Urgesteine wie Jupi, Lisa Lösch und Leonie Heitlindemann. Und Grit Bender. Da gab es einen kurzen Schreckmoment beim Pokalfinale, als Grit Blumen in die Hand gedrückt kriegte. Die wird doch nicht auch… Nein, sie wird für ihr Zehnjähriges bei den Blauinnen geehrt. Deswegen auch die Formulierung. Es gibt Urgesteine bei den Blauinnen und es gibt Grit Bender. Die einzige, die vom ersten Blauinnen- Spiel des Rundumbeobachters noch da ist. Die immer Tipps für Textideen hat und nie um einen verbalen Konter verlegen ist. Auf die nächsten zehn!

Obwohl… so ganz stimmt das nicht mit dem ersten Spiel. Damals stand auch Celine Preuß im Kader von Arminia. Die kehrt im Sommer nach vier Jahren in Saarbrücken und Bocholt ebenfalls zum Frauenteam des DSC zurück. Drei Jahre fort war Sophia Tiemann. Die Flügelspielerin, die zwischen 2018 und 2020 16 Tore für Arminia erzielte, kommt aus Meppen wieder an die Postheide.

Sonst hat sich Arminia wieder einmal als attraktivere Adresse als Gütersloh erwiesen. Phine Ebert, Pamela Jahn, Jacky Manteas und Anna-Lena Meier kommen vom FSV an den Teuto. Mit Inci Fenu und Haley Flatemersch rücken zwei Spielerinnen aus den Nachwuchsmannschaften auf. Die vereinslose Rike Tolkmitt und Samantha Herrmann vom TSV Schott Mainz (kurz nach Samanthas Wechsel als ein gewisser „1.FSV Mainz 05“ unterwegs) komplettieren die Neuzugänge.

Zwar erweist es sich als schwer, einen adäquaten Ersatz für die knipsende Susi Werner zu finden, doch sind die „Neuen“ durchaus Verstärkungen. Anna-Lena Maier geht Kilometer in der Sturmspitze. Pamela Jahn und Jacky Manteas erweisen sich als starke Stützen der Defensive und tauchen genau wie Samantha Herrmann und Rike Tolkmitt auch mal gefährlich vor des Gegners Kasten auf. Zehn der bisherigen 25 Saisontore haben die Neuzugänge erzielt.

Schwung holen und Lernen

Die Testspiele vor Saisonbeginn sind so wie Testspiele sind. Nämlich solala. Es gibt die obligatorischen Siege bei Jahn Calden und gegen Eintracht Braunschweig. Es gibt ein respektables 2:2 beim SV Meppen. Es gibt Niederlagen gegen die Zweitligisten aus Gütersloh und Mönchengladbach, die auch anders hätten enden können.

Festzuhalten ist, dass die Mädels gegen klassengleiche Gegner durchaus ein paar Vorteile haben und mit klassenhöheren Opponenten mit halten können. Und einige Varianten im Spiel üben. So, wie Testspiele halt sind. Solala.

In die Mitte der Tabelle

Der Saisonstart 2023/2024 ist durchwachsen. So, wie man sich „durchwachsen“ plastisch vorstellen kann. Recklinghausen ist der erwartet fordernde Gegner und wird ebenso verdient wie mühevoll mit 2:1 besiegt. Bei der U23 von Bayer Leverkusen gibt es dann richtig was auf den Deckel- 0:4. Das nächste Ligaspiel führt die Blauinnen wieder ins Rheinland. Nach einem ruckligen Spielbeginn bei SpoHo Köln zeigen die Mädels Kampfgeist und wunderbar anzuschauenden Fußball. Mit einem 4:1 im Gepäck treten sie die Rückreise nach Ostwestfalen an.

Der Anfang der Saison fühlt sich an wie der Anfang des Jahres. Oder, wenn man unbedingt wieder das Bild von der Blaupause bemühen will (stand irgendwo da oben schon mal), wie das Ende von 2022. In den Spielen und über die Spiele gibt es immer ehrlichen Einsatz. Und dazu starke Phasen und Phasen, in denen wenig zusammen läuft.

Meistens starten die Blauinnen stark ins Spiel. Erzielen sie die Führung, beflügelt das und sie legen nach. Schaffen sie es nicht, den Ball in der starken Phase im Netz unterzubringen, geht der Faden etwas verloren. Erzielt dann der Gegner Tore, ist es trotz allen Einsatzes, trotz aller Leidenschaft schwer, das Match noch zu drehen. Wie etwa im Spiel bei der U23 der SGS Essen. Arminia erzielt ein verdientes Tor. Ebenso verdient ist leider auch die 1:3- Niederlage. Mit eben dargestelltem Spielverlauf.

Ähnlich ist es beim Auftritt des Spitzenteams von Fortuna Köln auf der Postheide. Arminia ist das aktivere Team, lässt aber die wenigen Chancen liegen und versäumt es, die entscheidenden Hiebe zu setzen. Die setzt die Fortuna und gewinnt 2:1. Sowieso ist festzustellen, dass der Kader der Blauinnen zwar an Qualität leicht zugelegt hat, aber kein Spitzenteam ist. Für eine Spitzenmannschaft bräuchte es einen Zweitliga- Kader, wie Tom Rerucha schon 2002 zu Protokoll gab.

Den hat in dieser Spielzeit der VfL Bochum, der sich in der Sommerpause entsprechend aufrüstete und zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerade einmal zwei Punkte von der Maximalausbeute liegen ließ. Dass die Blauinnen da nicht mithalten können, zeigt sich beim Auftritt des VfL auf der Postheide. Die im Westfalenpokalfinale noch so furios abgefertigte Mannschaft ist einfach besser als die tapfer kämpfenden Blauinnen und gewinnt mit 4:1. Nach sechs Spielen hat der DSC 15 Punkte und deutlichen sportlichen Rückstand auf den Spitzenreiter von der Castroper Straße.

Blauinnen gucken- lohnt sich immer wieder

Wenn es aus einem Regionalliga- Jahr (2022) in ein neues Regionalliga- Jahr (2023) und dann wieder in ein (2024) geht, stellt sich die Frage: Werden die Auswärtsplätze aus Kunstrasen, mit Käfigen drumrum und im Schnitt 87 Zuschauern nicht irgendwann langweilig?

Antwort: Nö. Denn erstens spielt Arminia. Und zweitens haben selbst die Regionalliga- Urgesteine immer wieder Überraschungen für den Spielfeldrandsteher parat. Beim ersten Besuch bei SpoHo Köln 2022 etwa gab es mit knapper Not einem Kaffee und das Vereinsheim war einsamer als der Mülleimer im Teuto bei Oerlinghausen um 23.30 Uhr am Novembermittwoch. Dieses Jahr gibt es Laugenbrezeln, jede Menge Brötchen und Kuchen und viele nette Leute.

In Essen und Kleve – bzw. Warbeyen – lernen wir den Hauptplatz der jeweiligen Sportanlage (essen) oder den Nebenplatz (Warbeyen) kennen. Das Verhältnis Platz- Verpflegung ist bei beiden parallel: Bei einem Spiel auf dem Hauptplatz der Essener Ardelhütte wird die ganze Bandbreite der Schönebecker Kulinaria präsentiert: Bratwurst, Frikas, Pommes vom Allerfeinsten. In Kleve gab es Waffeln, Kuchen und feinste Konditorei, als es 2022 auf dem Hauptplatz des Bresserbergs zur Sache ging.Auf den Nebenplätzen? Gerade mal’n Snickers und’ne Pilshülse.

Sowieso, die Fressversorgung. Vom Snickers über Brötchen und Kuchen (Köln, Gütersloh) über Grillwurst aus der Rasenmähergarage (Ibbenbüren) bis hin zu wunderbaren Frikadellen (Köln, woanders) oder fantastischer Bratwurst und Schnitzelbrötchen in Siegen. Leider festigt sich in 2023 Rundumbeobachters These, dass die Vereine mit dem besten Mampf ihre Mannschaften zurückziehen. Macht’s gut, Sportfreundinnen Siegen. In Memoriam SV Berghofen. Und in tief trauriger Erinnerung an die beste Pizzeria im Umkreis von fünf Kilometern.

Den Titel „Beste Anzeigetafel im Umkreis von 30 Kilometern einschließlich Taubenloch an der Hammer Straße“ gewinnt Ibbenbüren.

Und die Postheide ist auch in 2022 ein liebes Ritual. Die 94 nach Senne raus. Die bekannten Gesichter begrüßen. Rein in die Cafeteria, wo Trikots auf den Tischen liegen. Den ersten Kaffee nehmen. Darauf hinweisen, dass es immer noch keine Waffeln gibt. Running Gag, nachdem die Wertmarken Geschichte sind. Diskutieren, ob man mit Likör und Weißwein Grog oder doch lieber Glühwein macht.

Beim Spiel neben Schöni am Sprechertisch stehen, frotzeln, zusammen mit dem Weserkollektiv Wechselgesänge anstimmen. In irgendeine der Stolperfallen tappen, die die Postheide für anatomische Trottel in großer Zahl bereit hält. Bei jedem Wetter am Spielfeldrand stehen, das Spiel gucken, das Spiel diskutieren. Nach dem Spiel mit den Mädels schnacken. Sich ein paar Fritten ziehen.

124 Zuschauer kommen im Schnitt nach Windflöte. Das ist solide, aber da geht noch was. Lasst Euch nicht vom Wetter oder vom Busverkehr nach Senne am Sonntag abhalten. Kommt vorbei und werdet Teil der Postheide- Community. Oder fahrt mit durch die Regionalliga, es macht Spaß. Damit keiner behaupten kann, er oder sie habe von nichts gewusst: Hier ist der Spielplan!

UNSER Pokal?

Was neben der wunderbaren Erinnerung zum Dasein als Westfalenpokalsiegerin dazu gehört: Die Teilnahme am DFB- Pokal. In der ersten Runde ist der Rostocker FC keine nennenswerte Hürde für die Blauinnen. Arminia macht es den Pokalfinals der Jugendmannschaften gleich und schlägt den mecklenburger Verbandsligisten mit 13:1. In der zweiten Runde des bundesweiten Pokalwettbewerbs kommt der Bundesligist aus Duisburg auf die Postheide.

Eigentlich ein gutes Omen, schließlich haben die Blauinnen den höherklassigen MSV schon zweimal aus dem Pokal gekegelt. In diesem Jahr lassen die Duisburgerinnen allerdings nicht mit sich spaßen. Bereits ihr erster Angriff endet mit der Führung und obwohl die schwarzweißblauen Mädels alles geben, zeigt sich der Klassenunterschied. 1:6 liest sich heftiger, als es war. Am Sieg des MSV gab es aber nichts zu rütteln.

Aber wie sieht es aus in „unserem“ Westfalenpokal? Nun, das letzte Spiel, das Arminia im Westfalenpokal bis zum Jahresende spielte, war das wunderbare Finale gegen Bochum. In der aktuellen Pokalsaison trat der SV Hohenlimburg nicht zur ersten Runde an, das Zweitrundenspiel in Recklinghausen fiel dem Wetter zum Opfer. Wir wissen also erst im Februar 2024, ob auch in dieser Spielzeit ein im Vergleich zur Liga besonderer Pokal-Spirit bei unseren Titelverteidigerinnen herrscht.

Er wird nötig sein. Recklinghausen ist eine schwere Adresse und im Viertelfinale würde wiederum der VfL Bochum warten. Der wiederum stand in den letzten beiden Jahren im Finale des Westfalenpokals und ging beide Male leer aus. Das wird dem VfL nicht nochmal passieren wollen und es steht zu fürchten, dass die Damen vonne Castroper im Pokal genauso ernst machen wie in der Liga. Da wird bei unseren Frauen eine Menge Pokalgeist nötig sein. Aber… warum nicht? Den können sie.

Mal ja, mal nein, meistens vielleicht (zum Zweiten)

Zurück zum Geschehen in der Regionalliga. Mittlerweile ist es Oktober. Die Blauinnen haben drei Spiele in Folge verloren bei 3:9 Toren. Wie schon im ganzen Jahr zuvor folgt auf eine „Meh!“- Phase eine „Yeah!“- Phase mit drei Siegen in Folge und 11:1 Toren.

Zäh geht es los in Rheda- Wiedenbrück bei der zweiten Mannschaft des FSV Gütersloh. Beide Mannschaften betreiben viel Aufwand, finden aber das Tor nicht und so entscheidet ein Abstauber von Emmy Klingen nach einem gehaltenen Elfmeter das Spiel. Gegen den SV 1913 Walbeck läuft es dann perfekt: Arminia geht früh in Führung, nimmt alles an Schwung mit und schießt den Aufsteiger mit 8:0 über die A33.

Gegen Warbeyen zahlen sich die kämpferischen Tugenden der Blauinnen aus. Bei ostwestfälischem Herbstwetter – in des Wortes heftigster Bedeutung – ringen sie den Gast aus Kleve mit 2:1 nieder. Symbolisch für den Verlauf des Spiels wie auch für die kämpferischen Tugenden des Teams ist Jupi: Alles in Grund und Boden rennen, mal kratzen, mal beißen, manchmal etwas ungestüm und trotzdem den entscheidenden Ball spielen. Jupis Auftritt gegen Warbeyen dauert 20 Minuten. Nach ihrer Einwechslung erzielt sie das entscheidende 2:1, checkt die Torhüterin weg und legt sich mit dem SchiRi an- Platzverweis.

Apropos Torhüterin: Eine Entdeckung des Jahres ist Charly Schneider im Tor der Blauinnen, die einiges an Punkten rettet.

Bis zum Jahresende folgt noch ein 1:0 gegen den SSV Rhade. Vorher und nachher gibt es Auftritte, die der gewohnt nölige ostwestfälische Spielfeldrand beim 2:3 neben dem Geißbockheim des 1.FC Köln so darstellt: „Nicht das frühe Tor gemacht, jetzt fahren die Kölnerinnen einen erfolgreichen Angriff und dann sieht es böse aus…“. Haben wir ein paar mal erlebt in diesem Jahr 2023. Ebenso wie die beiden 1:1 im Dezember beim FFC Recklinghausen und in Aachen, als mehr drin war, aber nicht mehr heraus sprang.

Die Blauinnen 2023: Einmal Westfalenpokal- Wahnsinn… und zurück

Manchmal gleichen sich Bilder. Ja, auch bei Arminia Bielefeld. Ja, sogar in Jahresrückblicken. 19 Punkte hat Arminias Frauenteam nach der Hinrunde auf dem Konto. 15 nach oben (Bochum meint es wirklich ernst), sieben nach unten. Vor Jahresfrist waren es 17 Punkte. Sieben nach oben, zehn nach unten. Mittelfeld der Regionalliga West. Keine Schnitte gegen die Tabellenspitze, sicher und spielerisch ansehnlich gegen das Tabellenmittelfeld und das Tabellenende.

Es gab starke Phasen, es gab Schwimmphasen. Während der Spiele, während des Kalenderjahres. Es gibt die zeitlosen Tugenden der Blauinnen: Immer ein ehrliches Spiel, viel Kampf, über den man zur spielerischen Qualität findet- und davon steckt immer noch eine Menge im Kader.

Es wird schön anzusehen sein, wenn Bella (Wuckel: „Anna“) Jäger aus den vollen schöpfen kann. Wenn die Samanthas (Kühne und Herrmann) ihre Verletzungen auskuriert waren. Wenn Stammkräfte wie Leonie Heitlindemann oder Jocy Hampel nicht ausfallen- ihr zeitweises Fehlen war doch schmerzhaft zu merken. Für 2024 wünsche ich den Blauinnen mehr Spiele wie gegen Walbeck: Nicht unbedingt 8:0, aber frühe Erfolgserlebnisse und dann den Drive daraus nutzen.

Es wird sich immer lohnen, sie anzufeuern und ihren Weg zu begleiten. Und dabei vielleicht die manchmal mehr oder weniger lauten Stimmen im Kopf zu überhören, die fragen, wo man hin will, wohin es gehen soll, ob man hoffen kann und was man hoffen soll.

Wohlgemerkt: Wir reden nicht von grauer Drittliga- Tristesse. Die Blauinnen sind und bleiben für Überraschungen gut. So wird das Drittligajahr 2023 symbolisch von der Jahrzehntspielerin zusammengefasst, als der Schlusspfiff eines Spiels an Fronleichnam schon ein paar Stunden her ist: „Ey…Pokalsieg…könnt Ihr es glauben?“ Ja, Grit, können wir. Wie wir immer an Euch glauben.

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